# taz.de -- Verkehr geht vor: Tempolimit light | |
> Neue Vorschrift fordert Tempo 30 vor Kitas, Schulen, Krankenhäusern, | |
> Seniorenheimen. Ausnahme: vielbefahrene Hauptverkehrsstraßen | |
Bild: Hamburg brennt für Tempo 30 aus Kinderschutzgründen. Aber nur in Seiten… | |
Hamburg goes Tempo 30 – allerdings nur zögerlich und punktuell: Was der | |
Bundesrat am 10. März zwecks Verkehrsberuhigung von Straßen vor Kitas, | |
Schulen, Krankenhäusern und Seniorenheimen genehmigte, ist auch für Hamburg | |
kein großer Wurf. Die Innenbehörde denkt nämlich keineswegs daran, 150 | |
Meter vor und 150 Meter hinter der jeweiligen Einrichtung stets Tempo 30 | |
vorzuschreiben. | |
So hatte es zwar im ersten Entwurf der neuen Straßenverkehrsordnung | |
gestanden, doch der Bundesrat genehmigte nur eine verwässerte Version. Die | |
erlaubt Ausnahmen, und das kommt Hamburgs Innenbehörde sehr gelegen. | |
Ausgerechnet auf mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen solle, sagt | |
Behördensprecher Frank Reschreiter, „im Einzelfall geprüft werden, ob dort | |
überhaupt ein Unfallschwerpunkt vorliegt und Tempo 30 wirklich nötig ist“. | |
Mit „Unfallschwerpunkt“ ist gemeint, dass es dort bereits etliche | |
Verkehrsverletzte oder -tote gegeben hat. | |
Ein präventiver Ansatz ist das nicht, doch Reschreiter plädiert – wie auch | |
Hamburgs ADAC – für Interessenabwägung. Da seien der Verkehrsfluss und die | |
Busbeschleunigung zu bedenken, sagt er. Die hätten dann, so der Subtext, | |
Vorrang vor der Unversehrtheit von Kindern, Alten, Kranken. Zudem ist | |
keineswegs sicher, dass die Leiter der betroffenen Einrichtungen, die die | |
Situation vor Ort am besten kennen, über die jeweiligen Tempo-30-Zonen | |
mitentscheiden dürfen. | |
Interessant wird auch die Frage, ob etwa auf der Elbchaussee, wo eine Kita | |
und eine Seniorenresidenz in Sichtweite liegen, für mehrere Teilstrecken | |
oder für ein zusammenhängendes Stück Tempo-30 verhängt wird. | |
Das ist deshalb brisant, weil etwa Dennis Thering, verkehrspolitischer | |
Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, fürchtet, dass der Senat die | |
Richtlinie zur Durchsetzung einer stadtweiten Tempo-30-Zone nutzen könnte. | |
Ein „Freibrief für grüne Hirngespinste“, schimpft Thering, sei die | |
Neuregelung nicht. Dabei bewegt sich der rot-grüne Senat – wohl aus Furcht | |
vor diesem Gängelungsvorwurf – mit seinem Lavieren eher in die andere | |
Richtung. | |
„Trotz des Versuchs, mit einer Ausnahmeregelung für mehrspurige Straßen | |
einen Sonderweg einzuschlagen, ist die Regelung ein Fortschritt“, sagt | |
indes Dirk Lau, Sprecher des Fahrradclubs ADFC. „Bisher musste es der Senat | |
begründen, wenn er eine Tempo 30-Zone einrichten wollte“, sagt er. „Künft… | |
muss er erklären, wenn er es nicht will, warum es eine Ausnahme mit Tempo | |
50 geben soll.“ | |
Bleibt die Frage der Akzeptanz der dieses Jahr umzusetzenden Neuregelung. | |
Eine Studie des ADAC ergab 2016, dass 30 Prozent der Autofahrer selbst die | |
bereits bestehenden Tempo-30-Zonen vor Schulen nicht beachten und bis zu | |
100 Kilometer schnell fahren. Doch von serienmäßig installierten Blitzern | |
will niemand etwas wissen: zu teuer, zu aufwändig, sagen Innenbehörde und | |
ADAC. Der ADFC setzt, neben punktuellen Polizeikontrollen, derweil auf | |
Aufklärung und die Einsicht der Autofahrer. | |
14 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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