# taz.de -- Deniz Yücel in Untersuchunghaft: Haftantrag stattgegeben | |
> Die Anklagepunkte lauten: Terrorpropaganda und Volksverhetzung. „Die | |
> Welt“-Korrespondent Yücel wird nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in Istanbul | |
> verhaftet. | |
Bild: Yücel im Juli 2016 bei „Maybrit Illner“ | |
Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ und | |
ehemaliger taz-Kollege, wurde am Montag in Istanbul verhaftet. Die | |
Anklagepunkte lauten: Terrorpropaganda und Volksverhetzung. Der Richter hat | |
dem Haftantrag des Staatsanwalts stattgegeben. | |
Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam wurde Yücel am Montagmorgen um 10 Uhr | |
Ortszeit von den Beamten im Polizeihauptevier Istanbul-Fatih mitgeteilt, | |
dass er am Nachmittag im zehn Kilometer entfernten Justizpalast Şişli vom | |
Staatsanwalt vernommen werde. | |
In blauer Lederjacke erschien Yücel umringt von Sicherheitsbeamten gegen | |
13.30 Uhr im Flur des Gerichtsgebäudes, berichtet taz-Kollegin Doris Akrap, | |
die vor Ort ist: „Er sah gut aus, sein Bart ist nur sehr lang und wir | |
durften ihn kurz umarmen.“ | |
Neben Yücels drei Anwälten durfte auch der Anwalt des deutschen | |
Generalkonsul, Refik Türkoğlu, der Vernehmung des Staatsanwalts beiwohnen. | |
Der deutsche Generalkonsul, mehrere Abgeordnete der Partei CHP, sowie | |
zahlreiche deutsche wie türkische Journalist*innen warteten draußen im | |
Gang. Türkoğlu berichtete, dass Yücel vor allem Fragen zu Artikeln gestellt | |
wurden, die er im Zeitraum 2015-2016 publiziert hatte. | |
## Artikel über Cizre & Kontakt zu RedHack | |
Es ging unter anderem um das Interview, das er mit PKK-Führungsfigur Cemil | |
Bayık geführt hatte, und Berichte über Gefechte in der kurdischen Stadt | |
Cizre. Im Protokoll heißt es, das Bayık-Interview „glorifiziere die | |
PKK-Terrororganisation“; die in der Cizre-Nachricht enthaltene Zahl der | |
getöteten Zivilisten sei „nicht wahrheitsgemäß“; und ein Bericht über d… | |
Putschversuch im vergangenen Sommer, in dem Yücel schrieb, es sei nicht | |
klar, ob die Gülen-Begewegung hinter dem Putsch stecke, wird im Protokoll | |
als „Terrorpropaganda“ eingestuft. | |
Die Übersetzungen der Artikel aus dem Deutschen ins Türkische waren | |
teilweise so fehlerhaft, dass Yücels Anwälte die Übersetzungen seiner | |
Artikel als Grundlage für eine Anklage bemängelten. Zudem wurde Yücel | |
gefragt ob er mit Mitgliedern des Hackerkollektivs RedHack in Verbindung | |
stehe. | |
Um 19 Uhr wurde bekanntgegeben, dass der Staatsanwalt Haftantrag gestellt | |
hat, wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung. Im Anschluss erschien | |
Yücel in Begleitung seiner Anwälte vor dem Haftrichter, um den Antrag zu | |
verhandeln. Yücel wurde zu mehreren Artikeln befragt, deren Kontexte er im | |
Detail erklärte. | |
Unter den angeführten Artikeln befand sich auch ein [1][“Welt“-Artikel vom | |
26.10.2016], und explizit angesprochen wurde der darin nacherzählte Witz, | |
der laut einigen Kurden die Haltung der Türkei zur kurdischen Minderheit | |
illustrieren soll: | |
„Ein Türke und ein Kurde werden zum Tode verurteilt. ‚Was ist dein letzter | |
Wunsch?‘, wird der Kurde vor Vollstreckung gefragt. Er überlegt kurz und | |
sagt dann: ‚Ich liebe meine Mutter sehr. Bevor ich aus dieser Welt scheide, | |
möchte ich noch einmal meine Mutter sehen.‘ Dann darf der Türke seinen | |
letzten Wunsch äußern. Ohne zu zögern antwortet er: ‚Der Kurde soll seine | |
Mutter nicht sehen.‘“ | |
Der CHP-Abgeordnete Mahmut Tanal bezeichnete die Verhandlung als „reine | |
Farce“. | |
Um 22.40 Uhr Ortszeit wurde bekannt gegeben, dass dem Haftantrag | |
stattgegeben wurde. Deniz Yücel kommt somit in Untersuchungshaft. | |
Vor knapp zwei Wochen hatte sich Yücel freiwillig bei der türkischen | |
Polizei gemeldet. Seitdem befindet er sich in Polizeihaft. Nach den | |
neuesten Regelungen dürfen Verdächtige 14 Tage lang in den | |
Polizeigewahrsam, bevor sie vernommen werden. Die Frist für Deniz Yücel | |
wäre am Dienstag, den 28. Februar, abgelaufen. Was genau ihm vorgeworfen | |
wurde, war bisher ungewiss, weil die Ermittlungsakte einem | |
Geheimhaltungsbefehl unterlag. | |
## Keine Mitgliedschaft, sondern Propaganda | |
Die Ermittlungen gegen Yücel und sechs weitere Journalisten basierten laut | |
der regierungsnahen Tageszeitung „Sabah“ auf der Berichterstattung zu | |
geleakten Mails von Berat Albayrak, Energieminister und Schwiegersohn Recep | |
Tayyip Erdoğans. Die linksextreme türkische Hackergruppe RedHack zeichnet | |
sich verantwortlich für den Leak. | |
Yücel wird nicht, wie zuvor gemutmaßt, der Mitgliedschaft in einer | |
terroristischen Vereinigung beschuldigt, sondern Propaganda terroristischer | |
Vereinigungen sowie Volksverhetzung. Sollte es zu einer Verurteilung | |
kommen, würden dem Journalisten ein bis drei Jahre Haft drohen. | |
In mehreren deutschen Städten sowie in Wien und Zürich sind für | |
Dienstagnachmittag solidarische Autokorsi unter dem Motto „#FreeDeniz“ | |
angekündigt. | |
27 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.welt.de/politik/ausland/article159056515/Die-Tuerkei-hat-in-Mos… | |
## AUTOREN | |
Ebru Tasdemir | |
Fatma Aydemir | |
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