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# taz.de -- Kommentar Inhaftierung von Deniz Yücel: Erdoğans Fanal
> Der türkische Präsident protzt: Der Starke bin ich. Die Verhaftung des
> Journalisten Yücel soll ein ganz großes Zeichen der Abschreckung sein.
Bild: Benutzt für Erdoğans Machtdemonstration: Journalist Deniz Yücel – hi…
Kurzzeitig hat das Regime die europäische Öffentlichkeit in seine bizarre
Logik gelockt. Dass nach zweimal sieben Tagen der Polizeigewahrsam für
Deniz Yücel, den Korrespondenten der Welt, enden müsse. Am
Dienstagnachmittag um drei oder um vier. Ein Staatsanwalt müsste einen
Haftbefehl beantragen oder nicht. Worauf ein Haftrichter die
Untersuchungshaft verhängen könnte oder nicht. Kafka in Istanbul.
Vergessen wir das. Justiz? Ein Rechtsstaatstheater der Reaktionäre.
Polizeipräsidium, Staatsanwaltschaft, Haftrichter? Erdoğan. Seine Gehilfen
verwandeln die Tatbestände Reportage und Kommentar in die Straftatbestände
Terrorpropaganda und Aufwiegelung der Bevölkerung.
Zur Farce gehört, dass sich die Europäische Union mit der Türkei immer noch
in einem Beitrittsverfahren befindet, welches einen Katalog von
Beitrittskapiteln umfasst, um festzustellen, ob man zueinander passt. Wobei
das Kapitel Nummer 23 Justiz und Grundrechte natürlich nicht geöffnet
werden kann. Kafka in Brüssel.
Aber aus! Es wird nichts mehr mit den Grundrechten im Sultanat des Recep
Tayyip Erdoğan. Er gefällt sich grob und laut. Er protzt: Der Starke bin
ich.
Die EU muss das sehen. Die Bundesregierung muss das sehen. Sie hätten es
längst einsehen müssen. In der Türkei wird die freie Presse schon lange
zensiert, blockiert und drangsaliert. In der Türkei befinden sich mehr als
150 Journalistinnen und Journalisten in Haft, das kriegt China nicht hin
und nicht mal der Iran. In der Türkei braucht, wer eine regierungskritische
Meinung formuliert, sehr viel Mut. Viele bringen ihn dennoch auf. Sie
lehren uns, was journalistisches Ethos ist.
## Deniz Yücel bleibt im Kopf
Die Repression war da. Dennoch hat die [1][Inhaftierung des deutschen
Korrespondenten Deniz Yücel] eine neue Qualität. Sie ist nach dem Vorgehen
gegen die türkischen Medien Erdoğans Fanal gegen die internationale Presse,
die das Bild des Machthabers in der Welt prägt. Dieses Bild bestimmt den
Spielraum mit, den Erdoğan bei vielen politischen Geschäften mit dem
Ausland hat, Merkels Dickfelligkeit hin oder her.
Auf die Medien außerhalb der Türkei hat die Regierung in Ankara keinen
Zugriff. Daher verfolgten Erdoğans Büttel das Ziel, missliebige
Vertreterinnen und Vertreter ausländischer Medien zu vertreiben: Zwei
türkische Mitarbeiterinnen der BBC und der New York Times beispielsweise
hat der Präsident selbst lautstark attackiert; sie verließen ihr eigenes
Land. Ein Reporter des Wall Street Journal wurde zweieinhalb Tage
inhaftiert; er flog nach Hause.
Aber Deniz Yücel, den Welt-Korrespondenten aus Deutschland, benutzt Erdoğan
jetzt als ganz großes Zeichen der Abschreckung. Den behält er erst einmal.
Die Wirkung kann verheerend sein. Es wird kaum einen Korrespondenten und
kaum eine Korrespondentin bei klarem Verstand geben, der oder die Deniz
Yücels Inhaftierung nicht im Kopf hat beim Schreiben. Die Logik ist so
simpel wie wirksam: Wenn einer festgehalten wird, denken alle ans
Gefängnis.
Aber immerhin das: Deniz Yücel im Kopf zu haben, heißt auch, seinen Mut im
Kopf zu haben. Und die Solidarität, die seine Verhaftung gerade
hervorbringt. Wenn ein Journalist angegriffen wird, schweben alle in
Gefahr. Wenn sie einen einsperren, müssen alle dagegen aufstehen.
28 Feb 2017
## LINKS
[1] https://gazete.taz.de/article/?article=!5388620&category=!t5372561
## AUTOREN
Georg Löwisch
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