# taz.de -- Korallenriff vor Brasiliens Küste: Fotos sollen Biotop retten | |
> Einem gerade erst entdeckten Unterwasserparadies droht die Zerstörung. | |
> Gleich mehrere Ölkonzerne wollen dort Erdöl fördern. | |
Bild: Noch ist es bunt auf dem Meeresgrund vor der brasilianischen Küste | |
RIO DE JANEIRO taz | Im Norden Brasiliens fließt der riesige Amazonas in | |
den Atlantik und verwandelt das Meerwasser über Hunderte Quadratkilometer | |
in eine schlammige, undurchsichtige Brühe. Dort entdeckten Meeresforscher | |
vor Kurzem ein Korallenriff, das 30 bis 120 Meter unter der | |
Wasseroberfläche liegt. Die gigantische Korallenformation ist über 1.000 | |
Kilometer lang und reicht von der Küste des Bundesstaats Maranhão bis | |
Französisch-Guayana. | |
Kaum entdeckt, droht dem bislang unberührten Unterwasserparadies aber schon | |
die Zerstörung. In der Region wird hochwertiges Erdöl unter dem Meeresboden | |
vermutet. Die Konzerne BP und Total stehen schon in den Startlöchern, um | |
mit der Förderung zu beginnen. Die Briten und Franzosen haben ebenso wie | |
das brasilianische Unternehmen Queiroz Galvão bei der Regierung Brasiliens | |
Bohrgenehmigungen im Atlantik beantragt. | |
Greenpeace und andere Umweltorganisationen mobilisieren für den Schutz der | |
Korallen und des ökologischen Gleichgewichts im Mündungsgebiet des | |
Amazonas. Ende Januar veröffentlichte Greenpeace erstmals Fotoaufnahmen vom | |
Meeresgrund, um zu zeigen, was bei dieser weltweit einzigartigen | |
Naturlandschaft auf dem Spiel steht. | |
In dem rund 9.500 Quadratkilometer großen Riff lebt eine große Zahl von | |
Fischen, Algen und Krustentieren. Bislang galt es als ausgeschlossen, dass | |
sich bei so wenig Licht unter Wasser derart viel Leben entwickeln könnte. | |
Aufgrund der besonderen Bedingungen im schlammigen Mündungsgewässer hoffen | |
Forscher, dort zahlreiche bislang unbekannte Lebewesen zu entdecken. | |
Eine wirtschaftliche Nutzung dieser ökologischen Nische würde auch den | |
Lebensunterhalt von vielen Küstenbewohnern gefährden. In dem kaum | |
zugänglichen Urwaldgebiet leben Indígenas, Flussanrainer und mehrere | |
Quilombolagemeinden – Nachfahren von einst entflohenen Sklaven. „Wir müssen | |
das Riff und die gesamte Mündungsregion des Amazonasflusses vor | |
multinationalen Konzernen schützen, die ihre Gewinninteressen über den | |
Schutz der Umwelt stellen“, sagt Thiago Almeida von Greenpeace Brasilien. | |
## Regierung ignoriert Umweltschutz | |
Schätzungen zufolge geht es um 15 bis 20 Millionen Barrel Öl, die unter den | |
Korallen liegen sollen. Brasilien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise | |
und setzt alles daran, die lahmende Produktion wieder anzukurbeln. Zudem | |
hat die neue, liberal-konservative Regierung bislang keinerlei Interesse an | |
Umweltbelangen gezeigt. | |
Vor allem ausländische Unternehmen hoffen darauf, sich im Ölgeschäft des | |
größten Landes Lateinamerikas zu etablieren. Vor Kurzem änderte die | |
Regierung unter Präsident Michel Temer die Ausschreibungsrichtlinie, die | |
zumindest bei den riesigen Meeresölfeldern in tiefen Salzschichten, im | |
sogenannten pre-sal, dem halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras stets die | |
Mehrheitsanteile garantierte. | |
Jetzt können ausländische Investoren wieder ohne den brasilianischen | |
Partner, der zudem durch einen großen Korruptionsskandal geschwächt ist, | |
das Fördergeschäft federführend übernehmen. | |
Die Ölförderung würde laut Greenpeace nicht nur das Riff, sondern auch das | |
weltweit größte Mangrovengebiet im Nationalpark Cabo Orange im Bundesstaat | |
Amapá gefährden. „Es gibt keine Technologie, mit der Ölverschmutzungen in | |
solch einer Meereslandschaft gereinigt werden können“; warnt Almeida. Schon | |
der kleinste Unfall könne katastrophale Auswirkungen auf das sensible | |
Ökosystem der Region am Äquator haben. | |
6 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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