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# taz.de -- Tiefgang setzt sich durch: Bald buddeln die Bagger
> Eine Genehmigung der Elbvertiefung ist nach der Verhandlung vor dem
> Bundesverwaltungsgericht wahrscheinlich.
Bild: Der Protest gegen die Elbvertiefung hat die Bundesverwaltungsrichter kaum…
LEIPZIG taz | „Ich bin in meinen Erwartungen voll bestätigt worden“, so
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch direkt nach dem Ende der
dreitägigen Juristenschlacht von Leipzig vor der 7. Kammer des
Bundesverwaltungsgerichts. Zu einer Urteilsprognose wollte sich Horch
freilich nicht hinreißen lassen. Auch die Umweltverbände Nabu und BUND
äußerten Zufriedenheit. „Wir haben deutlich machen können“, so Nabu-Chef
Alexander Porschke, „dass Hamburg und der Bund die Auswirkungen auf den
Tidehub drastisch unterschätzen. Das Vorhaben muss deshalb untersagt
werden.“
Hoffnung dafür schöpft Porschke aus dem „beschämend schlechten Auftritt der
Beklagten“. Schlecht vorbereitet auf den schon vor Wochen verschickten
Fragenkatalog des Gerichts machten die Vertreter von Bund und Stadt
zunächst eine denkbar schlechte Figur. So hatten sie das seit Jahren
überfällige Verfahren zur Kontrolle der Schiffsgeschwindigkeit nicht an
Bord, fanden ihre Wasserexperten erst mit vierstündiger Verspätung den Weg
ins Gericht. Klägeranwalt Rüdiger Nebelsieck hatte deshalb zunächst
leichtes Spiel.
Fassungs- und fast sprachlos reagierten die Vertiefungsfreunde auf seinen
Coup, ein überaus gewagtes Gutachten des Wasserbauspezis Professor Ulrich
Zanke aus dem Hut zu zaubern, welches die wichtigste Grundlage des
Projekts, die tidedämpfende Wirkung der drei großen Unterwasserschlickwälle
in der Elbmündung in Frage stellt. Laut Zankes Modell vermindern sich die
positiven Wirkungen dieser Wälle im Lauf der Zeit ganz erheblich. In einer
Nachtsitzung gebrieft von den Wasserbauxeperten des Bundes konnte Anwalt
Wolfgang Ewer erst am Dienstagmorgen kontern: Das Modell sei solide
empirisch unterfüttert und habe sich bereits bei der letzten Elbvertiefung
nachweislich bewährt – Zankes Methoden aber seien spekulativ und ungenau.
Vor allem aber, so betonte Bundesrichter Nolte abschließend, prüfe das
Gericht nicht, ob andere Modelle andere Ergebnisse liefern können, sondern
allein, ob die Prognose des Bundes fachgerecht abgeleitet sei. Dies war nur
eines von vielen Indizien, aus denen kundige Prozessbeobachter
schlussfolgern, dass die Elbvertiefung am 9. Februar 2017 grünes Licht
bekommt. Mit Auflagen, versteht sich, die aber den Start des Projekts nicht
unbedingt verzögern.
Es handelt sich wahrscheinlich um lösbare Aufgaben wie den Nachweis eines
Kontrollsystems für die Geschwindigkeitsbegrenzung von Containerschiffen
oder die Recherche, wann die Finte, ein Fisch aus der Heringsfamilie,
tatsächlich laicht. Mit der Elbvertiefung könnte so vielleicht schon Ende
2017 begonnen werden. 30 Zentimeter mehr Tiefgang stünden dann im Lauf des
Jahres 2018 zu Verfügung, Ende 2019 wäre die Vertiefung abgeschlossen.
Die ebenso eloquenten Attacken Nebelsiecks könnten ihr Ziel verfehlt haben.
Seine ständigen Ausflüge ins Grundsätzliche gingen am Thema vorbei. Warum,
das hatte Nolte bereits in seinem Eröffnungsstatement erläutert: Schon vor
zweieinhalb Jahren hatte das Gericht die Elbvertiefung für im Grundsatz
genehmigungsfähig erklärt, weil es die Voraussetzungen für eine
Ausnahmegenehmigung trotz einer Beeinträchtigung von
Flora-Fauna-Habitat-Gebieten gegeben sah. In den Tagen von Leipzig ging es
jetzt neben einigen Nachbesserungen des alten Planfeststellungsbeschlusses
im Kern um die Frage, ob das Projekt die Hürde der vom Europäischen
Gerichtshof inzwischen präzisierten Wasserrahmenrichtlinie passieren kann.
Im Fokus der Taktik der Projektbefürworter stand deshalb vor allem Nolte.
Er sollte freundlich, dezent und rückhaltend überzeugt werden. Ob das
gelang, verriet Nolte zwar nicht direkt. Der Ablauf des
Frage-Antwort-Spiels legt dies jedoch nahe.
So konnte Vertiefungs-Anwalt Wolfgang Ewer am Schlusstag noch einmal
mächtig aufdrehen: Das Gericht, so belehrte er seinen Kontrahenten
Nebelsieck, ersetze nicht die Planungshoheit und die Gestaltungsspielräume
der demokratisch legitimierten Behörden. Es prüfe lediglich, ob diese
angemessen und sachgerecht vorgegangen seien. So spricht viel dafür, dass
Hamburg am Ende erneut eine aus Sicht der Wirtschafts- und Hafenelite
existenzielle juristische Schlacht gewinnt. Wie anno 1265, als eine
gefälschte Urkunde herhalten musste, um der Stadt den zollfreien Verkehr
auf der Elbe bis zur Mündung zu garantieren.
Sollte es so kommen, hat sich der Widerstand der Umweltverbände dennoch
gelohnt, wie Manfred Braasch vom BUND betont: Viele Verbesserungen und
Auflagen konnten durchgesetzt werden. Jörg Osterwald, Chefplaner des
Projekts, geht noch einen Schritt weiter: Für ihn dokumentiert das neue
integrierte Strombaukonzept, bei dem Baggergut in der Elbe und ihrem
Mündungsgebiet gezielt für ökologische Verbesserungen und eine erfolgreiche
Bremse gegen Sturmflutrisiken eingesetzt wird, einen grundlegenden
Kurswechsel des menschlichen Eingriffs.
Die eigentlichen Themen zum Schutz der Elbe warten aber noch, wie Rüdiger
Nebelsieck in seinem Schlussplädoyer mahnte: Rückdeichungsprojekte zum
Beispiel in der Haseldorfer Marsch und im Kehdinger Bogen, neue
Überflutungsgebiete und die Wiederöffnung von Elbezuflüssen. Dann, so seine
Hoffnung, könnte eines Tages die Tideelbe einen Teil jener Lebendigkeit
zurückgewinnen, die sie in den letzten 200 Jahren verloren hat.
21 Dec 2016
## AUTOREN
Florian Marten
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Elbe
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