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# taz.de -- Klavier zum 80. Geburtstag von Philipp Glass: „Philip Glass im Fa…
> Der isländische Pianist Víkingur Ólafsson hat Klavierwerke zum 80.
> Geburtstag Philip Glass' eingespielt. Ein Blick auf Musik und teure
> Konzertbauten
Bild: Mag es nicht kalt, wegen der Klavierhände: Vikingur Ólafsson
taz: Herr Ólafsson, dieses kalte Wetter müssten Sie doch kennen, oder?
Víkingur Ólafsson: Ich komme zwar aus Island, aber ich mag kein kaltes
Wetter. Es ist mir wichtig, es niemals kalt zu haben.
Was insbesondere für Ihre Hände gilt?
Aber ja, ich denke immer an meine Hände. Vor zehn Jahren bin ich die Treppe
in meinem Haus heruntergefallen. Und ich habe meine Hände einfach in die
Luft gehalten und bin auf meinen Rücken gefallen. Es ist also natürlich für
mich, außer beim Klavierspielen meine Hände eher nicht zu benutzen.
Und was ist die richtige Temperatur?
Das ist unterschiedlich. Es hängt von den Konzerten ab, vom Klima, den
Konzerthäusern, den Tagen. Manchmal gieße ich heißes Wasser über meine
Hände – nicht 30 Minuten lang wie John Cage, eher für vielleicht zwei
Minuten.
Heißes Wasser?
Kein kochendes, natürlich, aber heiß. Mit kalten Händen ist nicht gut
spielen. Aber wenn du zu viel an deine Hände denkst, kannst du sie
irgendwann nicht mehr benutzen. Man muss eine Balance finden.
Gibt es für Sie Tage oder Stunden, an denen diese Balance sich partout
nicht einstellen will?
Klar. Wenn ich unruhig bin, hat das Auswirkungen auf mein Klavierspiel. Es
geht ja auch darum, wie wir etwas hören und dann darauf reagieren. Oder
wenn du ein Stück drei Tage hintereinander spielst. Dann solltest du nicht
dem Piano die Schuld geben. Eher es an solchen Tagen umso mehr lieben. Das
Klavier kann für nichts etwas, es ist alles im eigenen Kopf.
Sie spielen bald erstmals in der Hamburger Elbphilharmonie. Empfinden Sie
Vorfreude?
Ja, sehr. Ich habe gehört, dass der Klang fantastisch ist. Manche meiner
Kollegen denken sogar, dass es zu gut ist. Zu klar, zu fokussiert. Andere
denken aber, es ist genau richtig. Ich glaube, die Elbphilharmonie ist für
Hamburg wie die Harpa für Island. 2011 habe ich beim ersten Konzert
gespielt – ein phantastisches Haus. Damals hatte Island eine schwere
Bankenkrise, und das Haus wurde trotzdem gebaut. Es war sehr teuer, so wie
die Elbphilharmonie. Aber alle sind jetzt froh in Island, dass wir die
Harpa haben.
Heute ist der 80. Geburtstag von Philip Glass. Bedeutet der Komponist Ihnen
etwas?
Sehr viel, sonst hätte ich mein Album nicht seinen Stücken gewidmet. Ich
schätze seine Musik über alles, er hat Musik zu unserer Zeit komponiert. Er
ist immer unterwegs, schreibt dauernd Musik. Er ist immer neugierig, immer
offen, großzügig. Vor allem auch wegen dieser Dinge ist er mein Vorbild.
Mögen Sie uns Ihre Faszination erklären? Als Glass begann, waren Sie ja
noch gar nicht geboren.
Glass hat in den 70er-Jahren die Musik neu erfunden. Das war mutig. Heute
ist es für uns leicht zu sagen: Minimalistische Musik ist schön. Aber zu
dieser Zeit hatten sie diesen riesigen Widerstand. In der New Yorker
Carnegie Hall wollten sie mit der Musik Glass’ nichts zu tun haben.
Manche sagen Philip Glass sei ein klassischer Bohémien-, Cafè Latte-,
Cultural Jetset-Musiker …
Es ist nichts Falsches an einem Cafè Latte! Ich trinke jetzt gerade einen.
Sagen wir so: Es ist okay, wenn Leute sagen: Ich verstehe die Idee von
Minimalismus nicht.
Warum sollten wir Minimalismus denn mögen?
Bei Kindern sieht man, dass sie Wiederholungen mögen. Minimalismus ist die
Essenz aller Musik. Glass hat alles Überladene zur Seite geschoben, das in
einem bestimmten Moment Unwichtige. Das ist die Qualität, nichts anderes.
Warum ist diese Musik wertvoller als Fahrstuhlmusik oder Musik für
Flughafenlounges?
Würde Philip Glass in einem Fahrstuhl spielen, wäre das gute Musik in
Fahrstühlen. Ich würde es lieben! Ich denke, wenn es gut im Hintergrund
funktioniert, heißt es nicht, dass es keine gute Musik ist. Auch Mozart
oder Händel kann man im Hintergrund laufen lassen. Natürlich funktioniert
es besser im Vordergrund. Es ist keine heilige Musik. Ich denke, wenn
Mozart im Fahrstuhl läuft, macht es das Leben der Menschen sogar ein
bisschen besser.
Ist es Ihr erstes Werk mit Kompositionen von Philip Glass?
Ja. Ich habe ihn vor drei Jahren in Göteborg kennengelernt.
Können Sie uns den Klang Reykjaviks erklären? Oder den von Berlin?
Ich habe mal in Manhattan gewohnt. Und Berlin ist für mich irgendwie ein
bisschen das New York von Europa. Die Stadt hat etwas von dieser Energie,
der Wärme, der Stimmung. Reykjavik im Vergleich ist eine sehr coole, hippe
Stadt. Aber es ist so winzig. Was nicht heißt, dass der Spirit nicht groß
wäre. Da passieren so viele interessante Dinge. Aber für meine Konzerte ist
es einfach zu klein. Es ist ein wundervoller Ort. Aber, wie gesagt, klein.
Alle kennen sich, nirgendwo ist man anonym.
Und Berlin?
Reykjavik ist eher für den Sommer und Berlin für den Winter. In Reykjavik
brauchst du im Auto überall nur fünf bis zehn Minuten hin. Und fühlst dich
trotzdem so, als wärst du in einem anderen Universum. Ich bin aber wirklich
„made in Berlin“. Meine Eltern sind wenige Monate, bevor ich geboren wurde,
erst nach Reykjavik zurück gegangen. In Berlin habe ich meine Wurzeln.
Welche isländische Musik hören Sie?
Wenn man in Island aufwächst, hat jeder diese Phase, in der er Björk hört.
Aber im Moment höre ich einen elektrisch-basierten Gitarristen. Das
Erfolgsrezept ist aber, das gilt auch für mich: einerseits Mozart zu
spielen und andererseits auf einem anderen Konzert ein experimentelles
Konzert zu spielen. Oder Heavy Metal.
Folk?
Ist mir eher nicht so wichtig. Ich mag Folk, aber ich bin kein Enthusiast
per se. Andererseits ist Folk vielleicht auch besonders wichtig, denn wir
haben nicht diese Musikgeschichte, die ihr habt. Wir haben nur diese Songs,
und die sind auch manchmal echt seltsam. Nicht alle, aber manche.
Termine: 11. Februar: Bach & Iceland, 13. Februar: Minimal Études von
Philip Glass, Elbphilharmonie Hamburg (ausverkauft)
8 Feb 2017
## AUTOREN
Jan Feddersen
Burhan Yassin
## TAGS
Klavier
Island
Pianist
Oper
Experimentelle Musik
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Niederlande
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