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# taz.de -- Umfrage zur Schönheits-Chirurgie: Implantate für Akademiker
> Die Klientel von Schönheits-OPs, egal ob weiblich oder männlich, ist
> gebildeter. Entscheidungen sind überlegter als oft angenommen.
Bild: Messer, Gabel, Schere, Licht ...
Industriesilikon, ausgelaufen in Frauenbrüsten. Entzündetes Gewebe,
Schmerzen. Vollnarkose, Operationssaal: Zehntausende Frauen weltweit
mussten sich 2012 ihre Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant
Prothèse (PIP) wieder entfernen lassen, nachdem der Skandal um die
kriminell gefertigten Kissen öffentlich geworden war. Ob und wie viel
Entschädigung sie jemals erhalten werden, ist dagegen vor Gericht nicht
abschließend entschieden, und auch die EU-weite Debatte über die Sicherheit
und Kontrolle von Medizinprodukten dauert an.
Der Schönheitschirurgie indes haftet deswegen kein Makel an, sie hat die
Krise scheinbar unbeschadet überstanden: Brustvergrößerungen sind in
Deutschland weiterhin die beliebteste ästhetisch-plastische Behandlung.
Es läge nahe, daraus den Schluss zu ziehen, Frauen, die einen größeren
Busen wünschen, oder Männer, die beispielsweise ihre Lider straffen lassen,
gingen gleichgültig mit ihrem Körper und etwaigen gesundheitlichen Risiken
um. Es läge nahe, gängige Stereotype zu bedienen. Allein: Sie stimmen
nicht. Die Klientel von Schönheits-OPs, egal ob weiblich oder männlich, ist
informierter, gebildeter und – trifft ihre Entscheidungen überlegter als
vielfach angenommen.
Richtig ist zwar, das bestätigt eine anonyme Befragung von 1.326
Patientinnen und Patienten, die die Deutsche Gesellschaft für
Ästhetisch-Plastische Chirurgie unlängst in den Praxen ihrer Mitgliedsärzte
durchführen ließ und am Mittwoch in Berlin vorstellte: Unter allen
Schönheits-OPs, die im ersten Halbjahr 2014 hierzulande durchgeführt
wurden, belegten die Brustvergrößerungen mit einem Anteil von 15,4 Prozent
weiterhin Platz eins (gefolgt von Lidstraffungen und Botoxbehandlungen zur
Reduzierung von Mimikfalten auf den Plätzen zwei und drei).
Richtig ist aber auch: der vermeintliche leichte Rückgang gegenüber dem
Vorjahreszeitraum bei den Brust-OPs (2,9 Prozentpunkte) ist in Wirklichkeit
keiner. Denn diese Frauen verzichteten keineswegs gänzlich auf die
Brustvergrößerung. Sie griffen bloß statt auf künstliche Implantate auf
Eigenfett zurück – was unter Sicherheitsaspekten vernünftig ist (wenn man
operative Körperkorrekturen ohne medizinische Indikation überhaupt
vernünftig finden will).
## Brustvergrößerungen auf Platz eins
Und genau diesen Trend unterfüttert die medizinische Fachgesellschaft nun
mit Zahlen: Leichtfertig legen sich offenbar die wenigsten unters Messer.
Durchschnittlich 6,5 Jahre vergehen bei Frauen zwischen dem ersten Gedanken
an eine ästhetische Behandlung und ihrer tatsächlichen Durchführung, bei
Männern sind es 5,3 Jahre. Und dass die Patienten reif genug sind, um zu
wissen, worauf sie sich einlassen, davon darf man ausgehen: Das
Durchschnittsalter beim Eingriff liegt bei knapp 41 Jahren.
Dazu kommt: Mehr als ein Drittel der befragten Patientinnen und Patienten
hat einen akademischen Abschluss – im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (14
Prozent) ein Rekord, der sich freilich – auch – durch die Preise der
Schönheitsindustrie erklärt, die nur bezahlen kann, wer sehr lange spart
oder gut verdient. Für eine Bauchstraffung etwa verlangen Ärzte bis zu
6.000 Euro, für ein Facelifting 6.500 Euro und für eine Haartransplantation
bis zu 10.000 Euro, Kosten für Klinikaufenthalt, Narkose und Labor nicht
eingerechnet. Abschreckend wirkt das nicht. Nach Schätzungen der
Fachvereinigung International Survey on Aesthetic/Cosmetic (ISAPS) gibt es
pro Jahr allein in Deutschland rund 343.000 chirurgische
ästhetisch-plastische Behandlungen.
Offenbar aber ist dieses Geld aus Sicht der Betroffenen gut investiert.
Denn: Es zahlt sich, so das Kalkül vieler Patienten, eines Tages aus.
Interessanterweise gab fast jeder zehnte Mann (aber übrigens nur drei
Prozent der Frauen) an, er verspreche sich von der Behandlung vor allem
eine „Verbesserung beruflicher Chancen“. Besseres Aussehen (0,8 Prozent)
oder mehr Selbstbewusstsein (0,5 Prozent) dagegen spielten, um auch dieses
Klischee zu widerlegen, so gut wie keine Rolle.
25 Sep 2014
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Medizin
Chirurgie
Schönheitschirurgie
Operation
PIP
Vagina
Brustimplantate
Europäischer Gerichtshof
Medizin
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Hepatitis C
Gebärmutter
Gesundheit
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