| # taz.de -- Record Release Konzert: Und dann wird es kosmisch | |
| > Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band begeistern mit ihrer eleganten | |
| > Musik. Am Samstag präsentieren sie ihr neues Album im Lido. | |
| Bild: Freddy Fischer und seine Band machen elegante Musik | |
| „Irgendwann kommst du an den Punkt, wo es mit Wut einfach nicht mehr | |
| weitergeht, und dann fängst du an zu tanzen“, sagt Ron. „Dann wird es | |
| kosmisch“, fügt Freddy hinzu. Kosmisch – diese Beschreibung dürfte ziemli… | |
| genau die Stimmung treffen, die Freddy Fischer und seine Band auf ihrem | |
| aktuellen Album „In dem Augenblick“ vermitteln und mit der sie auch bei | |
| jedem ihrer Auftritte das Publikum konsequent für sich gewinnen können. | |
| Da wäre zunächst einmal Freddy selbst zu nennen, der – wahlweise im Smoking | |
| oder Rollkragenpullover – immer mit überlangen Koteletten und einer | |
| gigantischen Hornbrille auftritt. Wenn er dann mit tatkräftiger | |
| Unterstützung der Band in die Orgeltasten haut, dazu eingängige Textzeilen | |
| trällert und dabei immer nah am Publikum bleibt, dann fängt es an zu | |
| glitzern – sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. | |
| Auch wenn die Band selbst nicht gut auf den Begriff der Unterhaltungsmusik | |
| zu sprechen ist – ihr Gesamtauftritt hat etwas durchaus Unterhaltsames, was | |
| auch nicht verwerflich ist. Die Menschen fangen an zu tanzen und sich des | |
| Lebens zu freuen, egal wie mürrisch oder traurig ihre Mienen vorher | |
| wirkten. | |
| Menschenrechtsverbrechen, humanitäre Katastrophen, internationaler | |
| Terrorismus: Das Weltgeschehen um uns herum scheint aus den Fugen zu | |
| geraten. Und während sich vielerorts Menschen besorgt über die Möglichkeit | |
| eines dritten Weltkrieges austauschen, macht Freddy Fischer mit seiner Band | |
| Disco. | |
| Beim Lesen des Wortes Disco mag der gewiefte Leser schnell an die 70er | |
| Jahre denken, an Funk, Soul und Jazz, an Manfred Krug – und im selben Zuge | |
| auch an Schlager: Unterhaltungsmusik eben. Schlager, das ist vordergründig | |
| zunächst einmal sehr gefällige Musik. Musik, die weder etwas zu wollen noch | |
| zu können scheint – außer ihren Zuhörern eine „heile Welt“ zu vermitte… | |
| und jegliche Zweifel an deren tatsächlicher Existenz konsequent und | |
| offensichtlich zu umschiffen. So das Klischee. | |
| Genau dieses Klischee ist es, gegen das Freddy Fischer mit seiner Band | |
| bewusst ansteuern möchte: „Uns geht es um den Menschen und das, was ihn | |
| ausmacht. Das hauen wir in unserer Musik dann auch ganz direkt raus“, so | |
| der Frontmann. | |
| Unmittelbarkeit und Authentizität also statt Verblendung und klebriger | |
| Seifenblasen? „Genau darum geht es: nichts auszublenden und aber trotzdem, | |
| mit all dem Mist im Gepäck, der einem widerfahren kann, das Leben zu | |
| zelebrieren“, so Bassist Ron Rocktime. „Es ist eher so eine ganzheitliche | |
| gute Laune, um die es uns geht.“ | |
| Diese Absicht ist auch auf dem aktuellen Album der vierköpfigen Band „In | |
| dem Augenblick“ eindeutig hörbar, sowohl in den Funk-, Soul- und | |
| Jazzelementen, die in den Songs mitschwingen, als auch in den Texten. | |
| „Alles, was bleibt, ist meine Liebe zu dir“, „Ich hab mein Herz an dich | |
| verloren, als du sagst, dass du mich liebst“, „Und deine Liebe ist und war | |
| doch immer frei“. | |
| Zeilen, über die keine großen Worte mehr verloren werden müssen, weil | |
| einfach klar ist, was gemeint ist. „Liebeslieder sind immer sehr real. | |
| Deswegen sind sie auch absolut kein ‚Partyding‘ “, so Freddy. Auf die | |
| geäußerte Vermutung hin, dass er vielleicht an einigen Stellen des Albums | |
| mit dieser musikalischen Form kokettiere, wirkt er fast entrüstet: „Die | |
| Lieder sind zu keiner Sekunde auch nur einen Millimeter ironisch gemeint.“ | |
| Nicht nur die Songtexte selbst sind es, die die Echtheit der Band | |
| ausmachen, sondern auch deren Aufgebot an mechanischen Musikinstrumenten | |
| aus der Zeit der Discoära: Hammondorgel und Fender-Rhodes-Piano, beide | |
| gespielt von Freddy himself, sind bei jedem Auftritt dabei und haben | |
| bereits diverse Transporte überlebt. | |
| Das Konzept der „ganzheitlichen guten Laune“ scheint sowohl sparten- als | |
| auch altersübergreifend ansteckende Wirkung zu haben: „Unser Publikum ist | |
| total bunt gemischt. Es sind viele ältere Menschen auf den Konzerten, aber | |
| auch viele Kinder. Die verstehen uns manchmal besser als einige | |
| Erwachsene“, erzählt Freddy. | |
| Bis zur Entstehung des aktuellen Albums, das übrigens ausschließlich aus | |
| Liebesliedern besteht, hat die Band sowohl musikalisch als auch jeweils | |
| individuell einen erstaunlichen Weg zurückgelegt: Seit der offiziellen | |
| Gründung 2001 war die Band sieben Jahre lang bei einem Punklabel unter | |
| Vertrag. | |
| Sich ganz tief und ehrlich des Lebens erfreuen, das geht nur, wenn man | |
| genau das Gegenteil von dem tut, was das Schlagerklischee besagt. Statt | |
| Verdrängung, Weggucken oder Dagegen-Anrennen ist also Annehmen angesagt – | |
| in Wut, Trauer und Ohnmacht aufgehen, damit etwas Neues entstehen kann: | |
| Raum für die ganzheitliche gute Laune. Die Musik Freddy Fischers und seiner | |
| Band ist vieles, aber kein Schlager. | |
| Auch wenn die Anwendung solcher beinahe therapeutischen Konzepte wohl nur | |
| auf individueller Ebene funktioniert und sich so keine globalen | |
| Problemlagen lösen lassen, muss trotzdem gefeiert werden, um bei Kräften | |
| und bei Laune zu bleiben – und da ist es manchmal auch ganz egal, warum und | |
| wofür, Hauptsache, mit viel Glamour. Am Ende des Gesprächs resümiert Ron | |
| sehr zutreffend: „Letztlich geht es doch um den liebevollen Umgang | |
| miteinander.“ | |
| Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
| immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
| 4 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Annika Glunz | |
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