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# taz.de -- US-Rockcomedian auf Deutschlandtour: Rückkehr zu den Anfängen
> Der US-Rockcomedian Weird Al Yankovic hat schon Michael Jackson, Madonna
> und Lady Gaga persofliert. Nun tritt er erstmals in Deutschland auf.
Bild: Ganz ohne Parodie läuft bei ihm die Chose nicht: Weird Al Yankovic im Fe…
Gibt ein Mann ein Konzert … Es liegt nahe, sich an einem Witz zu versuchen
über einen, dessen Geschäft der Humor ist, seit Jahrzehnten. Und der nun,
eben, seinen Humor vielleicht ganz gut hat brauchen können: Als
US-Rockcomedian Weird Al Yankovic sein allererstes Konzert auf deutschem
Boden in der Hamburger Laeiszhalle gab, füllte sich der Saal nur zur
Hälfte. Und Yankovic? Blieb an diesem Donnerstag freundlich, auf eine
routinierte Weise, sicher. Aber ausnehmend freundlich.
Warum tut sich einer so was an? Yankovics Karriere begann ziemlich genau,
als der damals noch reine US-Musiksender MTV auf Sendung ging, in den
frühen 1980er Jahren. Das hieß 24 Stunden zu füllendes Programm täglich,
aber noch sehr wenig von dem, was man sich Content zu nennen angewöhnt hat.
Yankovic selbst sagt, er habe davon profitiert, dass der Musiksender
händeringend Videolips suchte. 1983 schaffte es Yankovic mit „Ricky“
erstmals in die Billboard-Charts, wenn auch nur auf Platz 63. Und das
dazugehörige Muiskvideo war vermutlich das erste komödiantische überhaupt.
Den Bubblegum-Popsong „Mickey“, mit dem ein Jahr zuvor die Sängerin,
Tänzerin und Choreografin Toni Basil kurz erfolgreich gewesen war, setzte
er im Stil der Sitcom „I Love Lucy“ in Szene; zwei Parodien auf einen
Streich also.
Eigentlich war damit schon ausformuliert, was den heute 63-jährigen Sohn
österreichisch-slowenisch- und italienischstämmiger Eltern die folgenden
Jahrzehnte lang sehr gut im Rockbiz hielt: das nie wirklich böse gemeinte
Aufskornnehmen maximal bekannter Vorlagen; und das Wissen: Wenn du heute
was verkaufen willst, brauchst du ein Video mit einer halbwegs guten Idee
dahinter.
## Akkordeon spielender Scherzkeks
Und verkauft hat er, spätestens nach „Eat It“ (1984), seiner Version
[1][von „Beat It“,] für die Michael Jackson selbst sein Okay gegeben hatte.
Bis heute, heißt es, holt Yankovic sich immer die Zustimmung derer ein, die
er parodiert. Nicht, weil er muss, sondern weil er es ethisch richtig
findet.
Jackson, den King of Pop, hat er sich gleich mehrfach vorgenommen, ferner
Madonna, James Brown, Queen, [2][Nirvana,] Coolio, die Red Hot Chili
Peppers, Lady Gaga und, und, und. Rund 150 Songparodien hat der studierte
Architekt verfertigt, etliche dürften heute bekannter sein als die damit
verhohnepipelten Originale.
Dass ein Akkordeon spielender Scherzkeks wie Yankovic kein One-Hit-Wonder
sein muss, das zumindest hat er klargestellt in gut 40 Jahren: 17 Goldene
und 15 Platin-Schallplatten listet sein Wikipedia-Eintrag und mehr als 12
Millionen verkaufter Alben.
Mit dem Repertoire wuchs auch der Aufwand bei seinen Konzerten:
Videotechnik und unzählige Kostüme mussten mit, es wurde „eine Riesenshow�…
Da ist die aktuelle Tournee geradezu eine Rückkehr zu den bescheideneren
Anfängen – umso dröhnender betitelt: „The Unfortunate Return of the
Ridiculously Self-Indulgent Ill-Advised Vanity Tour“. Statt in den ganz
großen Hallen und Stadien tritt er in erklärt intimen Rahmen auf: Yankovic,
auch mal am Akkordeon, dazu Gitarrist, Bassist, Keyboarder und
Schlagzeuger, mit denen er teils von Anfang an zusammenarbeitet.
## Grau gewordener Nerd
Da sitzen also fünf gesetzte Herren zwischen hochwertigem Musikgerät auf
der Bühne – in Hamburg zum Tourbeginn dann auch noch im eher nicht so
naheliegenden Ambiente: Diese sichtlich vertraut jammenden Dad-Typen rufen
doch nicht nach dem stuckverzierten Neobarock der Laeiszhalle; die noch
dazu daran erinnerte, wie mäßig nur sie sich für elektrisch Verstärktes
eignet.
Keine Lappalie bei einem wie Yankovic: Die Persiflage besorgt der ja
wesentlich über geänderten Textzeilen zur immer wieder beeindruckend
präzise Klischees reproduzierenden Musik. Da muss man ihn dann schon auch
verstehen können.
Überhaupt: Man würde dem US-Künstler wohl auch einen Abend beim Reden
zuhören, diesem alt gewordenen, gutmütigen Nerd. Der lange sein
Markenzeichen bildende Schnauzbart ist längst ab, aber vom Kopf baumeln
immer noch diese halblangen Minipli, und inzwischen erlaubt er sich auch zu
zeigen, wie grau sie werden. Yankovics allerbeste Zeiten mögen vorbei sein,
so wie es auf MTV kaum noch Musikvideos gibt.
Die alte Masche sei schwieriger geworden, hat er mal gesagt, auch weil es
immer seltener den einen ganz großen, überall verstandenen Welthit gibt.
Aber das lässt sich ja auch anders erzählen: Yankovic muss sich nicht mehr
sorgen um Relevanzbeweise. Er kann längst machen, wonach ihm der Sinn steht
– etwa selbst mitarbeiten am Drehbuch für Eric Appels Biopic-Parodie
„Weird“ (2022), die dieses Jahr auch endlich auf Deutsch herauskommen soll.
Die „Ill-Advised Vanity Tour“ war angekündigt worden mit den Worten, es
werde nicht die bekannten Hits anderer zu hören geben, sondern obskure
Eigenkompositionen. Aber wer, wenn nicht einer wie Weird Al Yankovic,
sollte darauf zählen können, dass sein Publikum ihm nachsieht, wenn auch
die gespielten Witze schon etwas grau geworden sind? Und bei allem etwaigen
Konzept: Ganz ohne Parodie musste auch niemand nach Hause gehen.
26 Feb 2023
## LINKS
[1] /Michael-Jackson-Ausstellung-in-Bonn/!5579555
[2] /Jubilaeum-von-Nirvanas-Nevermind/!5802940
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Musik
Madonna
Konzert
Michael Jackson
Hamburg
Musik
Weltraum
Reality-Show
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