| # taz.de -- Regisseurin über Leonard-Cohen-Oper: „Wenig Material, fein gespo… | |
| > Musiktheater zu Gedichten von Leonard Cohen: Die Hamburger Regisseurin | |
| > Paula Rüdiger über ihre Aufführung von Philip Glass' „Book of Longing“. | |
| Bild: Talente kombiniert: Komponist Philip Glass (l.) und der Sänger, Musiker,… | |
| taz: Frau Rüdiger, warum eine Inszenierung des „Book of Longing“? Und warum | |
| jetzt? | |
| Paula Rüdiger: Mein Betreuer hat mir eine ähnliche Frage gestellt: Paula, | |
| es überrascht mich, dass du ein Stück inszenierst von zwei [1][alten weißen | |
| Männern]. | |
| Und doch? | |
| Ich finde „Book of Longing“ toll, weil es, obwohl von zwei alten weißen | |
| Männern gemacht, sich genau dessen sehr bewusst ist. Es lässt viele Lücken | |
| für andere Perspektiven und dafür, sich diesen Text anzueignen, damit | |
| umzugehen. Ich finde, dass es sogar aktiv dazu einlädt, dass auch Leute, | |
| die nicht Leonard Cohen oder Philip Glass sind … | |
| … die Autoren von Text beziehungsweise Musik … | |
| … sich diesen Text aneignen und sich damit identifizieren. Außerdem finde | |
| ich es schön, etwas mehr oder weniger Kontemporäres zu machen, also, im | |
| Vergleich zu Vielem, was zum Repertoire zählt. Ich hatte aber nicht die | |
| Möglichkeit, rein von der von der Größe des Projekts und den Möglichkeiten | |
| [2][der Hochschule] her, eine komplett eigene Oper zu schreiben. | |
| Jetzt könnte man natürlich sich leicht süffisant zurücklehnen und fragen: | |
| Ist das mit dem Aneignen, den Lücken auch, nicht eigentlich bei jedem Text | |
| gegeben? Inwiefern erschien Ihnen das so besonders ausgeprägt bei Cohens | |
| Gedichten und dem, was Glass dann [3][musiktheatral daraus macht]? | |
| Ich bin darauf gekommen, als ich mich mit Leonard Cohen beschäftigt habe. | |
| Da habe ich eine Biografie gelesen, in der dieses Werk erwähnt wurde, und | |
| ich hatte noch nie davon gehört. Und ich finde eben, dass bei Leonard | |
| Cohen, einer sehr vielschichtigen Figur als Künstler, gerade diese | |
| Einladung so fesselnd ist: die eigene Perspektive in seiner wiederzufinden | |
| – und umgekehrt. Ich glaube, das spricht zu sehr vielen Menschen. | |
| Als Dichter ist er hierzulande vergleichsweise unterbelichtet, ist mein | |
| Eindruck. Fürs deutsche, deutschsprachige Publikum ist er doch ein | |
| Singer-Songwriter, vielleicht im etwas weiteren Sinne. | |
| Je nachdem, in welchem Kreis man sich bewegt, ist der Name Leonard Cohen – | |
| oder auch Philip Glass – eine Hausnummer, wie man so schön sagt: Dann | |
| erwarten die Leute plötzlich etwas, aber sie sind halt auch erst mal | |
| interessiert. Und gleichzeitig ist es wahrscheinlich so, dass diese | |
| Erwartungen nicht unbedingt erfüllt werden, wenn man sich mit diesem Stück | |
| dann auseinandersetzt. Ich würde das gar nicht auf Deutschland beschränken. | |
| Ich glaube, dass insgesamt Leonard Cohens Bekanntheit nicht auf seiner | |
| schriftstellerischen Tätigkeit fußt – und das, wofür er am bekanntesten | |
| ist, wird oft gar nicht mit ihm in Verbindung gebracht: [4][„Hallelujah“] | |
| ist sein berühmtester Song, glaube ich – aber die wenigsten Menschen wissen | |
| doch, dass er von ihm ist. | |
| Philip Glass selbst hat gesagt, „The Book of Longing“ sei eine „Abkehr vom | |
| vergangenen Arbeiten“ gewesen. Würden Sie das bestätigen – ist daran etwas | |
| musikalisch neuartig für diesen Komponisten? | |
| Ich empfinde das Stück als einen Schritt sowohl noch weiter in Richtung | |
| bekannter Sachen, an die wir gewöhnt sind, also populärer Musik oder | |
| populärer klassischer Musik. Aber auch als einen Schritt genau davon wieder | |
| weg. Das war jetzt eine sehr sperrige Beschreibung. Für mich kommt der | |
| Ansatz eher von der populären Musik, die es im Moment gibt, als von der | |
| klassischen: Es hat eine Gesamtlänge von anderthalb Stunden, wir haben es | |
| etwas gekürzt für unser Projekt, auf etwa eine Stunde. Das könnte in etwa | |
| die Länge eines populären Albums sein. Philip Glass’ Minimal Music hat ja | |
| etwas sehr Repetitives – ohne wirklich immer dasselbe zu sein; mit | |
| bestimmten sehr klaren Ausbrüchen. Ich finde das Stück interessant, weil es | |
| sehr fein gesponnen ist, aus scheinbar wenig Material – das aber gerade | |
| dadurch dieses Material viel mehr en détail ansieht, und viel genauer. Wenn | |
| ich daran also ein bisschen ändere, was passiert dann mit dem gesamten | |
| Ding? | |
| Es gab 2007 eine erste kleine Tour, mit Glass selbst unter den | |
| Musizierenden. Da hatte das Stück eine bestimmte Reihenfolge, wie die Texte | |
| angeordnet waren, und es gab eine ganz bestimmte Besetzung. Machen Sie das | |
| jetzt genauso, nur etwas kürzer? Gehen Sie es in anderer Hinsicht frei an? | |
| Was ist da überhaupt erlaubt? | |
| Das ist eine spannende Frage. Ich habe überhaupt nichts gegen auch mal sehr | |
| große Änderungen an Stücken. Aber hier habe ich gar nicht so viel | |
| geändert; im Grunde tatsächlich nur gekürzt. Es gibt von damals, als das | |
| Stück herauskam, keine Filmaufnahmen zu erwerben oder zu finden. Das macht | |
| es schwierig, den theatralen Teil ganz genau einzuschätzen. Ich glaube | |
| aber, ich habe gerade da etwas ergänzt. | |
| Inwiefern? | |
| Es ist ein vertonter lyrischer Zyklus, für den ich mir nun eine Art | |
| Rollenfiguren und eine Art Geschichte ausgedacht habe. Sowohl der deutsche | |
| Verlag, wo man die Noten bekommt, als auch der Originalverlag mit Sitz in | |
| den USA, waren sehr kooperativ. Aber ich weiß nicht, wie weit es möglich | |
| gewesen wäre, daran noch größere Änderungen vorzunehmen. Ich musste | |
| begründen, warum ich überhaupt etwas kürzen will. Wenn ich musikalisch in | |
| einzelne Stücke hätte eingreifen wollen, hätte ich das alles mit meinem | |
| musikalischen Leiter zusammen vorab einreichen müssen; notieren und | |
| einreichen. Und das war zeitlich und arbeitstechnisch überhaupt nicht | |
| machbar. Aber ich bin nicht prinzipiell gegen oder für eine radikale | |
| Umstellung oder Änderungen von Repertoire-Stücken. Ich glaube, sie bieten | |
| eine große Chance – und man kann es genauso gut scheiße machen. Aber man | |
| kann es auch konventionell scheiße machen. | |
| 27 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
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