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# taz.de -- Amazonas-Urwald in Brasilien: Samba gegen die Abholzung
> Abholzung und neue Gesetze bedrohen Natur und Indigene in Brasilien. Beim
> Karneval fordert nun eine Sambaschule die Agrarwirtschaft heraus.
Bild: Indigene bei der Einfahrt ins Sambadrom von Rio de Janeiro
Rio de Janeiro taz | Dieses Jahr bringt der Karneval in Rio
Großgrundbesitzer und die Agrarier-Fraktion auf die Palme. Unter dem Motto
„Xingu, der Schrei aus dem Urwald“ wird die Sambaschule Imperatriz
Leopoldinense bei ihrem Auftritt im berühmtem Sambadrom Abholzung und
Umweltzerstörung anprangern. Es geht um Pestizide, Brandrodung, die
Gewinninteressen des Agrobusiness und um die Folgen des umstrittenen
Riesenstauwerks Belo Monte.
Seit Wochen laufen Agrarverbände Sturm gegen die Aufführung des Kunstwerks.
Die Darstellung sei völlig überholt und zeige „Ignoranz gegenüber der
ökonomischen und sozialen Realität Brasiliens“, schrieb der
Viehzüchterverband ABCZ (Associação Brasileira dos Criadores de Zebu). Cahê
Rodrigues, künstlerischer Direktor von Imperatriz Leopoldinense, verteidigt
das politische Thema: „Wenn der Natur oder den Indigenen Gefahr droht, darf
dies auch im Sambadrom thematisiert werden.“
Gut 3.000 Kilometer nördlich vom Sambadrom befindet sich der Fluss Xingu,
der von Belo Monte aufgestaut wird und riesige Ländereien überflutet.
Flussaufwärts liegt das Indígena-Schutzgebiet Xingu, das erste und
wichtigste Reservat, in dem 14 Ethnien leben und als Heimat aller
brasilianischen Indigenen-Sprachen gilt. Nicht nur der umstrittene
Staudamm, sondern vor allem die Abholzung für Weideland und
Monokultur-Pflanzungen gefährden das ökologische Gleichgewicht, warnte die
Umweltbehörde Ibama Anfang Februar in einer von der Internetplattform UOL
in Auftrag gegebenen Studie.
Die stetige Zunahme der Entwaldung in den Bundesstaaten Pará und Mato
Grosso, auf deren Grenze der Xingu-Park liegt, hat demzufolge den
Wasserhaushalt der Region durcheinandergebracht und die
Niederschlagsfrequenz vermindert. Unmittelbare Folge sei die Zunahme von
Waldbränden, deren Zahl in den vergangenen acht Jahren um 58 Prozent
angestiegen ist. Der schlimmste dieser Brände zerstörte fast 15 Prozent des
26.000 Quadratkilometer großen Parks.
## Lockerung des Schutzes
Generell steht es nicht gut um den Amazonas-Urwald. Zwischen August 2015
und Juli 2016 wurden fast 8.000 Quadratkilometer abgeholzt, so viel wie
seit 2008 nicht mehr. Seit Mitte vergangenen Jahres eine
konservativ-liberale Regierung das Ruder in Brasilien übernahm, mehren sich
die Versuche, die halbwegs restriktive Schutzpolitik in der Amazonasregion
wieder zu lockern.
Eine Gesetzesinitiative aus Reihen der Agrarfraktion im Kongress sieht vor,
fünf große Naturschutzgebiete um rund 40 Prozent zu verkleinern. Der WWF
Brasilien befürchtet, dass dies zu neuer Entwaldung, mehr Treibhausgasen
und weiterem Verlust von biologischer Vielfalt führt. Weniger Schutz für
Natur und Indigene „laufen den weltweiten Bemühungen um Nachhaltigkeit und
CO2-Verringerung entgegen“, warnt Ricardo Mello vom WWF.
Dramatischer noch ist ein umstrittenes Dekret von Präsident Michel Temer,
mit dem Ende Januar die Richtlinien für die Einrichtung von indigenen
Schutzgebieten revidiert wurden. Während bisher fachlich ausgerichtete
Institutionen wie die nationale Indio-Stiftung Funai das Sagen hatten, wird
nun eine dem Justizminister unterstellte technische Arbeitsgruppe über die
Demarkierung indigener Territorien entscheiden. Die Änderung betrifft mehr
als 150 beantragte Schutzgebiete und kann bereits abgeschlossene Prozesse
wieder infrage stellen.
Indigena-Organisationen und Umweltgruppen laufen Sturm gegen das Dekret. Es
sei ein unverantwortliches Entgegenkommen gegenüber dem Agrobusiness, mit
dem das Recht indigener Gruppen auf Land infrage gestellt wird, kritisieren
die Aktivisten in einem Protestschreiben.
27 Feb 2017
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Landwirtschaft
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Karneval
Amazonas
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Reiseland Mexiko
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Brasilien
Schwerpunkt Klimawandel
Venezuela
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