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# taz.de -- Debatte um die innere Sicherheit: Abschiebehaft ist nicht die Lösu…
> Die Union möchte die Gründe für Abschiebehaft verschärfen. Im Fall Anis
> Amri hätte das aber wohl nichts genutzt.
Bild: Zelle im Abschiebegefängnis in Pforzheim
Karlsruhe taz | Hätte der Terrorakt von Berlin mit einer strengeren
Regelung zur Abschiebehaft verhindert werden können? Der CSU-Innenpolitiker
Stephan Meyer forderte am Wochenende einen neuen „Abschiebehaftgrund“, wenn
„eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt“. Im Fall Amri hätte
das aber wohl nichts genutzt.
Der aus Tunesien stammende mutmaßliche Attentäter kam als Asylbewerber nach
Deutschland, gab sich dabei aber als Ägypter aus. Da dies schnell auffiel,
wurde sein Asylantrag im Frühjahr 2016 als „offensichtlich unbegründet“
abgelehnt. Ab nun war Amri ausreisepflichtig und hätte im Falle einer
Weigerung abgeschoben werden können – unabhängig von seiner Gefährlichkeit.
Eine Abschiebung setzt allerdings voraus, dass das Herkunftsland den
Ausländer wieder aufnimmt. Das ist das zentrale Problem bei Abschiebungen
nach Nordafrika. Staaten wie Tunesien kooperieren hier kaum, auch wenn sie
völkerrechtlich dazu verpflichtet sind. Die Staaten haben offensichtlich
kein Interesse, die ausgewanderten jungen Männer, viele davon
Kleinkriminelle und Islamisten, wieder einreisen zu lassen. Leicht fällt
ihnen dies in Fällen wie von Anis Amri, der keine tunesischen Papiere bei
sich führte.
Deutschland tut sich schwer, Tunesien wirksam unter Druck zu setzen.
Schließlich ist Tunesien der letzte Staat in der Region, der noch halbwegs
stabil und demokratisch ist. Die Forderung, Tunesien als Druckmittel die
Entwicklungshilfe zu streichen, wird auch von Entwicklungsminister Gerd
Müller (CSU) abgelehnt: „Wenn wir Staaten die Hilfe streichen, kommen noch
mehr Menschen nach Deutschland“, warnte er Anfang 2016.
## Was soll De Maizières Vorschlag bringen?
Angesichts dieser Sachlage liegt eine Verschärfung der Abschiebehaft eben
nicht nahe. Abschiebehaft kann angeordnet werden, wenn die Gefahr besteht,
dass der ausreisepflichtige Ausländer untertaucht und so die Abschiebung
vereitelt. Bis zu sechs Monate Abschiebehaft kann schon heute angeordnet
werden, möglich ist die Verlängerung auf bis zu 18 Monate. Vorausgesetzt
ist aber, dass die Abschiebung grundsätzlich möglich ist. Deshalb wurde
Anis Amri bei seiner Festnahme in Friedrichshafen am 2. Juli nur drei Tage
in Abschiebehaft genommen. Dann ordnete das zuständige Ausländeramt Kleve
die Freilassung an. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Amri binnen drei
Monaten die für eine Abschiebung erforderlichen tunesischen Ersatzpapiere
erhalte.
CSU-Mann Meyer hat sich die Verschärfung der Abschiebehaft nicht selbst
ausgedacht. Er weiß, dass seit Oktober ein entsprechender Gesetzentwurf von
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf dem Tisch liegt. Dieser „Entwurf
eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, der der taz
vorliegt, stammt also aus der Zeit vor dem Berliner Anschlag. Danach soll
Abschiebehaft nicht nur verhängt werden können, wenn der Ausreisepflichtige
versucht hat unterzutauchen. Vielmehr soll es genügen, dass er
strafrechtlich verurteilt wurde oder eine „erhebliche Gefahr für die
öffentliche Sicherheit“ darstellt. Bei gefährlichen Ausländern bestehe ein
„besonders hohes öffentliches Interesse“, die Abschiebung sicherzustellen.
Aber auch hier, so die Begründung des Gesetzentwurfs, sei „sichergestellt,
dass die Neuregelung nur Anwendung findet, wenn zeitnah eine Abschiebung zu
erwarten ist.“ Es ist also zweifelhaft, was de Maizières Vorschlag bringen
soll, wenn, wie bei Tunesiern, das Heimatland nicht kooperiert. Im Fall
Amri kommt noch hinzu, dass sich dieser zwar im Nachhinein als enorm
gefährlich entpuppte. Als er im Sommer aber ein halbes Jahr überwacht
wurde, ergaben sich keinerlei Hinweise auf Attentatsvorbereitungen. Richter
hätten ihn da wohl kaum als „erhebliche Gefahr“ eingestuft.
Der Gesetzentwurf des Innenministers ging am 7. Oktober in die
Ressortabstimmung, die noch nicht beendet ist. Es geht bei dem
Gesetzes-Projekt unter anderem auch um die Einführung einer Duldung zweiter
Klasse für solche Ausreisepflichtige, die die Behörden getäuscht haben. Die
SPD überlegt noch, ob sie mitmacht und wie man einen potenziellen
Gefährder, den man nur schwer abschieben kann, bis dahin wirkungsvoll
überwacht.
26 Dec 2016
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Thomas de Maizière
Abschiebung
Sicherheitsgesetz
Schwerpunkt Flucht
Anschläge
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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