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# taz.de -- Ökozid im Krieg: Tödliche Schallwellen im Meer
> Im Schwarzen Meer sterben unzählige Delfine. Schuld daran sind die
> Bombenangriffe, die zu akustischen Traumata bei den Meeressäugern führen.
Bild: Endlich wieder ans Meer: am Strand von Odessa, November 2022
Endlich kann ich wieder am Meer spazieren gehen. Mit Beginn des Herbstes
wurden die Tafeln mit der Aufschrift „Vorsicht, Minen!“ an vielen Stränden
Odessas abgenommen. Der Zugang zum Wasser ist damit wieder möglich. Richtig
schwimmen zu gehen ist zwar nach wie vor gefährlich, [1][aber die Odessiten
sind schon froh, dass sie einfach nur die Hand wieder ins Meer tauchen
können].
Auf einem Spaziergang an einem meiner Lieblingsstrände machte ich einen
schrecklichen Fund. Ein toter Delfin war ans Ufer gespült worden. Ich rief
einen mir bekannten Ökologen an, der innerhalb einer Stunde mit seinen
Kollegen am Strand eintraf. Das Tier zu drehen oder auch nur anzufassen war
bis zum Eintreffen der Fachleute streng verboten. Der Grund: Die Ökologen
mussten zuerst die Todesursache klären.
Vor dem Krieg starben Delfine vor allem durch Netze von Wilderern. Das
erkennt man an charakteristischen Flossenverletzungen. Der von mir
gefundene Delfin hatte keine Wunden oder andere Verletzungen, die zu seinem
Tod hätten geführt haben können. Nach Meinung der Ökologen war er aufgrund
von Explosionen auf See und der Sonartechnik der Kriegsschiffe gestorben.
In den Gewässern des Schwarzen Meeres ist seit Kriegsbeginn ein Dutzend
russischer Schiffe im Einsatz. Die auf ihnen befindlichen Sonarsensoren
senden starke Schallwellen aus.
## Bereits 5000 tote Delfine
Delfine gelangen in die Bereiche, in die diese Geräte ausstrahlen, und dann
versagen ihre eigenen Navigations- und Echoortungsorgane. Das bedeutet,
dass Delfine und andere walähnliche Meeressäuger im Schwarzen Meer sehr
starke akustische Traumata erleiden, die zu ihrem Tod führen.
Ich war unglaublich traurig, als ich erfuhr, dass derartige Funde in der
Ukraine häufig vorkommen. [2][Die Ökologen berichten von einem echten
Ökozid] und nennen schreckliche Zahlen. Vor Odessa wurden seit
Kriegsbeginn 44 tote Delfine gefunden.
Ivan Rusev, promovierter Biologe des [3][Nationalen Naturparks Tuslyer
Limane], berichtete, dass in den Gewässern des Schwarzen Meeres schon 5.000
tote Delfine gefunden wurden. Nur etwa 5 Prozent aller getöteten Tiere
werden überhaupt an Land gespült. Die übrigen 95 Prozent sinken auf den
Meeresgrund und können vom Ufer aus gar nicht entdeckt werden.
Nach Angaben von Ökologen beläuft sich die ungefähre Todeszahl dreier
walähnlicher Meeressäugerarten im Schwarzen Meer auf 50.000. Zum Vergleich:
Bis zu Beginn des Krieges wurden in einem ähnlichen Zeitraum höchstens 4
durch Wilderer getötete Delfine gefunden.
Die Strafverfolgungsbehörden in Odessa eröffnen Verfahren wegen des
Massensterbens von Schwarzmeerdelfinen und anderen walähnlichen
Meeresäugern. Doch nur ein Ende des Krieges und der Abzug russischer
Kriegsschiffe kann die Bewohner des Schwarzen Meeres retten.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
Die taz Panter Stiftung stellt das Projekt „Krieg und Frieden – Ein
Tagebuch“ und ihre Kampagne zur Unterstützung unabhängiger Medien in
Osteuropa vor. Wann? Am Dienstag, 6. Dezember, 19 Uhr im [5][Theaterhaus
Stuttgart]
1 Dec 2022
## LINKS
[1] /Odessa-im-Krieg/!5864205
[2] /Umweltschaeden-in-der-Ukraine/!5885819
[3] https://ukrainer.net/tuslyer-limane/
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[5] https://www.theaterhaus.com/theaterhaus/index.php?id=1%2C3%2C26383
## AUTOREN
Tatjana Milimko
## TAGS
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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