# taz.de -- Körpernormierung im Genitalbereich: All-Gender-Eurozentrismus | |
> Schönheitsideale für Genitalien? Aber hallo. Was der Trend der | |
> Penisaufhellung mit Ausschlüssen und Rassismus zu tun hat. | |
Bild: Voll Banane: Kommt nach der Designer-Vulva jetzt auch der Designer-Penis? | |
Ein neuer Beauty-Trend aus Thailand löst [1][Entrüstung] aus: Eine Klinik | |
in Bangkok hellt Penisse durch Laserbehandlungen auf. Das Bleichen von | |
Genitalien ist jedoch kein neuer Trend. Seit Jahren unterziehen sich | |
Menschen analem oder Vulva-Bleaching, auch in Deutschland. | |
Warum das so ist, liegt auf der Hand: Körpernormierungen betreffen schon | |
lange nicht mehr nur Bauch, Beine und Po – oder Brüste, Nase und | |
Wangenknochen –, operative und kosmetische Optimierungen gehen gerne auch | |
unter die Gürtellinie. Warum sollten Schönheitsdiktate und Vergleiche | |
ausgerechnet dort Halt machen, wo viele die größten Unsicherheiten zu haben | |
scheinen? | |
Labiaplasty etwa, also Schönheitsoperationen an den Schamlippen, gehen in | |
vielen Ländern schon seit den frühen 2000ern über den OP-Tisch. | |
Verantwortlich für den Wunsch nach kleineren und symmetrischen Schamlippen | |
ist nicht nur die Pornoindustrie, auch Macher_innen gewöhnlicher | |
Lifestyle-Magazine oder Unterwäschewerbung retuschieren die Genitalien | |
ihrer Models und setzen so neue Standards. | |
## Danke für nichts | |
Die Einteilung von Vulven in „normal“ und „unnormal“ ist dazu eine | |
jahrhundertealte kolonialrassistische und misogyne Praxis. Wie die | |
schwedische Comic-Zeichnerin Liv Strömquist etwa in ihrem Comic „Der | |
Ursprung der Welt“ über die Kulturgeschichte der Vulva erklärt, wurden | |
Menschen mit abweichenden Genitalien zwangsoperiert. Besonders Schwarze | |
Frauen wurden untenrum von den weißen europäischen Ärzten „beforscht“ | |
(lies: entmenschlicht). Danke für nichts! | |
Mangelnde Sexualaufklärung und körpernegative Selbstwahrnehmungen führen | |
deshalb in vielen Fällen einen Schock herbei, etwa wenn Leute sich | |
betrachten und bemerken müssen, dass die Hautfarbe nicht am ganzen Körper | |
einheitlich ist. | |
Rassistische Zuschreibungen lassen außerdem Reinheit und Unschuld mit | |
hellerer Haut assoziieren – mit dunklerer hingegen Minderwertigkeit. Diese | |
diskriminierende Semantik nutzt die Beauty-Industrie gerne für den Verkauf | |
von Hautbleichmitteln. | |
## Abseits des Vulva-Feminismus | |
Feminist_innen sagen Normierungen am ganzen Körper den Kampf an, allerdings | |
nicht immer auf eine sinnvolle Art. Die Vielfältigkeit von Vulven zu | |
visualisieren mag einigen zu einem besseren Selbstgefühl verhelfen, doch | |
konsequenterweise müssen alle Genitalien empowert werden – Geschlecht geht | |
schließlich über Unterhoseninhalt und Chromosomensatz hinaus. | |
Kritiker_innen Vulva-zentrierter Feminismen prangern zurecht an, dass der | |
Fokus in der Regel auf weiße dyadische, also nicht intergeschlechtliche, | |
cis Frauen gerichtet ist. Besonders dann, wenn sie Penisse mit dem | |
Patriarchat gleichsetzen. Pinke Pussyhats zum Beispiel avancierten 2016 zum | |
Symbol des Women's Marches und so eines feministischen Aufbegehrens – | |
allerdings in erster Linie für weiße cis Frauen. Ein intersektionaler | |
Feminismus muss mehr können als nur das. | |
Über die Besessenheit mit vermeintlich schöneren Vulven berichtet und | |
diskutiert abseits feministischer Medien oder Dokus wie „[2][Vulva 3.0]“ | |
mittlerweile sogar der Mainstream. Doch eine Norm wird häufig übersehen: | |
Bevor eine Person aufgrund einer normschönen Vulva aufgewertet werden kann, | |
muss sie überhaupt erst einmal eine Vulva haben. | |
Nun öffnet sich der Markt auch für Menschen mit Penissen, die ebenfalls mit | |
grotesken Schönheitsvorstellungen konfrontiert sind. Die Nachfragen beim | |
Lelux Hospital in Bangkok, das sein Hautaufhellungsangebot nun erweitert | |
hat, sind laut Angaben der Managerin sehr hoch. | |
## Eurozentristische Schönheitsnormen jetzt all gender | |
Etwa 100 Kund_innen zwischen 22 und 55 behandeln die Ärzt_innen dort pro | |
Monat, manche reisen extra aus anderen asiatischen Ländern ein. Der | |
langanhaltende Bleichprozess braucht um die fünf Sitzungen und kostet | |
umgerechnet 540 Euro. | |
Neben Schmerzen, Entzündungen und Narben gehören auch Beeinträchtigungen | |
der Reproduktionsfähigkeit und beim Sex zur Liste der möglichen | |
Nebenwirkungen. Und wofür das ganze? „Ich wollte mich in meiner Schwimmhose | |
wohler fühlen“, erklärt ein Patient der thailändischen BBC. | |
Ein großer Teil der Menschen, die diese Körpermodifizierung in Anspruch | |
nehmen, kommen aus der schwulen und trans-Community. Unter dem Druck, einen | |
möglichst makellosen Körper zu präsentieren, stehen in erster Linie eben | |
nicht weiße heterosexuelle cis Männer, sondern jene Menschen, die von der | |
Gesellschaft aufgrund ihrer Körper als anders abgewertet werden. Das ist in | |
Deutschland nicht anders. | |
Wer in diesem absurden Beauty-Trend eine mögliche Form der | |
Gleichberechtigung zu erkennen denkt, unterliegt einem Trugschluss. | |
Eurozentristische Schönheitsideale sind auch für Penisse weder der Weg, | |
noch das Ziel körperpositiver Bewegungen. | |
6 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bbc.com/news/world-asia-42575155 | |
[2] http://www.vulva3.de/ | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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