# taz.de -- Lachszucht in Norwegen: Massensterben im Netzgehege | |
> Norwegens Lachszucht ist die Nutztierhaltung mit der höchsten | |
> Sterblichkeitsrate. Jeder fünfte Fisch verendet vor Schlachtreife. | |
Bild: Norwegischer Zuchtlachs, der es immerhin bis zum Verkauf geschafft hat | |
Stockholm taz | Mit wunderschönen Bildern idyllischer Fjorde, | |
kristallklarem Wasser und sauberer Natur wird er den VerbraucherInnen | |
schmackhaft gemacht: norwegischer Zuchtlachs. Die Schattenseiten | |
verschweigt solches Marketing. Ein Blick in das Innere der Lachsgehege, in | |
denen die Tiere auf engstem Raum leben, wäre auch alles andere als | |
verkaufsfördernd. | |
Ein „hohes Risiko“ für Tierquälerei und mangelnden Tierschutz konstatierte | |
das norwegische Meeresforschungsinstitut schon vor drei Jahren. Das | |
untermauern [1][aktuelle Zahlen] des Veterinäramts: Die | |
Zuchtlachsproduktion ist 2016 um neun Prozent gesunken, die | |
Sterblichkeitsrate in den Netzgehegen dagegen kräftig gestiegen. 53 | |
Millionen Tiere – 19 Prozent – erreichten die Schlachtreife nicht. Das | |
waren sieben Millionen mehr als 2015. | |
Die Behörde erwartet, dass sich diese Entwicklung sogar weiter verstärken | |
wird. Zum Vergleich, dass es auch anders geht, verweist sie auf die | |
Lachszucht der Färöer-Inseln: mit einer entsprechenden Rate von unter zehn | |
Prozent. Norwegen ist Deutschlands größter Lachslieferant. | |
Ein Hauptgrund dieser Sterblichkeitsrate, wie sie ansonsten keine andere | |
Nutztierhaltung aufweist: die Lachslaus. Ein acht bis zwölf Millimeter | |
langer Parasit, der von Haut und Blut der Lachse lebt und diese bei | |
lebendigen Leib auffrisst. „Schwere Tierquälerei“ beklagte die | |
Umweltschutzorganisationen Bellona, als die Lebensmittelüberwachungsbehörde | |
Mattilsynet kürzlich Fotos aus einer befallenen Anlage veröffentlichte. | |
Dort hatte sie einen Lachslausbefall von bis zu 110 pro Lachs gezählt. Die | |
Tierschutzvorschriften erlauben im Schnitt nur 0,5 dieser Parasiten pro | |
Tier. | |
## Mehr Platz – weniger Profit | |
Zur Behandlung und Vorbeugung gegen Krankheiten und Parasiten hatte man in | |
der Vergangenheit vorwiegend tonnenweise Chemikalien und Medikamente in die | |
rund 3.500 Lachsgehege an mehr als 500 Standorten längs der Küste gekippt. | |
Tonje Høy von der norwegischen Arzneimittelbehörde spricht von einer großen | |
Gefahr für das Meer. Zudem würden die Lachsparasiten „schneller resistent, | |
als wir neue Medikamente entwickeln“ können. „Chemie darf nicht die | |
Hauptstrategie sein.“ | |
Weshalb mittlerweile verstärkt versucht wird, die Fische mechanisch von der | |
Lachslaus zu befreien: ein Stress für die Tiere, der nun hauptsächlich für | |
die Zunahme der Sterblichkeit verantwortlich gemacht wird. Letztendlich | |
könne man Krankheiten und Parasiten nur mit artgerechterer Haltung | |
eindämmen, argumentieren Tierschutzorganisationen. Doch mehr Platz in den | |
Gehegen etwa würde eben den Profit schmälern. | |
Fraglich scheint auch, wie mehr Tierschutz mit den Plänen der Regierung zu | |
vereinbar wäre. Das Ende des Ölzeitalters vor Augen, sieht Oslo in der | |
Aquakultur „das neue Öl“: den Wirtschaftszweig, auf den der schon jetzt | |
weltweit größte Zuchtlachsproduzent den künftigen Export des Landes stützen | |
will. Dafür möchte man die Produktion bis 2050 verfünffachen. Für | |
Greenpeace und die grüne Miljøpartiet ein Unding angesichts der Tatsache, | |
dass man nicht einmal bei den aktuellen Bestandzahlen die Umwelt- und | |
Tierschutzprobleme in den Griff bekomme. | |
Zum Zuchtlachs gebe es gute Alternativen mit den gleichen wichtigen | |
Omega-3-Fettsäuren, sagt die norwegische Tierschutzallianz: Walnüsse, | |
Leinsamen und Algenöl. | |
12 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.vetinst.no/rapporter-og-publikasjoner/rapporter/2017/fiskehelser… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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