# taz.de -- Kommentar Umgang mit dem Fall Yücel: Warum kuscht Merkel? | |
> Mit ihrer Flüchtlingspolitik setzt sie auf Despoten in Europa und Afrika. | |
> Damit macht sich die Bundeskanzlerin von diesen Regimen abhängig. | |
Bild: Potenzielle Witzfigur, künftiger Diktator: Kanzlerin Merkel zu Besuch be… | |
„Bitter enttäuscht“, sagt Kanzlerin Merkel, sei sie von dem türkischen | |
Despoten Recep Tayyip Erdoğan, der entgegen allen deutschen Erwartungen den | |
Welt-Korrespondenten Deniz Yücel in den Knast hat sperren lassen. | |
Anschließend setzte sich Merkel ins Flugzeug, um einem anderen Despoten, | |
Abdel Fattah al-Sisi in Kairo, ihre Aufwartung zu machen. Für April, kurz | |
vor dem Referendum, mit dem Erdoğan sich zum Diktator auf Zeit legitimieren | |
lassen will, wird sie zur Wahlkampfhilfe erneut in Ankara erwartet. | |
Indem sie [1][in ihrer Flüchtlingspolitik] auf die Despoten in Europa und | |
Afrika setzt, macht Angela Merkel sich mehr und mehr zur Abhängigen dieser | |
Regime. Noch Anfang Februar, bei ihrem letzten Besuch in Ankara, hatte sie | |
Erdoğan ausdrücklich auf die überragende Bedeutung der Pressefreiheit und | |
einen fairen Umgang mit den deutschen Korrespondenten am Bosporus | |
hingewiesen. Die Antwort Erdoğans war es, Deniz Yücel ins Gefängnis werfen | |
zu lassen. | |
Daraufhin ist Merkel „bitter enttäuscht“, aber sonst kommt nichts. | |
Außenminister Gabriel lässt den türkischen Botschafter zum Gespräch ins | |
Auswärtige Amt bitten, betont aber gleich, dies sei keine förmliche | |
Einbestellung. Angesichts dieser Reaktionen kann man sich leicht | |
vorstellen, wie sehr Erdoğan davon beeindruckt ist. Bleibt es dabei, macht | |
Merkel sich zur Witzfigur für die Despoten weltweit. | |
Das kann und darf die Bundesregierung nicht hinnehmen. Die Verhaftung | |
Yücels ist ein Tabubruch in den internationalen Beziehungen, der als | |
Reaktion weit mehr als Enttäuschung erfordert. Dabei ist Merkel objektiv in | |
einer weit stärkeren Position, als sie vorgibt, sie muss sie nur | |
wahrnehmen. Die türkische Wirtschaft ist in einer höchst kritischen | |
Situation und braucht dringend Unterstützung. Erdoğan ist „bitter“ auf | |
Investitionen aus der EU angewiesen. | |
Völlig zu Recht hat die Türkeiberichterstatterin der konservativen | |
EVP-Fraktion im EU-Parlament, Renate Sommer, darauf hingewiesen, dass | |
gerade über eine Ausweitung der Zollunion verhandelt wird, auf die die | |
türkische Wirtschaft alle ihre Hoffnungen setzt. Warum kuscht Merkel da vor | |
Erdoğan? Angesichts der finanziellen Situation des Landes ist die Drohung | |
mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts wenig glaubwürdig. Erdoğan kann | |
sich gar nicht erlauben, auf die Hilfsmilliarden aus Brüssel zu verzichten. | |
Wenn deutsche Auslandskorrespondenten nicht mehr frei arbeiten können, | |
betrifft das auch die Pressefreiheit in Deutschland insgesamt. Die | |
Bundesregierung muss deshalb ultimativ auf der Freilassung von Deniz Yücel | |
bestehen und mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen. Das ist die einzige | |
Sprache, die Leute wie Erdoğan, Putin und al-Sisi verstehen. | |
1 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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