| # taz.de -- Kritische Infrastruktur in der Ukraine: Raketen als Energieräuber | |
| > Durch russische Luftangriffe verliert die Ukraine immer mehr | |
| > Energie-Infrastruktur. Stromsparen ist das Gebot der Stunde. | |
| Bild: Odessa, geliebte, jetzt dunkle Stadt. Stromsparen in der Ukraine ist jetz… | |
| Wir haben ein Paket mit der Post bekommen, von meiner Tante aus dem Gebiet | |
| Charkiw. Das Dorf, in dem sie lebt, war ein halbes Jahr lang russisch | |
| besetzt. Anfang September wurde es befreit. Das Erste, was meine Tante tun | |
| wollte, war, ein Geschenk zu verschicken: einen Sack Kartoffeln und einen | |
| Sack Zwiebeln. | |
| [1][Unter Beschuss] hatte Tante Walja mit ihrem Mann dieses Gemüse | |
| angebaut. Und, kaum dass die Post wieder funktionierte, verschickte sie | |
| etwas davon an ihre Verwandten in Odessa. Im Dorf meiner Tante gibt es | |
| zurzeit noch keinen Strom, die Post arbeitet mit einem Generator. In dem | |
| Brief, den sie unserem Kartoffel-Zwiebel-Geschenk beigelegt hatte, schrieb | |
| meine Tante neben Worten des Glücks und der Freude: „Spart Strom!“ | |
| Ich habe diese Geschichte bei der Arbeit erzählt und dann ging es los. | |
| Es war ein gewöhnlicher Montag, ich kam ins Büro. Meine Kollegin ging die | |
| ganze Zeit hinter mir her und machte das Licht aus. Zuerst dachte ich, dass | |
| das ja nichts Ungewöhnliches sei. Es ist einfach so, ich vergesse das | |
| Energiesparen und sie, ohne viel Aufhebens, korrigiert meine Fehler. | |
| Laut Aussagen des ukrainischen Präsidenten haben [2][russische Raketen- und | |
| Drohnenangriffe] 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerke entweder beschädigt | |
| oder zerstört. Im Oktober haben diese Angriffe wieder zugenommen. Die | |
| meisten der feindlichen Raketen und Drohnen werden vom ukrainischen Militär | |
| abgefangen, aber einige erreichen ihr Ziel, was dann zu kompletter | |
| Dunkelheit führt. | |
| [3][Damit die noch intakten Kraftwerke die benötigte Strommenge | |
| bereitstellen können], sollen die Gebiete, in denen die Lage stabiler ist, | |
| sparen. Das betrifft auch meine Heimatstadt Odessa. | |
| Die Stromversorger bitten darum, Haushaltsgeräte morgens zwischen 6 und 9 | |
| Uhr und abends zwischen 5 und 11 Uhr nicht zu benutzen. Sie raten dazu, | |
| sich mit Kerzen einzudecken und sich auf einen harten Winter vorzubereiten. | |
| Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, fahre ich durch die geliebte, | |
| jetzt dunkle Stadt und sehe, wie hinter den Fenstern meiner Landsleute die | |
| Kerzen brennen. In Odessa gibt es Strom, diese Kerzen brennen als Zeichen | |
| der Solidarität mit Ukrainern wie meiner Tante Walja im Gebiet Charkiw. Die | |
| Stadtverwaltung schaltet die Beleuchtung auf den Hauptstraßen ab, und die | |
| Odessiten selbst machen in ihren Wohnungen das Licht aus. | |
| „Spart Strom!“ – für mich hat dieser Satz zwei Bedeutungen. Die eine ist, | |
| dass man weniger waschen und bügeln soll. Und die andere, dass wir uns von | |
| keiner verdammten Rakete die Energie rauben lassen dürfen. | |
| Aber trotz des stundenlangen Luftalarms in Odessa glauben wir daran, dass | |
| alles wieder aufgebaut und repariert wird, dass die Dunkelheit verschwindet | |
| und das Licht in alle ukrainischen Wohnungen zurückkehrt. | |
| Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
| Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]. | |
| Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der Verlag [6][edition.fotoTAPETA] | |
| im September herausgegeben. | |
| 8 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tatjana Milimko | |
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