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# taz.de -- Initiative will die Schiller-Oper retten: Investor gegen Denkmalsch…
> Seit Jahrzehnten verfällt die Schiller-Oper. Nun haben die Eigentümer die
> Befreiung vom Denkmalschutz beantragt. Anwohner sind dagegen.
Bild: Verfällt immer mehr: Die Schiller-Oper in Hamburg.
Hamburg taz | Abgeklebte Fenster, Graffiti auf der bröckelnden Fassade und
an jedem Eingang Schilder „Betreten verboten! Einsturzgefahr!“ – warum
sollte man diese Bruchbude retten? Doch die Schiller-Oper hat eine lange
Geschichte – und engagierte Liebhaber.
Ulrike Petersen und Annalena Kirchler zum Beispiel wollen die Schiller-Oper
unbedingt retten. Vor zwei Jahren gründeten sie mit anderen AnwohnerInnen
eine Initiative, die mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung bei der Planung
für das historische Gebäude fordert. Nachdem lange nichts passierte, wurden
die Initiatoren nun in Alarmbereitschaft versetzt: Es besteht die Gefahr,
dass der Denkmalschutz der 126 Jahre alten Rotunde aufgehoben wird.
Über tausend Besucher fanden Platz, als der Zirkus Busch sein neues Haus
1891 mit einer großen Galaveranstaltung eröffnete. 1904 wurde es zum
Schiller-Theater umgebaut, 1931 wurde es zur Oper umfunktioniert. 1939
musste die schon wieder schließen – angeblich, weil ein Luftschutzkeller
fehlte.
Im Kriegs war die Schiller-Oper ein Lager für italienische Kriegsgefangene,
danach eine „Fernfahrer-Hotel“, in dem aber nie Fernfahrer unterkamen,
sondern Arbeiterfrauen. Mitte der 1970er-Jahre wird die Rotunde bei einem
Brand schwer beschädigt, in den 1990er-Jahren leben in dem alten Zirkusbau
Flüchtlinge – unter „menschenunwürdigen Umständen“, wie der Flüchtlin…
beklagt.
Als 1998 Abrisspläne der damaligen Eigentümer bekannt werden, soll das
historische Metallgerüst unter Denkmalschutz gestellt werden. Denn der
zwölfeckige Zirkusbau ist der letzte seiner Art in ganz Deutschland.
Zwischen St. Pauli und der Sternschanze liegend, wäre der Baugrund der
Schiller-Oper ohne sie jedoch wohl wesentlich wertvoller.
Seit 2012 ist der Denkmalschutz fest verankert – eigentlich. 2014 verkaufte
die Erbengemeinschaft den Bau an eine bayrische Firma. Deren
Geschäftsführer Reinhold Dierckes gab an, bis zu 18 Millionen Euro in den
Umbau des Gebäudes zu stecken, um darin Studentenwohnungen zu vermieten.
Doch nur ein Jahr später verkaufte Dierckes das Haus weiter an den
Hamburger Immobilienkaufmann Walter Kießling.
Was der mit dem Gebäude vorhat, ist nach wie vor unklar. „Wir haben keine
Entwürfe gesehen, nur davon gehört“, sagt Ulrike Petersen. Es heiße, es
solle eine freistehende Rotunde geben mit einem angebauten Turm. Dort
könnten Wohnungen entstehen. Doch gebe es über diese Pläne nur
Spekulationen, sagt Petersen.
Mitte April stellte die Linken-Abgeordneten Heike Sudmann eine Anfrage an
den Senat. Denn das alte Gebäude bröckelt langsam vor sich hin und die
Eigentümer unternähmen offenkundig nichts, um das Denkmal zu erhalten,
bemängelt Sudmann. Die Antwort beunruhigt die Abgeordnete: In den
vergangenen Wochen wurden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit –
Verhandlungen geführt.
Zuletzt Mitte März trafen sich Vertreter des Denkmalschutzamts, des
Bezirksamts Hamburg Mitte sowie der Oberbaudirektor mit den Eigentümern von
der Schilleroper Objekt GmbH, um über die Zukunft des Gebäudes zu sprechen.
Zwei Wochen später, am 31. März reichten die Besitzer des historischen
Gebäudes umfangreiche Gutachten mit dem Ziel einer Befreiung vom
Denkmalschutz ein. Sollte dies gelingen, so könnte das gesamte Gebäude
abgerissen werden.
Sudmann findet diese Entwicklung bedenklich: „Wenn bei den Gesprächen im
März gesagt worden wäre ,Dass können Sie vergessen', wäre nicht zwei Wochen
später ein Antrag gestellt worden.“ Auch Petersen und Kirchler von der
AnwohnerInnen-Initiative befürchten das Schlimmste.
Dass alle Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden
haben, finden die Anwohnerinnen empörend. „Bürgerbeteiligung sieht anders
aus“, sagt Kirchler. Immer wieder habe die Initiative vergeblich versucht,
in Kontakt mit den städtischen Planungsinstanzen und Eigentümern zu treten.
Zu taz-Anfragen über die Schiller-Oper geben die beteiligten Behörden nur
dürre Auskünfte. Lediglich die Kulturbehörde beteuert, dass ein Abriss der
Rotunde nicht in ihrem Interesse sei: „Die Oper ist ein sehr bedeutendes
Denkmal für uns.“ Die Anfrage der Eigentümer sei noch nicht beurteilt
worden, sagt Sprecher Enno Isermann.
Aber dass der Denkmalschutz aufgehoben werde, komme bei solchen Anfragen
selten zustande. Sudmann bleibt dennoch skeptisch: „Die Besitzer dafür zu
belohnen, dass sie das Gebäude verfallen ließen, wäre jedenfalls eine
Riesensauerei.“
21 Apr 2017
## AUTOREN
Muriel Kalisch
## TAGS
Denkmalschutz
Hamburg
Architektur
Protest
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Schwerpunkt Nationalsozialismus
Synagoge
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