| # taz.de -- Öko-Ernährung aus dem Wasser: Algensuppe statt Makrele | |
| > Die Alge gilt als Hoffnung für nachhaltige Essensproduktion. Eine Firma | |
| > macht aus ihr Fischöl–Kapseln, für die kein Tier sterben muss. | |
| Bild: Es ist angerichtet: Algen in Südschweden | |
| Stockholm taz | Schwungvolle Namen haben sie schon mal: Dulaniella, | |
| Spirulina oder Chlorella zum Beispiel. Algen sind in den vergangenen Jahren | |
| vom Schrecken des Badeseebesuchers zum Superfood avanciert. Mit diesem | |
| Namen werden Lebensmittel beworben, die der Gesundheit ganz besonders | |
| zuträglich sein sollen. Vor allem Spirulina fand so den Weg in deutsche | |
| Supermärkte. | |
| In zahlreichen Projekten wird mittlerweile zum Potenzial der Algen | |
| geforscht. Und so manches Unternehmen gründet auf den grünen Organismen ein | |
| Geschäftsmodell: Die schwedische Firma Simris Alg will mit der Alge sogar | |
| die Meere vor weiterer Überfischung bewahren. Sie stellt vor allem | |
| Nahrungsergänzungsmittel mit Ölen her, die in Fischen wie Sardinen oder | |
| Makrelen vorkommen. | |
| „Warum den Umweg über den Fisch nehmen, wenn es auch direkt geht?“, fragt | |
| Algenbäuerin Frederika Gullfot. Sie rechnet vor: Um eine Dose voller | |
| Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren herzustellen, müsse man 600 Sardinen | |
| verarbeiten. „Das sind rund 100 Kilo Fisch. Und warum enthält der Fisch | |
| Omega-3? Weil er Algen frisst“, sagt Gullfot. „Das kann man also auch | |
| direkt haben, ohne die Meere deswegen leerfischen zu müssen.“ | |
| Die Idee dazu hatte die Biologin, als sie an der Abteilung für Biotechnik | |
| der Technischen Hochschule in Stockholm über Enzyme in den Zellgeweben von | |
| Pflanzen promovierte: Könnte die Züchtung von Algen eine Geschäftsidee | |
| sein? | |
| Nach dem Besuch einer Algenkonferenz in den USA gründete Gullfot 2010 die | |
| Mikroalgenzucht für Produkte im Bereich Nahrungsergänzungsmittel, | |
| Tierfutter und Kosmetika. Das Hauptprodukt: eine Alternative zu | |
| konventionellem Fischöl. Seit 2016 ist Simris Alg an der Nasdaq First North | |
| notiert, einem Stockholmer Börsenplatz „für kleinere Unternehmen mit einer | |
| großen Vision“. Derzeit hat die Firma 2.600 Aktionäre. | |
| ## Chemische Fabriken im Miniformat | |
| Die Produktion ist in Südschweden angesiedelt. „Algen brauchen viel | |
| Sonnenlicht“, erklärt Gullfot. Schonen, eine traditionelle Region für | |
| Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion im äußersten Süden des Landes, | |
| sei dafür der beste Platz. | |
| Das erste selbst produzierte Omega-3-Öl konnte das Unternehmen 2013 | |
| präsentieren. Am Anfang steht eine grüne Algensuppe, die in kilometerlangen | |
| Röhren in großen Gewächshäusern schwappt. Nach mehreren Zwischenschritten | |
| landet die Masse in großen Fotobioreaktoren, bis ihre Zelldichte erlaubt, | |
| die Algen ernten zu können. Mit Zentrifugen wird eine festere Substanz | |
| geschaffen, aus der das Öl gepresst werden kann. | |
| „Mikroalgen sind unheimlich faszinierend“, schwärmt Gullfot. „Einzellige | |
| Pflanzen, die von Photosynthese leben und eine der Bedingungen für das | |
| Leben auf der Erde sind. Chemische Fabriken im Miniformat, die in allen | |
| wässrigen Umgebungen auf unserem Planeten vorkommen.“ Ihren gesamten | |
| Stoffwechsel verwendeten sie dazu, um chemische Substanzen, Pigmente und | |
| Antioxidantien zu produzieren – und eben Omega-3. | |
| ## Rohöl aus Algen | |
| Wegen ihrer wertvollen Inhaltsstoffe und wegen ihres schnellen Wachstums | |
| gilt die Alge als Hoffnungsträgerin, eine stark wachsende Weltbevölkerung | |
| nachhaltig mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Algen werden auch als | |
| Alternative zu fossilen Brennstoffen gehandelt. | |
| Auch das probiert Simris Alg. Der Gewinn von Biotreibstoff sei zwar schon | |
| auf Versuchsebene erprobt, aber noch nicht rentabel, sagt Gullfot. Das | |
| Rohöl aus Algen sei fossilem Rohöl sehr ähnlich. Verglichen mit dem | |
| Rapsanbau könne die Algenzucht unter mitteleuropäischen Klimabedingungen | |
| theoretisch 22-mal mehr Öl pro Hektar liefern, erklärt sie. | |
| Jetzt muss nur noch der Verkauf richtig in Gang kommen. In Schweden ist die | |
| Firma in mehreren Handelsketten präsent, aber per Webshop dürfen die | |
| Omega-3-Kapseln bislang nur in Nicht-EU-Länder wie beispielsweise der | |
| Schweiz verkauft werden. Denn in der EU sind Lebensmittel aus gezüchteten | |
| Kieselalgen neu und müssen erst genehmigt werden. Das dauere, klagt die | |
| Unternehmerin. „Aber im Sommer sind wir auch in der EU auf dem Markt.“ | |
| 3 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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