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# taz.de -- Problematische Aquakulturen: Fischzucht etwas weniger schädlich
> Aquakultur kann eine Alternative zum Fang in überfischten Meeren sein.
> Doch auch sie belastet die Umwelt – allerdings weniger als früher.
Bild: Netzgehege bis zum Horizont: Aquakultur in Ostchina
Chiang Mai taz | Der Mensch versucht seit jeher, Fische zu züchten. Die
Aborigines in Australien haben schon im Jahr 4500 vor Christus in einem
Kanal- und Dammsystem Aale für den [1][ganzjährigen Konsum] produziert. Ein
Durchbruch gelang dann dem deutschen Naturwissenschaftler Stephan Ludwig
Jacobi. Dieser entnahm im 18. Jahrhundert laichreifen Fischen Eier und
Samen, befruchtete die Eier künstlich und brachte diese dann zur
Entwicklung.
Trotzdem blieb der Anteil an Zuchtfischen noch für mehr als 200 Jahre weit
hinter dem an gefangenen Fischen zurück. Erst in den frühen 1990er-Jahren
nahm die Produktion von Fischen, Muscheln und Algen in Aquakulturen Fahrt
auf. Seither ist sie von unter 20 Millionen Tonnen pro Jahr auf über 110
Millionen Tonnen gewachsen und übertrifft nun die Menge an Fischen und
Algen aus der Natur. Den größten Anteil haben Süßwasserfische, gefolgt von
Algen.
[2][Aquakulturen sind geografisch stark konzentriert]: Über 90 Prozent
aller Fische und Algen werden in Asien gezüchtet. Führend ist hier China,
gefolgt von Südostasien. Außerhalb Asiens gibt es nur in Norwegen, Chile
und Ägypten größere Fischzuchten. In Asien zeigen sich denn auch die
Probleme von Aquakulturen in großem Stil am stärksten. Das
offensichtlichste Problem ist die Abholzung von Mangrovenwäldern am
Meeresufer, um Platz für Garnelenfarmen zu schaffen. Insbesondere in den
80er-Jahren fielen in Ländern wie Thailand oder Indonesien große
Mangrovenwälder Aquakulturen zum Opfer. Seither ist die Abholzung
allerdings stark zurückgegangen.
Das nächste Problem ist das Fischfutter. Insbesondere [3][fischfressende
Fische] werden mit Fischmehl und Fischöl gefüttert, das aus gefangenen
Fischen produziert wird. Die schlechteste Bilanz haben hier Aale. Diese
fressen während ihres Wachstums knapp ihr dreifaches Körpergewicht in Form
von Wildfischen. Dieses Verhältnis ist auch als „Fish In – Fish Out Ratio�…
bekannt.
## Mehr Fische, weniger Fischmehl
In den letzten 20 Jahren hat sich das Verhältnis allerdings deutlich
verbessert. Während sich die Menge an gefütterten Zuchtfischen verdreifacht
hat, ist der Einsatz von Fischmehl und -öl von 23 Millionen Tonnen auf 16
Millionen Tonnen gefallen. Das liegt nicht zuletzt am Preis: Diese beiden
Fischprodukte haben sich deutlich verteuert. Fischfutter wird daher
zunehmend auf pflanzlicher Basis hergestellt.
In Fischzuchten werden also riesige Mengen an Nahrungsmitteln ins Wasser
gekippt. Wenn die Zuchtfische diese nicht komplett vertilgen, gelangt das
Futter dann in Seen und letztlich in küstennahe Gewässer, wo es zu einer
Überdüngung führen kann. Und das erleichtert eine plötzliche, massenhafte
Vermehrung von Algen, die bei der Zersetzung dem Wasser Sauerstoff
entziehen. Im schlimmsten Fall kippt ein Gewässer dann um und es entsteht
eine tote Zone für alle anderen Lebewesen.
Das letzte große Problem entsteht durch den Einsatz von Medikamenten in
Fischfarmen. Auch diese gelangen schließlich in normale Gewässer und können
zu Resistenzen gegen Antibiotika führen. Der Einsatz von Medikamenten ist
allerdings stark zurückgegangen. Lachse in Norwegen werden mittlerweile
geimpft, sodass nun 95 Prozent weniger Antibiotika ins Wasser gelangen. Ein
anderer Ansatz ist der Wechsel zu weniger krankheitsanfälligen Arten. In
Thailand wurden viele Aquakulturen von den Black-Tiger-Garnelen auf
Weißbeingarnelen umgestellt.
Ganz gebannt ist das Problem der Resistenzen aber nicht, wie eine Studie
des Leibniz-Instituts in Braunschweig zeigt. Diese hat in einer spanischen
Fischfarm antibiotikaresistente Bakterien gefunden. Einer der Autoren, Jörn
Petersen, sagte dazu: „Ergebnisse wie das unsrige zur Verbindung von
Gesundheitswesen, Tierzucht und mariner Aquakultur machen deutlich, wie eng
die Welt heutzutage aus biologischer Sicht vernetzt ist. Der Mensch sollte
sich bewusst sein, welchen Fußabdruck er im Anthropozän hinterlässt.“
Es gibt allerdings auch zwei Produkte aus Aquakulturen, die keine negativen
Auswirkungen auf die Umwelt haben: Algen und Muscheln wie Austern. Diese
nehmen Nährstoffe aus dem Wasser auf und reduzieren so die Überdüngung von
Gewässern. Wenn Algen und Muscheln nahe Flussmündungen gezüchtet werden,
können sie folglich den negativen Effekten von Fischfarmen an diesen
Flüssen teilweise entgegen wirken.
24 May 2021
## LINKS
[1] /Nachhaltiger-Fischkonsum/!5617039
[2] /Toxische-Fischzucht-in-Norwegen/!5596672
[3] /Schmerzempfinden-bei-Fischen/!5688493
## AUTOREN
Christian Mihatsch
## TAGS
Aquakultur
Überfischung
Ernährung
Lebensmittel
Nutztiere
Nordsee
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