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# taz.de -- Chirurgische Veränderung der Intimzone: Der Trend zur Designervagi…
> Genital-OPs haben Konjunktur. Sie zeigen die Macht der Schönheitsnormen,
> haben manchmal aber auch gesundheitliche Gründe.
Bild: Komplett unoperiert: Felsen in in Mauretanien, auch genannt die „Schaml…
Berlin taz | Als Volker Rippmann vor 20 Jahren anfing, als plastischer
Chirurg zu arbeiten, war es ein „äußerst seltener Eingriff“. Heute macht
Rippmann das einmal in der Woche: eine Frau an ihren Genitalien operieren.
Dann verengt er Vaginas, spritzt Collagen in äußere Schamlippen, kürzt
innere Labien. Er nennt das „Vaginalverjüngung“ und
„Schamlippenkorrekturen“. Rippmann ist plastischer Chirurg. Schräg
gegenüber vom Gendarmenmarkt in Berlin, zwischen einem edlen Designerladen
und einer gesetzlichen Krankenkasse betreibt er zusammen mit einem Kollegen
eine Privatpraxis mit dem klangvollen Namen „Metropolitan Aesthetics“. Die
Intimchirurgie, ein normaler Bereich in der medizinischen Ausbildung, ist
prominenter geworden, seit Frauen sich untenrum rasieren. „Dadurch wird
offensichtlich, was früher durch die Intimbehaarung verdeckt war“, sagt
Rippmann.
Damit meint der Schönheitschirurg, dass bei vielen Frauen die kleinen
Schamlippen ein wenig länger sind als die äußeren und herausgucken. Für die
meisten Frauen ist das kein Problem, sagt der Arzt. „Manche finden das aber
nicht schön, fühlen sich damit unwohl und lassen es angleichen.“
In sozialen Netzwerken werden ästhetische Genitaloperationen, die als
„Muschi-OPs“ teilweise verlacht werden, kontrovers diskutiert. Für die
einen sind solche Eingriffe legitim, weil sie den Betroffenen mehr
Selbstsicherheit und Zufriedenheit und damit mehr Lebensqualität
verschaffen. Andere zeigen sich genervt: Hat die Frauenbewegung nicht gegen
den Schönheitswahn gekämpft und dafür, dass jede so sein darf, wie sie ist?
Das Ärzteblatt bezeichnete solche OPs als „gefährlichen Trend“, mitunter
ist schon mal die Rede von der „Designervagina“. Chirurg Rippmann sagt: „…
gibt keine Norm.“
## Kosten zwischen 1.000 und 4.000 Euro
Wie viele Genitalkorrekturen in Deutschland durchgeführt werden, wird
statistisch nicht erfasst. 2005 schrieb das Ärzteblatt von rund 1.000
Schamlippenstraffungen in Deutschland pro Jahr – mit einer unbekannten
Dunkelziffer. Heute dürften es weitaus mehr sein, mittlerweile gelten sie
als gewöhnliche Eingriffe. Die ersten ästhetischen Vaginalkorrekturen
sollen laut Heribert Kentenich, Gynäkologe und Chef der DRK-Frauenklinik in
Berlin, vor gut 20 Jahren in den Vereinigten Staaten vorgenommen worden
sein. Es folgten brasilianische Stripperinnen, die als erste argumentiert
haben sollen, eine formschöne Vulva sei notwendig für ihren Job. „Die
Brust-OP wurde von der Vaginal-OP abgelöst“, sagt Rippmann.
Ein Eingriff, der zwischen einer und drei Stunden dauert, kostet zwischen
1.000 und 4.000 Euro – je nachdem, ob weggeschnitten, weggelasert oder
aufgepolstert wird. Das müssen die Frauen selbst bezahlen, die Gesetzlichen
Krankenversicherungen (GKV) übernehmen die Kosten für solche Eingriffe
nicht, sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. In sehr
wenigen Fällen würden Ausnahmen gemacht. „Das sind
Einzelfallentscheidungen, wenn ein echtes gesundheitliches Problem
vorliegt.“ Wenn Frauen etwa extreme Schmerzen haben oder ihr Leben
beeinträchtigt wäre.
Zahlreiche Privatversicherte hingegen erhalten das Geld von ihrer Kasse
zurück. Etwa 70 Prozent der Patientinnen von Sigrid Hülsbergen-Krüger
bekommen die Kosten von ihrer Privatversicherung erstattet.
Hülsbergen-Krüger betreibt in Hamburg eine Praxis für Plastische Chirurgie.
Sie legt Ohren an, verkleinert und vergrößert Brüste, saugt Fett ab,
strafft Gesichter und Augenlider – und lasert Genitalien. Rund 100 Mal im
Jahr behandelt Hülsbergen-Krüger nach eigener Aussage Frauen an den
Geschlechtsteilen. Sie lasert die „Stellen“ statt mit dem Skalpell zu
schneiden, das sei „berührungsfrei und punktgenau“.
## Minderjährige fragen an
Trotzdem sind Intimeingriffe nicht risikofrei. Mitunter kann es zu starken
Blutungen kommen, zu Infektionen, Verwachsungen und Narben an der feinen
Schamlippenhaut, Nervenschädigungen und Taubheitsgefühlen, die sich auf den
Sex auswirken.
Zu Hülsbergen-Krüger kommen Frauen aus ganz Deutschland und jeden Alters.
Die Jüngeren, viele Anfang 20, meist aus ästhetischen Gründen. Andere
klagen über Wundreiben, Entzündungen und Blutungen im Genitalbereich,
häufig beim Radfahren, Joggen, Reiten. Auch beim Sex würden zu große innere
Schamlippen stören.
Die Nachfragen minderjähriger Mädchen nach Intimkorrekturen in ihrer Praxis
haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Hülsbergen-Krüger operiert
grundsätzlich nur Volljährige, obwohl das Gesetz Genital-OPs bei
Minderjährigen nicht grundsätzlich ausschließt.
## Der nächste Trend ist schon in Sicht
Mitunter rät die Ärztin von Intimeingriffen ab. Wie in einem Fall einer
sehr dünnen jungen Frau, die untenrum minimale Ungleichheiten beklagte. Die
Medizinerin erkannte bei der Patientin eine Anorexie, eine Magersucht, und
lehnte es ab, sie zu behandeln. Stattdessen gab sie der Patientin den
Hinweis, über eine Psychotherapie nachzudenken, mit der sie ihr Körperbild
überdenken könne.
Ältere Frauen, die sich bei Hülsbergen-Krüger in Hamburg und bei Rippmann
in Berlin behandeln lassen, klagen teilweise über schwerwiegende
Beschwerden: Durch altersbedingte hormonelle Veränderungen oder nach
Mehrfachgeburten sei ihre Vagina stark gedehnt. Die Folge können ein
mangelndes sexuelles Reizempfinden sein, Probleme beim Wasserlassen,
Unannehmlichkeiten bei Bewegungen. Eine Vaginalstraffung soll das lindern,
sagt Rippmann. Dafür wird in der Regel Eigenfett aus dem Bauch der
Patientin in deren Scheidenwände gespritzt.
Während Frauen über Brust-OPs mittlerweile offen sprechen, sind
Intimeingriffe nach wie vor ein Tabu, stellt der Intimchirurg Rippmann
fest. „Darüber redet keine.“ Ungeachtet dessen macht der Arzt bereits den
nächsten Trend aus: die G-Punkt-Stimulierung für einen stärkeren sexuellen
Reiz.
28 Aug 2017
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Vagina
Schönheitschirurgie
Schönheitsideale
Schwerpunkt taz Leipzig
Körperkult
Implantate
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Heidi Klum
Medizin
Schönheitschirurgie
Jugendliche
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