# taz.de -- Revision FDLR-Kriegsverbrecherprozess: „Dieser kleine schwarze Ma… | |
> Der Bundesgerichtshof überprüft die Verurteilung der in Deutschland | |
> lebenden Führer der FDLR-Miliz. Beide Parteien sind unzufrieden. | |
Bild: Die nächste Instanz: Sitz des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe | |
KARLSRUHE taz | Über drei Jahre, nachdem Deutschlands erster | |
Kriegsverbrecherprozess unter dem Völkerstrafgesetzbuch mit Schuldsprüchen | |
geendet hatte, hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 31. Oktober | |
darüber verhandelt, ob diese Urteile überhaupt rechtskräftig werden. | |
Sowohl Anklage als auch Verteidigung wollen die Aufhebung des Urteils, bei | |
dem [1][das Oberlandesgericht Stuttgart am 28. September 2015] den | |
Präsidenten und den Ersten Vizepräsidenten der in der Demokratischen | |
Republik Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte | |
zur Befreiung Ruandas), Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, wegen | |
Rädelsführerschaft einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu jeweils | |
13 und 8 Jahren Haft verurteilt hatte, Murwanashyaka zusätzlich wegen | |
Beihilfe zu Kriegsverbrechen. | |
Das Urteil – das erste unter dem Gesetz, mit dem Deutschland das Statut des | |
Internationalen Strafgerichtshof ins eigene Recht übernommen hat – sei | |
„widersprüchlich“ und „lückenhaft“, konstatierten beide Parteien bei … | |
Revisionsverhandlung fast gleichlautend, aber aus völlig unterschiedlichen | |
Gründen. | |
Die Bundesanwaltschaft will schärfere Verurteilungen. Für sie ist | |
FDLR-Präsident Murwanashyaka in Bezug auf die Verbrechen der Miliz, die | |
2009 im Ostkongo in Reaktion auf kongolesische Armeeangrife ein Dorf nach | |
dem anderen anzündete und Zivilisten massakrierte, als Täter zu | |
verurteilen, nicht nur als Gehilfe: „Der Angeklagte war nicht nur ein | |
kleines Rädchen im System, sondern stand an der Spitze der politischen | |
Verantwortungskaskade“. | |
Murwanashyaka müsse also unter der Vorgesetztenverantwortung verurteilt | |
werden. Außerdem handele es sich bei den Verbrechen der FDLR um Verbrechen | |
gegen die Menschlichkeit und nicht bloß um Kriegsverbrechen – das würde | |
eine lebenslange Haftstrafe bedeuten. | |
## Verfahrensmängel, sagen die Verteidiger | |
Für die Verteidiger Murwanashyakas und Musonis hingegen sind die | |
Verurteilungen komplett falsch und insbesondere nicht aus der rechtlichen | |
Würdigung des Stuttgarter Gerichts abzuleiten. Weder sei die FDLR eine | |
terroristische Vereinigung, noch habe das Gericht eine „unmittelbare | |
Auswirkung“ der Tätigkeit ihrer politischen Führer in Deutschland auf | |
Handlungen des militärischen Flügels im Kongo festgestellt. | |
Insbesondere Musoni habe sich immer gegen Angriffe auf Zivilisten gewandt, | |
betonte dessen Anwältin Andrea Groß-Bölting und verwies auf „diesen kleinen | |
schwarzen Mann hinter mir“, der nichts mit – im Übrigen aus ihrer Sicht | |
nicht erwiesenen – Taten einzelner Milizionäre im Kongo zu tun habe. | |
Die Verteidiger monierten überdies Verfahrensmängel und erinnerten daran, | |
dass der Vorsitzende Richter in Stuttgart seine mündliche Urteilsbegründung | |
mit dem Satz „So geht es nicht“ in Bezug auf die vierjährige und sehr | |
komplizierte Hauptverhandlung eingeleitet hatte. | |
## Ex-Vizepräsident Musoni darf selbst sprechen | |
Straton Musoni selbst erinnerte in einem persönlich gehaltenen Schlusswort | |
daran, wie er am Tag seiner Verurteilung in Stuttgart auf freien Fuß kam, | |
weil er da schon fast sechs Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatte – und | |
dann von einem Tag auf den anderen seine Zelle nicht mehr betreten durfte, | |
die sein Zuhause gewesen war. | |
Musoni lebt jetzt als freier Mann in Deutschland, nachdem eine Ausweisung | |
nach Ruanda vergangenes Jahr per Eilantrag gestoppt wurde; das Verfahren | |
ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Murwanashyaka sitzt weiter in Haft | |
in Stuttgart-Stammheim, seit nunmehr fast neun Jahren. Er ist nach wie vor | |
formell FDLR-Präsident, wenngleich sein Amt faktisch von einem | |
Interimspräsidenten im Kongo ausgeübt wird. Musoni hingegen hatte während | |
dem Stuttgarter Prozess [2][seinen Austritt aus der Organisation erklärt]. | |
## Urteil am 20. Dezember | |
Am 20. Dezember will der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sein Urteil | |
verkünden. Dann wird das Stuttgarter Urteil von 2015 entweder bestätigt, | |
oder es wird aufgehoben und der Fall nach Stuttgart zur Neuverhandlung | |
zurückverwiesen. | |
In einem ähnlich gelagerten Prozess, der in Frankfurt gegen den ehemaligen | |
ruandischen Bürgermeister Onesphore Rwabukombe wegen Völkermordes in Ruanda | |
stattfand, hatte dieser Senat 2015 die erstintanzliche Verurteilung wegen | |
Beihilfe [3][aufgehoben]; eine Neuverhandlung erbrachte ein [4][härteres | |
Urteil] zu lebenslanger Haft wegen Mittäterschaft. | |
21 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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