# taz.de -- Studie zu Hate-Speech im Netz: Feindbild Medien | |
> Hass und Aggressionen behindern die journalistische Arbeit zunehmend. Die | |
> Wut richtet sich nicht allein gegen Einzelne, sondern gegen den | |
> Berufsstand. | |
Bild: Brauchen Journalisten bald Polizeischutz? Der Hass im Netz jedenfalls nim… | |
Geht es um Flüchtlinge, Islam oder Putin, dann marschiert [1][die | |
Troll-Armee]: Im Netz hagelt es Drohungen und Beleidigungen, die oft die | |
Grenze zur Straftat überschreiten. Für viele Journalist_innen war das | |
bisher eine vor allem gefühlte Wahrheit. [2][Die Studie „Hass im Alltag | |
Medienschaffender“] hat nun untersucht, wie oft Journalist_innen | |
hasserfüllte Reaktionen auf ihre Texte bekommen und wie sie darauf | |
reagieren. | |
Im November und Dezember 2016 befragte das Institut für Interdisziplinäre | |
Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld online 783 | |
Journalist_innen. Der Mediendienst Integration hatte die Studie angeregt, | |
die Fachverbände DJU und DJV den Kontakt zu den Journalist_innen | |
vermittelt. Das Ergebnis der Studie unter Leitung von Madlen Preuß und | |
Professor Andreas Zick: Viele Journalist_innen nehmen einen Anstieg von | |
hasserfüllten Reaktionen wahr. Und noch mehr fühlen sich dadurch in ihrer | |
Arbeit behindert – selbst wenn sie gar nicht direkt betroffen sind. | |
Die große Frage der Studie: Wie erleben Journalist_innen Gewalt und | |
Diskriminierung? Welche Konsequenzen haben diese Angriffe auf ihre Arbeit? | |
Die Bezeichnung „Angriffe“ ist dabei recht weit gefasst: Es geht um | |
„verbale Beleidigungen, Anfeindungen, aber auch Aufrufe zur Gewalt und/oder | |
Straftaten“. Das Spektrum reicht also von hasserfüllten Kommentaren im | |
Internet bis zu physischer Gewalt auf Demonstrationen. | |
Angriffe auf Journalist_innen hätten in den letzten zwölf Monaten | |
zugenommen – das sehen zwei Drittel der Befragten so. 27 Prozent von ihnen | |
haben das in Bezug auf eigene Beiträge erlebt. | |
## „Journalismus wird zum Feindbild“ | |
Ein Viertel der Befragten wurde 2016 auf Demonstrationen, als Teilnehmende | |
an Diskussionsrunden oder in Interviewsituationen verbal oder körperlich | |
attackiert. 38 Prozent der Journalist_innen, die Zielscheibe von „Hate | |
Speech“ wurden, wurden in sozialen Netzwerken oder Kommentarfeldern bedroht | |
oder beleidigt. Die meisten Befragten (85 Prozent) gaben an, dass sie wegen | |
ihrer Rolle als Journalist_innen angegriffen wurden. „Journalismus wird | |
zum Feindbild“, erläutert Studienleiter Professor Andreas Zick. „Der Hass | |
richtet sich gegen den Berufsstand.“ | |
Besonders bei Außenterminen sind Journalist_innen Ziel von Angriffen, etwa | |
bei Demonstrationen, Interviews oder Veranstaltungen. Vor allem Zeitungs- | |
und Fernsehjournalist_innen sind betroffen, fast die Hälfte (48 bzw. 45 | |
Prozent) erlebten 2016 Angriffe. Eine Journalistin schrieb in der Umfrage | |
über körperliche Angriffe bei öffentlichen Veranstaltungen und | |
Demonstrationen: „Diese Ereignisse verfolgen mich gelegentlich auch im | |
Schlaf. Die Folgen sind Angstzustände und ein Gefühl der Ohnmacht.“ Ein | |
anderer Journalist gab an, schon mehrfach aus Recherchen ausgestiegen zu | |
sein, weil er seine persönliche Sicherheit gefährdet sah „und die Angst zu | |
groß war“. Ein Teilnehmer der Studie sagte: „Publizieren wird zur | |
Mutprobe.“ | |
Etwa die Hälfte der Befragten nimmt die Angriffe als belastend wahr. „Fast | |
jeder zweite Befragte, der bereits angegriffen wurde, äußerte Angst und | |
Unsicherheit, dem Beruf nicht mehr so nachgehen zu können wie vorher“, sagt | |
Madlen Preuß, Koleiterin der Studie. Und die Belastung geht über die Arbeit | |
hinaus: 30 Prozent der Befragten mit Angriffserlebnissen fühlen sich auch | |
im Privatleben eingeschränkt, 15 Prozent der Nichtbetroffenen ebenfalls. | |
„Offensichtlich bleibt der Hass nicht in den Redaktionen, sondern wird mit | |
nach Hause genommen“, sagt Preuß. | |
Wie kann man reagieren? Besonders häufig forderten die Befragten mehr | |
Solidarität von den Redaktionsleitungen. Hate Speech werde in der Redaktion | |
überhaupt nicht thematisiert, sagt etwa die Hälfte der Befragten. Rund ein | |
Drittel vermisst aktive Hilfestellung. Auch die Polizei schaue bei Demos zu | |
oft weg oder verhalte sich nicht kooperativ, behindere mehr bei der Arbeit, | |
„als uns zu unterstützen und zu schützen“, kritisiert ein Befragter. | |
8 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5387275/ | |
[2] https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Studie-hatespeech.pdf | |
## AUTOREN | |
Malte Göbel | |
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