# taz.de -- Ermittlungen zu Anis Amri: Helfer und Fluchtroute im Fokus | |
> Nach dem Tod des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri gibt es weiter offene | |
> Fragen über seine Fluchtroute und mögliche Helfer. | |
Bild: Anis Amri ist in Mailand erschossen worden. Er hatte bei einer Kontrolle … | |
BERLIN/TUNIS/ROM dpa | Die Ermittlungen nach dem Anschlag in Berlin laufen | |
auch an den Weihnachtsfeiertagen mit Hochdruck. Unter anderem soll geklärt | |
werden, ob der mutmaßliche Attentäter Anis Amri ein Unterstützernetzwerk, | |
Mitwisser oder Gehilfen hatte. Der 2015 nach Deutschland gekommene Tunesier | |
war nach Überzeugung der Ermittler der Mann, der am Montagabend in mit | |
einem gestohlenen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt gerast war. Dabei | |
starben 12 Menschen, 53 wurden teils lebensgefährlich verletzt. | |
Der 24-jährige Amri ist französischen Medieninformationen zufolge über Lyon | |
und Chambéry nach Italien gelangt, wo er am Freitag bei einem Schusswechsel | |
mit der Polizei getötet wurde. Der Terrorverdächtige habe am vergangenen | |
Donnerstag in Lyon das Bahnticket für Italien gekauft, berichtete die | |
Wochenzeitung Journal de Dimanche mit Verweis auf eine hochrangige Quelle | |
im Pariser Innenministerium. | |
Amri habe einen zweiten Fahrschein nach dem Umsteigen in Chambéry in einem | |
nach Mailand führenden Hochgeschwindigkeitszug in bar gelöst, ergänzte der | |
Radiosender Europe 1. Staatspräsident François Hollande sei am Donnerstag | |
ebenfalls in Chambéry in der Region Savoyen gewesen, um ein Krankenhaus | |
einzuweihen. Wegen dieses Besuches seien Kontrollen am Bahnhof nicht | |
vorrangig gewesen, so der Sender. Ermittler werteten Aufnahmen von | |
Überwachungskameras der Bahnhöfe Lyon Part-Dieu und Chambéry aus. Wie der | |
Terrorverdächtige nach Lyon kam, sei nicht bekannt. | |
In Tunesien haben Sicherheitskräfte am Samstag drei Männer festgenommen, | |
die mit dem mutmaßlichen Attentäter in Verbindung stehen sollen. Einer der | |
Verdächtigen sei der Neffe Amris, teilte das Innenministerium in Tunis mit. | |
Die Festgenommenen seien zwischen 18 und 27 Jahre alt. Der Neffe soll nach | |
Angaben tunesischer Sicherheitskräfte gestanden haben, dass er mit dem | |
mutmaßlichen Attentäter auf einem verschlüsselten Weg über eine | |
Nachrichtenapp in Kontakt gestanden habe. Sein Onkel habe gewollt, dass er | |
der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Treue schwöre. | |
## Der „Abu Al-Walaa Battalion“ | |
Der Neffe sagte dem Innenministerium zufolge ferner, dass Amri ihm Geld | |
geschickt hatte, damit er nach Deutschland kommen könnte, um sich dort | |
einer Gruppe anzuschließen, die Abu Al-Walaa Battalion heißt. Amri erzählte | |
demnach seinem Neffen, dass er ein Anführer dieser Gruppe sei. Der im | |
November festgenommene Abu Walaa gilt als salafistischer Chefideologe und | |
mutmaßlicher Unterstützer der Terrormiliz IS. | |
Das Ministerium in Tunis bezeichnete die drei Männer als eine Terrorzelle, | |
die Sicherheitskräfte bereits am Freitag nahe der Stadt Kairouan ausgehoben | |
hätten. In dieser Region lebt auch die Familie von Amri. Kairouan gilt als | |
Salafisten-Hochburg. | |
Angesichts des Terroranschlags haben hunderte Menschen in Tunesien gegen | |
die Rückführung von mutmaßlichen Extremisten in das nordafrikanische Land | |
protestiert. Die Demonstranten versammelten sich außerhalb des Parlaments | |
in der Hauptstadt Tunis, wie lokale Medien berichteten. Bilder zeigten | |
Menschen mit Plakaten, auf denen unter anderem „Nein zu Terrorismus“ stand. | |
Der Protest am Samstag wurde demnach von verschiedenen zivilen Gruppen | |
organisiert. | |
Die Opfer des Anschlags sind inzwischen identifiziert. Unter den Toten sind | |
laut Bundeskriminalamt sieben Deutsche sowie Menschen mit tschechischer, | |
ukrainischer, italienischer, israelischer sowie polnischer | |
Staatsangehörigkeit. | |
## Politiker fordern schärfere Gesetze | |
Die Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht wirft indes der | |
Bundesregierung vor, das Erstarken terroristischer Gruppen wie des IS | |
mitverantwortet zu haben. Seit 15 Jahren werde ein sogenannter „Krieg gegen | |
den Terror“ geführt, zuerst in Afghanistan, dann auch im Irak, in Libyen | |
und in Syrien. „Und die Bilanz all dieser Kriege ist, dass der | |
islamistische Terrorismus nicht geschwächt, sondern massiv verstärkt | |
wurde“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. | |
Weil Amri als abgelehnter Asylbewerber und „Gefährder“ aus dem Visier der | |
deutschen Behörden verschwunden war, kommen aus der Politik Rufe nach | |
schärferen Gesetzen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bestritt ein | |
allgemeines Versagen der Sicherheitsbehörden. „Es gibt bisher juristisch | |
keine ausreichende Möglichkeit, jeden dieser Gefährder rund um die Uhr | |
überwachen zu lassen“, sagte er der Bild am Sonntag. | |
De Maizière forderte eine schnellere Abschiebung von abgelehnten | |
Asylbewerbern nach Tunesien und in andere nordafrikanische Staaten. „Wären | |
die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft, würden | |
Asylverfahren auch bei Tunesiern schneller und einfacher verlaufen als | |
bisher“, sagte er. Der Minister forderte die Grünen auf, die Einstufung im | |
Bundesrat nicht weiter zu blockieren. Die NRW-Landesvorsitzende der Grünen, | |
Mona Neubaur, sagte dagegen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der Fall | |
Amri habe nichts mit dieser Debatte zu tun. | |
CSU-Chef Horst Seehofer will nach einem Wahlsieg im Herbst 2017 auf jeden | |
Fall eine Obergrenze für Asylbewerber einführen. Der bayerische | |
Ministerpräsident sagte der „Welt am Sonntag“: „Die Obergrenze kommt, f�… | |
den Fall dass wir regieren. Das gebe ich hier zu Protokoll.“ Die Begrenzung | |
sei Voraussetzung für Integration und Sicherheit. „Auch deswegen sind wir | |
für eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen im Jahr.“ Er forderte zugleich | |
Abkommen mit den Staaten Nordafrikas, um Asylbewerber zurückbringen zu | |
können. | |
Sicherheitsbehörden hatten Amri zuvor als „Gefährder“ zwar im Blick gehab… | |
Seine Abschiebung war aber gescheitert, weil er keinen Pass hatte. | |
Der CSU-Innenpolitiker Stefan Mayer setzte sich in der Passauer Neuen | |
Presse dafür ein, einen neuen Haftgrund zu schaffen für Ausreisepflichtige, | |
„von denen eine unmittelbare Gefahr ausgeht“. Grünen-Fraktionschef Anton | |
Hofreiter sagte dagegen der Saarbrücker Zeitung, im vorliegenden Fall gebe | |
es kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit. | |
25 Dec 2016 | |
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