# taz.de -- Rohstoffabbau im Amazonas-Regenwald: Nun also Gold, Eisen und Coltan | |
> Im Regenwald will Venezuelas sozialistische Regierung Mineralien abbauen. | |
> So stolpert das Land in die nächste Rohstoff-Abhängigkeit. | |
Bild: Der Orinoco. Südlich vom Fluss kann die Förderung der Mineralien zu ein… | |
Berlin taz | Für Präsident Nicolás Maduro ist es ein Rettungsanker, für | |
viele seiner Kritiker ein „ökologisches Verbrechen“: Mitten im | |
Amazonas-Regenwald will Venezuelas sozialistische Regierung auf einer | |
riesigen Fläche Gold, Diamanten, Eisen, Coltan und andere Mineralien | |
abbauen. Die „Nationale Entwicklungszone Arco Minero de Orinoco“ (deutsch: | |
Minenbogen am Orinoco-Fluss) soll auf einem Korridor entstehen, der mit | |
112.000 Quadratkilometern etwa der Größe Bulgariens entspricht und 12 | |
Prozent des gesamten Territoriums Venezuelas ausmacht. Mittlerweile | |
betreiben Geologen die ersten Untersuchungen. | |
Der Staatschef rechtfertigt den Schritt damit, dass sich das Land von der | |
Abhängigkeit von Erdöl befreien müsse. Tatsächlich steckt Venezuela in | |
einer tiefen Krise. 96 Prozent der Devisen fließen durch den Export von | |
Erdöl in die Staatskassen. Seit der Weltmarktpreis sich mehr als halbiert | |
hat, bricht jedoch alles zusammen, was die Regierung des „Sozialismus des | |
21. Jahrhunderts“ durch die Ausfuhr finanzieren konnte: Lebensmittel- und | |
Gesundheitsversorgung für die Armen, Stadtteilprojekte, Wohnungen. | |
Dennoch stößt die Entwicklungszone nicht nur bei Regimegegnern auf heftige | |
Kritik. Auch regierungsnahe Gruppen sind skeptisch. „Der Arco Minero zieht | |
sich über die letzten Süßwasserreserven des Landes“, erklärt der ehemalige | |
Senator Alexander Luzardo. Der Juraprofessor hatte einst die Umweltnormen | |
formuliert, die unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez in der Verfassung | |
festgeschrieben wurden. Nun befürchtet er, dass die Regierung ein | |
„ökologisches Desaster“ anrichtet. Die Förderung der Mineralien südlich … | |
Orinoco werde unter anderem zu einer massiven Entwaldung führen, und das | |
habe Auswirkungen auf den gesamten Amazonas-Regenwald. | |
Die Regierung ignoriere zudem internationale Standards, ergänzt die | |
Menschenrechtsorganisation Provea. So sei die indigene Bevölkerung nicht | |
konsultiert worden, bevor der Präsident die Zone im Februar 2016 per Dekret | |
auf den Weg brachte. Das aber schreibt die Internationale | |
Arbeitsorganisation vor, wenn im Lebensraum von Ureinwohnern Bodenschätze | |
abgebaut werden. | |
## Kritiker bezweifeln „öko“ | |
Regierungschef Maduro verwirft solche Vorwürfe. Man werde die Natur und | |
indigene Gemeinden respektieren. Ohnehin seien nur Minen betroffen, in | |
denen bereits Mineralien gefördert würden. | |
Allerdings sind die kleinen Mengen, die derzeit meist illegal abgebaut | |
werden, kaum mit denen zu vergleichen, auf die man in Caracas setzt. Allein | |
7.000 Tonnen Gold sollen die Minenarbeiter aus dem Urwaldboden holen. 60 | |
Prozent der Einnahmen würden in soziale Projekte investiert, verspricht | |
Maduro. Er redet von einem „ökosozialistischen Projekt“. | |
Kritiker bezweifeln nicht nur das Label „öko“ – auch mit linker Politik | |
haben die Pläne nach ihrer Ansicht nichts zu tun. 130 Investoren aus 35 | |
Ländern sind an dem Projekt interessiert. | |
„De facto tun wir genau das, was wir bekämpfen wollen“, kritisiert der in | |
der Orinoco-Region tätige Geologe Héctor Escandell. „Wir machen uns wieder | |
wirtschaftlich abhängig von Rohstoffen und transnationalen Unternehmen, die | |
das nötige Kapital, die Technologie und das Interesse haben, die Vorkommen | |
auszubeuten.“ | |
Die Regierung lockt indes in ihrem Dekret mit einem risikofreien | |
Investitionsklima: Zollvorteile, vereinfachte bürokratische Abwicklung und | |
– ungestörter Abbau. | |
„Das Dekret etabliert ausdrücklich die Aussetzung ziviler und politischer | |
Rechte auf dem gesamten Gebiet des Minenbogens“, erklärt der linke | |
Intellektuelle Edgardo Lander und verweist auf Artikel 25 des Dokuments. | |
Dort ist festgelegt, dass kein „privates Interesse“ dem Ziel des Projektes | |
im Wege stehen dürfe. | |
Das könnte, so Lander, gewerkschaftliche Rechte und indigenen Widerstand | |
genauso betreffen wie journalistische Recherchen über die Folgen des | |
Bergbaus. Wen sollte da noch wundern, dass der Arco Minero laut Dekret | |
unter militärische Kontrolle gestellt wird? | |
28 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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