# taz.de -- FDLR-Unterstützerprozess in Stuttgart: Harte Vorwürfe gegen Exilr… | |
> Ein Software-Ingenieur aus Ruanda, der im Exil lebt, steht seit Montag in | |
> Stuttgart vor Gericht, weil er die Webseite der Hutu-Miliz FDLR betreute. | |
Bild: Wusste der Angeklagte B. (r) – hier mit seinem Anwalt Günter Urbanczyk… | |
STUTTGART taz | Wenn man den Internet-Auftritt einer [1][später zur | |
terroristischen Vereinigung erklärten Organisation] pflegt, ist das dann | |
einfach unschuldiger technischer Support oder schon verbotene politische | |
Unterstützung? Um diese Frage dreht sich der Prozess gegen den in | |
Deutschland lebenden Ruander Eric B., der am Montag vor dem | |
Oberlandesgericht Stuttgart begann. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft B. vor, in den Jahren 2008 und 2009 dafür | |
gesorgt zu haben, dass die Homepage der FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
Befreiung Ruandas) am Laufen blieb. Die FDLR, die im Kongo kämpfende | |
Nachfolgeorganisation der für den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 | |
verantwortlichen Hutu-Armee, war damals für zahlreiche Verbrechen an der | |
Zivilbevölkerung im Osten der Demokratischen Republik Kongo verantwortlich. | |
Ihre beiden in Deutschland lebenden [2][politischen Führer Ignace | |
Murwanashyaka] und Straton Musoni wurden im November 2009 verhaftet und im | |
September 2015 vom Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt. | |
B., der [3][im Prozess gegen Murwanashyaka] und Musoni bereits als Zeuge | |
gehört wurde, ist Software-Ingenieur, lebt in Baden-Württemberg – und ist | |
seit Mitte der 1990er Jahre im ruandischen Hutu-Exil politisch aktiv. Die | |
Anklage in Stuttgart wirft ihm in 30 Einzelpunkten „Unterstützung einer | |
terroristischen Vereinigung im Ausland“ vor. | |
Gemessen an der Schwere des Vorwurfs wirken die Einzelpunkte eher mäßig. 18 | |
davon betreffen Geldüberweisungen an die Internet-Dienste Betamax, Lycos | |
und OVH in einer Gesamthöhe von 487,22 Euro im Zeitraum Januar 2008 bis | |
Januar 2009. Die anderen behandeln einzelne Fälle, in denen B. dem | |
FDLR-Präsidenten Murwanashyaka half, die Webseite zu betreuen, Fehler zu | |
beheben und auch den Umzug auf einen anderen Host zu organisieren, nachdem | |
die Webseite im August 2009 von OVH abgeschaltet worden war. Das alles | |
seien Verstöße gegen die seit 2005 bestehenden EU-Sanktionen, die es | |
verbieten, dem FDLR-Chef „direkt oder indirekt Gelder oder wirtschaftliche | |
Güter zur Verfügung zu stellen“, so die Anklage. | |
## B. ist als politischer Flüchtling anerkannt | |
Besonders terrorverdächtig kann B. nicht sein, denn er sitzt nicht in | |
Untersuchungshaft. Für die Verhandlungstage bekommt er jeweils von seinem | |
Arbeitgeber Urlaub. Er tritt ruhig und verbindlich auf, beantwortet | |
bereitwillig Fragen zu seiner Person und seiner Biographie: 1990 kam er als | |
Stipendiat der Carl-Duisburg-Gesellschaft zum Studium nach Deutschland, wie | |
viele Ruander damals, und lebt seitdem hier. Ruanda hat er zuletzt 1992 | |
oder 1993 besucht. Seit 2002 ist er als politischer Flüchtling anerkannt, | |
Angehörige in der alten Heimat hat er kaum noch, dafür lebt er ein ganz | |
normales deutsches Angestelltenleben: Eigenheim, Hauskredit, fester Job, | |
Kinder. | |
Im Gerichtssaal, der anders als der beim Prozess gegen die FDLR-Führung | |
ganz ohne Sicherheitsschleuse und Justizpolizei auskommt, gestaltet der | |
Vorsitzende Richter Hartmut Schnelle die Vernehmung zur Person eher als | |
lockeres Gespräch, außer dass er natürlich schon die Vernehemungsprotokolle | |
vor sich hat. | |
Zur Sache lässt sich B. nicht befragen, sondern er hat eine schriftliche | |
Erklärung verfasst, die sein Anwalt vorliest. „Die Anklageschrift | |
behauptet, ich hätte die Ziele und die Tätigkeiten der FDLR gekannt“, sagt | |
er. Nur auf Grundlage dieser Behauptung könne man ihm überhaupt einen | |
Vorwurf machen. „Alle Verbrechen, die man mir vorwirft, waren zur Förderung | |
der Meinungsfreiheit gedacht.“ Und er stellt klar: „Ich möchte nicht | |
behaupten, die FDLR sei keine terroristische Vereinigung. | |
Einige Gerichte haben dies so festgestellt. Diese Informationen waren mir | |
unbekannt.“ Detailliert erläutert B. in seiner Erklärung, wie er die von | |
ihm selbst entwickelte Software „Rafiki“ zur Verfügung stellte, um die | |
FDLR-Internetpräsenz zu entwickeln. „Murwanashyaka war Kunde, ich habe ihn | |
als solchen behandelt“, gibt er zu Protokoll. Die Dateien habe er „nicht | |
angefasst“. Geld, das er an Internet-Dienste zahlte, habe er entweder im | |
Auftrag weitergeleitet oder nachträglich von Murwanashyaka zurückgefordert. | |
B. stellt seinen Kontakt zum FDLR-Präsidenten als reine Geschäftsbeziehung | |
dar. | |
## B. schloss sich der ruandischen Hutu-Exilpartei an | |
Nur Software-Entwickler ist er natürlich nicht, das gibt B. zu. Er | |
erläutert, wie er sich Mitte der 1990er Jahre der ruandischen | |
Hutu-Exilpartei RDR (Sammlung für Demokratie und friedliche Rückkehr nach | |
Ruanda) anschloss, politischer Arm der nach dem Völkermord in den Kongo | |
(damals geflohenen) ruandischen Hutu-Armee. Die RDR wurde später zur | |
politischen Partei, von der sich im Jahr 2000 die dem bewaffneten Kampf | |
verpflichtete FDLR abspaltete, zu der Murwanashyaka und auch Musoni | |
stießen. | |
2005 bat die damalige Präsidentin der RDR – B. nennt ihren Namen nicht, | |
aber es war Victoire Ingabire, die heute in Ruanda inhaftiert ist und von | |
der Hutu-Diaspora als politische Gefangene bezeichnet wird – ihn, der FDLR | |
beim Aufbau ihrer Internet-Präsenz zu helfen. Daraufhin entwickelte B. | |
zusammen mit anderen die Software „Rafiki“ und betreute den | |
Internet-Auftritt danach. | |
Es ging um viele verschiedene Dinge: technische Abstürze, neue Quellcodes, | |
das Aufspielen von Murwanashyakas Osterbotschaft vom April 2009 an die | |
kämpfenden Truppen im Kongo als Audiodatei auf der Webseite, und auch | |
Ärgernisse: das algorithmisch gesteuerte automatische Aufpoppen von Werbung | |
für Reisen zu Ruandas Berggorillas ausgerechnet auf der Webseite der FDLR, | |
die Ruanda bekämpfte. | |
Immer wieder saßen B. und Murwanashyaka abends in dessen Wohnung in | |
Mannheim zusammen oder telefonierten lange – auch direkt in Zeiten | |
erbitterter Kämpfe im Kongo 2009. Interessant: Vizepräsident Musoni, von | |
dem im Prozess gegen die FDLR-Führung häufig im Zusammenhang mit | |
technischen und finanziellen Fragen die Rede gewesen war, wird jetzt kein | |
einziges Mal in diesem Zusammenhang erwähnt. | |
## Ist B. wirklich so unschuldig und unpolitisch, wie er sagt? | |
Von den Verbrechen der FDLR habe er damals nichts gewusst, behauptet B. | |
Nachdem seine Schwiegermutter ihm einen deutschen Zeitungsartikel darüber | |
zeigte, habe er Murwanashyaka zur Rede gestellt, aber der habe ihm | |
versichert, es sei eine „Manipulationskampagne“. B. zeigt sich unschuldig | |
und unpolitisch: „Meine Methode des Informations-Filtrierens hat mich | |
völlig blind gemacht für die Ereignisse im Ostkongo. Alles, was ich erfuhr, | |
war von Murwanashyaka.“ Dem habe er vertraut, auch weil der FDLR-Präsident | |
so religiös daherkam: „Ich war davon überzeugt, dass er weiß, wovon er | |
redet, und dass er mich nicht anlügt.“ | |
Ist B. wirklich so unschuldig und unpolitisch, wie er sagt? Als er im Jahr | |
2011 im [4][Prozess gegen Murwanashyaka] in Stuttgart sowie im | |
Völkermordprozess gegen den ruandischen Exbürgermeister Onesphore | |
Rwabukombe [5][in Frankfurt als Zeuge vernommen wurde], standen seine | |
politischen Aktivitäten deutlicher im Vordergrund. Er sagte damals aus, | |
dass er Murwanashyakas Nachfolger als Präsident der RDR-Deutschlandsektion | |
war. Jahrelang führte er die Exilpartei in Deutschland. Er organisierte | |
auch über Murwanashyakas Kontakte einen Anwalt für den festgenommenen | |
Rwabukombe und sammelte Geld dafür, wie er damals bestätigte. All das | |
erwähnt er jetzt in Stuttgart nicht. Er sagt lediglich, er sei von 2006 bis | |
2012 in der Exilparteienallianz FDU (Vereinigte Demokratie Kräfte) aktiv | |
gewesen, in der die RDR einer von mehreren Bestandteilen war. | |
Wie relevant diese Vorgeschichte für diesen Prozess ist, wird der 3. | |
Strafsenat am OLG Stuttgart in den kommenden drei Monaten klären müssen. Im | |
Mittelpunkt wird für Richter Schnelle die Frage stehen, ob B. von den | |
Verbrechen der FDLR wusste. Der Prozess wird in zwei Wochen mit einem | |
Sachverständigengutachten fortgesetzt. | |
Dass die FDLR als terroristische Vereinigung zu werten sei, hatte das OLG | |
Stuttgart im September 2015 festgestellt, davor das OLG Düsseldorf im | |
Dezember 2014. In Düsseldorf war es um ähnliche Vorwürfe gegangen wie jetzt | |
gegen B. Damals waren zwei Exilruander wegen „mitgliedschaftlicher | |
Betätigung“ in der FDLR zu Haftstrafen verurteilt worden und einer wegen | |
Unterstützung der FDLR zu einer Bewährungsstrafe. | |
21 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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