| # taz.de -- Flüchtlingsunterbringung in Berlin: Hilfe aus Hamburg | |
| > Bei der Unterbringung Geflüchteter soll dem Berliner Senat die Hansestadt | |
| > helfen. Deren landeseigener Heimbetreiber war allerdings auch überfordert | |
| > gewesen. | |
| Bild: Geflüchtete übernachten im September 2015 in einem Parkhaus nahe der Re… | |
| Um die Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen und anderen | |
| Notunterkünften endlich zu beenden, will Berlin künftig die Hilfe eines | |
| landeseigenen Unternehmens in Anspruch nehmen. Allerdings keins in Berliner | |
| Besitz: Die Hamburger Betreiberin von Flüchtlingsunterkünften „Fördern und | |
| Wohnen“ (F & W) soll Heime in Berlin übernehmen. | |
| Diesen Vorschlag hatten die neue Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) | |
| und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) am Dienstag bei der ersten | |
| Sitzung des rot-rot-grünen Senats eingebracht. Die | |
| SPD-CDU-Vorgängerregierung war daran gescheitert, Geflüchtete gesetzlichen | |
| Vorgaben entsprechend unterzubringen. Sie sollen demnach eigentlich | |
| höchstens drei Monate in einer Not- oder Erstaufnahme verbringen und | |
| anschließend in eine Gemeinschaftsunterkunft mit Privatsphäre und | |
| Selbstversorgung oder eine Wohnung umziehen. | |
| Doch von den gut 50.000 Asylsuchenden, die 2015 nach Berlin kamen, leben | |
| noch immer mehr als 20.000 in Notunterkünften, fast 3.000 davon in | |
| Turnhallen. Letztere wolle sie möglichst bis Jahresende besser | |
| unterbringen, sagte Breitenbach nach der Senatssitzung. Mit F & W sei | |
| bereits Kontakt aufgenommen worden, es bestehe dort „Bereitschaft zur | |
| Zusammenarbeit“, heißt es vonseiten des Senats. | |
| Dabei hat sich das landeseigene Unternehmen in Deutschlands zweitgrößtem | |
| Stadtstaat angesichts der hohen Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr auch | |
| nicht mit Ruhm bekleckert. Gut 30.000 Geflüchtete nahm die Hansestadt 2015 | |
| auf. Wie auch in Berlin waren das Land und seine Betreiberfirma auf die | |
| große Nachfrage nach Unterkünften völlig unvorbereitet. Mindeststandards | |
| der Unterbringung gingen über Bord. „Im Moment kann unser Anspruch nur | |
| sein, Obdachlosigkeit zu vermeiden“, sagte Ende 2015 der Sprecher der | |
| Hamburger Innenbehörde, die für Erstunterkünfte zuständig ist. | |
| Und selbst das gelang nicht immer: Wie in Berlin mussten Geflüchtete vor | |
| der Zentralen Erstaufnahme im Freien übernachten. Tausende wurden in | |
| Messehallen und leerstehenden Baumärkten untergebracht. Und wie in Berlin | |
| musste auch in Hamburg die Zivilgesellschaft auffangen, was der eigentlich | |
| zuständigen städtischen Unterkunftsbetreiberin nicht mehr gelang: Hunderte | |
| Ehrenamtliche organisierten Kleidung und Hygieneartikel und halfen beim | |
| Bezug der Unterkünfte. | |
| Im Oktober 2015 schrieben Führungskräfte von F & W einen Brandbrief, in dem | |
| sie der Unternehmensleitung Konzeptlosigkeit vorwarfen und die untragbaren | |
| Zustände „selbst verschuldet“ nannten: „In unseren Unterkünften leben | |
| Tausende zum Teil schon seit Jahren, die längst Wohnungen hätten beziehen | |
| können“, hieß es darin. Bei den MitarbeiterInnen hatten sich 2.000 | |
| Überstunden angesammelt, sechs Angestellte stellten Überlastungsanzeigen. | |
| Aber F & W ist auch mit ihren Aufgaben gewachsen. 2007 war das Unternehmen | |
| mit 600 MitarbeiterInnen gestartet, heute sind es 1.600. Die meisten | |
| Baumärkte sind inzwischen leer, nur in einer Industriehalle wohnen noch 100 | |
| Menschen. Der Großteil der Geflüchteten in Hamburg lebt mittlerweile in | |
| Gemeinschaftsunterkünften, viele davon Containerdörfer. | |
| In Berlin sei die Wahl auf die Hamburger Firma zum einen gefallen, weil | |
| nicht viele Länder eigene Betreiberfirmen hätten. Zum Zweiten habe F & W | |
| Erfahrungen mit der speziellen Situation eines Stadtstaates, so die | |
| Pressestelle der Senatsverwaltung für Finanzen. | |
| Der Vorteil des landeseigenen Betreibers: gebündelte Zuständigkeit bei der | |
| Flüchtlingsunterbringung. Zudem sind Landesunternehmen anders als private | |
| schnell einsetzbar, weil zuvor kein europaweites Vergabeverfahren | |
| durchgeführt werden muss, erklärt die Sprecherin des Hamburger | |
| Koordinierungsstabs Flüchtlinge, Kerstin Graupner. In Berlin war im | |
| November die Belegung fertiger Containerdörfer gescheitert, weil abgelehnte | |
| Betreiberfirmen gegen das fehlerhafte Vergabeverfahren geklagt hatten. | |
| Deshalb soll die Hilfe aus Hamburg in Berlin ein Zwischenschritt sein. Über | |
| die Gründung eines eigenen Landesbetriebs werde nachgedacht, heißt es aus | |
| der Pressestelle der Senatsverwaltung für Finanzen auf taz-Anfrage. Dieser | |
| solle dann wie F & W auch „Sonderwohnformen“ für andere Wohnungslose | |
| anbieten – und der überforderten Verwaltung künftig komplizierte und | |
| langwierige Vergabeverfahren ersparen. | |
| 18 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
| Alke Wierth | |
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