| # taz.de -- Prozess im Brustimplantat-Skandal: Wer muss für das Leid haften? | |
| > Tausenden Frauen wurden minderwertige Silikonkissen eingesetzt. In Paris | |
| > geht es nun erneut um eine mögliche finanzielle Genugtuung. | |
| Bild: Dieses defekte Silikonkissen saß früher in der Brust einer französisch… | |
| Paris taz | Tausende von Frauen in der Welt wurden vor 2010 Opfer des | |
| Skandals des Schwindels der Brustimplantate der französischen Forma PIP. | |
| Diese Silikonkissen waren illegalerweise mit einem Billig-Gel gefüllt und | |
| konnten deswegen platzen – mit potenziell ernsthaften gesundheitlichen | |
| Folgen für die betroffenen Trägerinnen. Der Gründer und | |
| Hauptverantwortliche der inzwischen aufgelösten Firma PIP in Toulon, | |
| Jean-Claude Mas, sitzt wegen Betrugs und Täuschung eine vierjährige | |
| Haftstrafe ab. Er ist insolvent. | |
| Eine zumindest finanzielle Genugtuung erwarteten die Opfer dagegen von der | |
| deutschen Prüfungsgesellschaft TÜV Rheinland, der sie eine sträfliche | |
| Vernachlässigung der Prüfpflichten bei PIP vorwerfen. Mit ihren Forderungen | |
| haben sie eine Prozesslawine in Frankreich und Deutschland ausgelöst. Jetzt | |
| soll das oberste Pariser Kassationsgericht in diesem Rechtsstreit um Geld | |
| und Haftung urteilen. | |
| In Frankreich hatten die Gerichte zuvor unterschiedliche Urteile gefällt. | |
| Zuerst entschied 2013 ein Handelsgericht in Toulon, der TÜV müsse den | |
| betroffenen Frauen Entschädigungen bezahlen, die in Millionenhöhe gehen. | |
| Das Berufungsgericht in Aix-en-Provence sprach dann aber 2015 dieselbe | |
| Prüfgesellschaft von einer Mitschuld am Implantate-Skandal frei. | |
| Konsequenterweise wurden die Opfer verpflichtet, die von TÜV bereits | |
| erhaltenen Summen – bis zu 4600 Euro pro Person – zurückzuerstatten, was | |
| viele von ihnen bis heute ablehnen. | |
| In Deutschland hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe bereits | |
| entschieden, der TÜV Rheinland könne für die mangelhafte Qualität der | |
| Brustimplantate nicht haftbar gemacht werden. Dieses Urteil stützte sich | |
| auf die Position des Europäischen Gerichtshofs, der davon ausging, dass der | |
| TÜV nicht verpflichtet gewesen sei, mit unangemeldeten Inspektionen bei PIP | |
| Produktions- und Qualitätskontrollen durchzuführen, da keine Hinweise auf | |
| Mängel bei der Herstellung der Brustimplantate existiert habe. Wird sich | |
| das Pariser Kassationsgericht nun dieser Interpretation anschließen? | |
| Für die Geschädigten wäre das zweifellos empörend. Ihr Anwalt Olivier | |
| Aumaître beharrt laut AFP darauf, dass „offensichtliche Hinweise vorlagen, | |
| dass es bei PIP Probleme gab“ und dass folglich der TÜV seinen | |
| Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sei. Im Gegenteil habe das | |
| TÜV-Zertifikat den Frauen den trügerischen Eindruck vermittelt, dass die | |
| Qualität der Implantate einwandfrei geprüft worden sei. Die Vereinigung der | |
| Opfer wird deshalb unabhängig vom Kassationsurteil alle Rechtsmittel | |
| ausschöpfen, um die geforderte finanzielle Genugtuung für die Geschädigten | |
| zu erhalten. | |
| 10 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Silikon | |
| TÜV Rheinland | |
| Leer | |
| Implantate | |
| Brustimplantate | |
| TÜV Rheinland | |
| Brustimplantate | |
| Silikon | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fehlerhafte Plastikimplantate: Chefarzt unter Verdacht | |
| Am Klinikum Leer soll der ehemaligen Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie | |
| fehlerhafte Implantate eingesetzt und dafür Geld kassiert haben. | |
| Fehlerhafte Medizinprodukte: Mehr Implantate mit Todesfolge | |
| Immer mehr Menschen werden laut Medienberichten durch Implantate verletzt | |
| oder getötet. In Deutschland seien 2017 insgesamt 14.034 Probleme gemeldet | |
| worden. | |
| Brustimplantate-Skandal in Frankreich: Gericht ordnet neuen Prozess an | |
| Der Streit um mangelhafte Silikonkissen wird neu aufgerollt. Die Richter | |
| kassierten ein vorheriges Urteil ein. Die Opfer sind hoffnungsvoll. | |
| Kommentar Brustimplantate: Wenn der Prüfer plötzlich klingelt | |
| Hersteller werden bald unangemeldet kontrolliert. Schadenersatz zahlen sie | |
| nur, wenn sie auf eine Versicherung verpflichtet werden. | |
| Urteil zu fehlerhaften Brustimplantaten: Kontrolle bald ohne Ankündigung | |
| Der TÜV war laut EuGH nicht zu unangemeldeten Kontrollen bei der | |
| Herstellerfirma verpflichtet. Demnächst wird die Rechtslage verschärft. | |
| Kommentar Fehlerhafte Brustimplantate: Brüste auf dem Prüfstand | |
| Hersteller und TÜV weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Doch auch | |
| Zertifizierer müssen haften, wenn sie Schäden an Produkten übersehen haben. |