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# taz.de -- Oper nach Edgar Allan Poe in Hannover: Im inneren Gefängnis
> Den Schrecken stiftet immer die Vergangenheit: Philip Glass' Oper „Der
> Untergang des Hauses Usher“ wird in Hannover gespielt.
Bild: Gepeinigt von Gespenstern – oder doch einfach vergangenem Trauma? Peter…
Der Text ist ein Problem. Mit seinem „Untergang des Hauses Usher“ mag der
Fantastiker [1][Edgar Allan Poe] allerlei eigene stilistische Prinzipien
umgesetzt und Zutaten gestiftet haben, die das Genre bis heute bestimmen.
Aber die 1839 zuerst veröffentlichte Geschichte prägt gerade auch allerlei,
das nicht drin steht.
Arm wiederum ist sie an dramatisch einzusetzendem Personal: Ich-Erzähler,
Hausherr mit siecher Schwester – fertig. Nein, Moment: Den Arzt der Ushers
und einen Diener erwähnt Poe noch, aber da haben der marode Stammsitz und
die Sümpfe drumherum ja tragendere Rollen.
Daraus eine Oper machen, ausgerechnet? Doch, ja: [2][Claude Debussy hat
sich daran versucht], verstarb aber vor Fertigstellung; beziehungsweise,
dem Stoff angemessen: Er wurde begraben – war er aber auch tot?! Weiter
gekommen ist Jahrzehnte Später der zeitweise in Hamburg lehrende Manfred
Stahnke: Seine Poe verarbeitende mikrotonale Kammeroper wurde [3][1981
immerhin in Kiel uraufgeführt].
Wird der Niedergang der Ushers aber heute irgendwo gespielt und gesungen,
dann in Gestalt der [4][Kammeroper von Philip Glass, Musik, und Arthur
Yorinks, Libretto]. In dem Zweiakter hat der Erzähler einen Namen erhalten,
William. Die Nebenfiguren sind aufgewertet und überhaupt wird Fleisch
beigefügt, wo Poe Lücken gelassen hatte.
## Psychologisierende Lesart
[5][In Hannover nun] klärt Regisseurin Victoria Stevens die vielleicht
zentrale Frage – wie real ist das Geschehen – nicht abschließend. Das näh…
dem Ganzen aber auch gehörig Reiz. Zusammen mit Bühnenbildnerin Anna-Sofia
Kirsch entscheidet sie sich für eine Art psychologisierende Lesart.
Wichtiger als die Frage, ob Roderick Usher (Peter O’Reilly) nun überhaupt
eine Schwester (Petra Radulović) hat und ob diese lebendig begraben wurde,
ist: Was wurde Roderick einst Schlimmes angetan – und welche Rolle spielt
der fremd gewordene Freund William (Lluís Calvet i Pey) dabei?
Zentrales Bühnenelement ist ein weiß gerahmtes schwarzes Quadrat – ja, es
darf [6][an Kasimir Malewitsch gedacht] werden; es stellt sich als Abgrund
heraus, in den hinabgestiegen oder -gefallen werden kann, an dessen Rand
sich aber auch die Dauer einer inneren Gefangenschaft markieren lässt: mit
vertikalen und diagonalen Strichen.
Verzichtbar wäre der Versuch, auf Monitoren und im Hintergrund per Bild-
und auch mal Textfragment die inneren Vorgänge der Personen zu erklären:
Wer nicht einigermaßen kenntnisreich, was die Handlung angeht, ins Theater
kommt, den stellen diese Einsprengsel wohl vor allem vor noch mehr Rätsel.
Die [7][von Weitem erkennbare Glass’sche Minimal Music] in kleiner
Besetzung spielt ein konzentriertes Ensemble unter Leitung von Carlos
Vázquez. Beim Premierenpublikum brachte sie manchen Kopf zum Nicken – auch
kein selbstverständlicher Anblick bei Opernpublikum.
11 Nov 2022
## LINKS
[1] /Intelligenz-bei-Raben/!5427226
[2] https://www.deutschlandfunk.de/urauffuehrung-debussys-oper-usher-vollendet-…
[3] https://exhibits.stanford.edu/operadata/catalog/183-65125
[4] https://philipglass.com/compositions/fall_of_the_house_of_usher/
[5] /Oper-in-Hannover/!5853536
[6] /!5262598/
[7] /Alte-Musik-Fest-Friedenau/!5631796
## AUTOREN
Alexander Diehl
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