| # taz.de -- Urteil zu fehlerhaften Brustimplantaten: Kontrolle bald ohne Ankün… | |
| > Der TÜV war laut EuGH nicht zu unangemeldeten Kontrollen bei der | |
| > Herstellerfirma verpflichtet. Demnächst wird die Rechtslage verschärft. | |
| Bild: Ob das Silikon taugt, sieht man auf den ersten Blick leider nicht | |
| BERLIN taz | Im Skandal um fehlerhafte Brustimplantate muss der TÜV | |
| Rheinland den betroffenen Frauen vermutlich keinen Schadenersatz bezahlen. | |
| Wie der Europäische Gerichtshof jetzt feststellte, bestand für den | |
| Kontrolleur keine generelle Pflicht zu unangemeldeten Kontrollen. Ansonsten | |
| ist das EuGH-Urteil durchaus patientenfreundlich. | |
| Das französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hatte jahrelang | |
| Brustimplantate mit billigem Industriesilikon befüllt. 2012 stoppten | |
| deshalb die französischen Behörden den Betrieb. Der Unternehmer tauchte | |
| unter und konnte erst später verhaftet werden. Da war PIP aber längst | |
| bankrott. | |
| Allein in Deutschland sollen 5.000 bis 6.000 Frauen betroffen sein. Die | |
| Ärzte empfahlen, die minderwertigen Silikonkissen wieder entfernen zu | |
| lassen. Diesem Rat folgte auch Elisabeth S., die Klägerin im | |
| Ausgangsverfahren. | |
| Da bei der Firma PIP nichts mehr zu holen war, verklagte Frau S. den TÜV | |
| Rheinland: Der hatte der PIP bescheinigt, seine Medizinprodukte entsprächen | |
| den Anforderungen. | |
| Frau S. forderte vom TÜV 40.000 Euro Schmerzensgeld. Der TÜV lehnte jedoch | |
| ab; haftbar sei nur der Hersteller PIP. Der TÜV sei dagegen selbst mit | |
| kriminellen Methoden hinters Licht geführt worden. Bei jeder (angemeldeten) | |
| Kontrolle habe PIP statt mit Industriesilikon mit medizinisch zugelassenem | |
| Silikon-Gel gearbeitet. Dabei wurde dem TÜV auch eine manipulierte | |
| Buchführung präsentiert. | |
| ## Unangemeldete Kontrollen vom TÜV? | |
| S. hielt das Vorgehen des TÜV für pflichtwidrig. Die Produktprüfer hätten | |
| unangemeldete Kontrollen durchführen müssen. Dabei hätte der TÜV dann | |
| festgestellt, dass in der Regel Industrie-Silikon verwendet wurde. Aus der | |
| unmanipulierten Buchhaltung hätte sich zudem ergeben, dass überwiegend | |
| Industriesilikon eingekauft wurde. | |
| Beim Oberlandesgericht Zweibrücken scheiterte S. jedoch mit dieser | |
| Argumentation 2014 schon im Ansatz. Der Vertrag zwischen PIP und TÜV sei | |
| kein „Vertrag zugunsten Dritter“. Auf diesen Vertrag könne sich S. also | |
| nicht berufen. Auch eine Haftung des TÜV aus „unerlaubter Handlung“ scheide | |
| aus. Laut EU-Medizinprodukte-Richtlinie habe der TÜV als Prüfer nicht die | |
| Implantate prüfen müssen, sondern nur das Qualitätsmanagementsystem der | |
| Herstellerfirma PIP. | |
| Beides kam dem Bundesgerichtshof zweifelhaft vor, weshalb er den EuGH bat, | |
| die EU-Richtlinie auszulegen. Die Antwort des Europäischen Gerichtshofes | |
| ist für Patienten grundsätzlich erfreulich: Die Medizinprodukterichtlinie | |
| dient auch dem Schutz der Patienten. Der TÜV und andere private | |
| Zertifizierer können grundsätzlich auf Schadenersatz verklagt werden, wenn | |
| sie beim Prüfen ihre Pflichten verletzen. | |
| Allerdings konnte der EuGH der Richtlinie keine generelle Pflicht zu | |
| unangemeldeten Kontrollen entnehmen. Diese seien möglich, aber nicht | |
| zwingend vorgeschrieben. Nur wenn es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gebe, | |
| müsse ein Prüfunternehmen auch unangemeldet die Produktion prüfen. (Az.: | |
| C-219/15) | |
| ## Noch 2017 soll es schärfere Verordnungen geben | |
| Nun liegt der Ball wieder bei den deutschen Gerichten. Diese haben bislang | |
| allerdings keinen Grund gesehen, warum der TÜV vor 2011 hätte misstrauisch | |
| sein müssen. Ein Gericht im französischen Toulon hatte zwar anders | |
| entschieden, sein Urteil war jedoch vom Berufungsgericht in Aix-en-Provence | |
| wieder aufgehoben worden. | |
| Demnächst wird aber die Rechtslage verschärft. In der neuen | |
| EU-Medizinprodukte-Verordnung, die in diesem Jahr beschlossen werden soll, | |
| sind verbindliche unangemeldete Kontrollen vorgesehen – mindestens einmal | |
| alle fünf Jahre. | |
| Für die Schadenersatzforderungen der PIP-Opfer hat dies aber keine | |
| rückwirkenden Folgen. | |
| 16 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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