| # taz.de -- Terrorbekämpfung in Europa: Römische Lektionen | |
| > Italien blieb von größeren dschihadistischen Attacken verschont. Ist das | |
| > Glück strukturell bedingt – oder können andere Länder sich was abschauen? | |
| Bild: Das Herz der katholischen Kirche, der Vatikan, ist für den IS durchaus e… | |
| Rom taz | Schockierend für Italien war die Fotomontage, die im Oktober 2014 | |
| auf dem Titelblatt des IS-Magazins Dabiq zu sehen war. Da wehte die | |
| schwarze Fahne des „Islamischen Staates“ auf jenem großen Obelisken, der | |
| vor dem Petersdom mitten auf dem Platz steht, versehen mit der Schlagzeile | |
| „The failed crusade“ – „Der gescheiterte Kreuzzug“. | |
| Seither wähnt sich auch Italien im Fadenkreuz des islamistischen | |
| Terrorismus, und in der Tat hat ja gerade Rom, die Hauptstadt nicht bloß | |
| des Landes, sondern auch des Weltkatholizismus, höchsten symbolischen Wert. | |
| „Rom erobern und mit Allahs Erlaubnis die Kreuze zerbrechen“ war, so ein | |
| Sprecher des IS, das Ziel. | |
| Doch anders als Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland oder | |
| Belgien erlebte Italien in den letzten Jahren keinen einzigen Anschlag des | |
| IS oder vorher al-Qaidas mit Todesopfern. Ist das pures Glück – oder gibt | |
| es tiefere Gründe? In Roms Kaffeebars erfreut sich eine ebenso einfache wie | |
| krude Erklärung einer gewissen Beliebtheit; immer wieder hört man die | |
| Theorie, Italiens Regierung zahle heimlich Schutzgeld an den „Islamischen | |
| Staat“, damit Italien verschont bleibe. Eine solche Praxis hatte es früher | |
| gegeben – gegenüber den Palästinensern. Dafür, dass sie sich heute | |
| wiederholt, fehlt allerdings jeder Beleg. | |
| Terrorismusexperten halten andere Faktoren für zentral. Dschihadistische | |
| Zellen waren in Italien schon seit den 90er Jahren präsent, die wichtigste | |
| von ihnen war das Istituto Islamico in der Viale Jenner in Mailand. Die | |
| US-Dienste stuften das Institut als „wichtigste Al-Qaida-Zelle in Europa“ | |
| ein (und entführten im Jahr 2003 den Imam Abu Omar nach Ägypten). Kämpfer | |
| für den Krieg in Bosnien wurden hier rekrutiert, falsche Pässe fabriziert, | |
| Geld für den Dschihad gesammelt. Doch Zellen, die in Italien selbst aktiv | |
| werden wollten, fanden sich auch dort nicht. | |
| ## Für die italienische Polizei genügt ein Anfangsverdacht | |
| Das liege vorneweg daran, dass Italien zwar gut eine Million Muslime unter | |
| den Immigranten zähle, glauben die Kenner aus den Sicherheitsapparaten, | |
| dass angesichts der gegenüber Frankreich oder Großbritannien später | |
| eingesetzten Immigration aber noch eine von Wut, Hass, Enttäuschung | |
| geprägte zweite oder dritte Generation fehle. Ebenso fehlen die klassischen | |
| Einwandergettos. | |
| Dennoch spielt Italien in den Biografien diverser in Europa aktiver | |
| Attentäter eine Rolle. So saß Anis Amri, der Täter von Berlin, fast vier | |
| Jahre auf Sizilien in Haft, so flüchtete er sich nach dem Anschlag auch | |
| wieder nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde. Und so war | |
| auch einer der Attentäter von London aus Italien nach England gekommen. | |
| Gern wird auf die Arbeit von Polizei und Geheimdiensten verwiesen. Die | |
| haben einen gut sortierten Instrumentenkasten zur Verfügung. Beim | |
| Terrorismus reicht ein bloßer Anfangsverdacht – und die betroffenen | |
| Personen können am Telefon ebenso wie in ihren Wohnungen oder Autos | |
| abgehört werden. Der Londoner Attentäter zum Beispiel war den britischen | |
| Behörden von ihren italienischen Kollegen signalisiert worden. | |
| Und wer in Mailand, in Palermo oder Parma auffällig wird, muss damit | |
| rechnen, trotz mangelnder Beweise als Gefährder abgeschoben zu werden: | |
| Allein seit Jahresbeginn wurden 135 dschihadistischer Sympathien | |
| Verdächtige so außer Landes geschafft. | |
| Doch Italiens Innenminister Marco Minniti will die Bürger des Landes nicht | |
| in womöglich falscher Sicherheit wiegen. Kennzeichen des islamistischen | |
| Terrorismus der letzten Monate sei es, das er mittlerweile „völlig | |
| unvorhersehbar“ geworden sei, so Minniti. | |
| 29 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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