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# taz.de -- Europäischer Filmpreis für Maren Ade: Vater, Tochter und die Glob…
> In Wrocław erhielt Maren Ade für „Toni Erdmann“ als erste weibliche
> Regisseurin den Europäischen Filmpreis. Der Film gewann in fünf
> Kategorien.
Bild: Maren Ade erhält den Europäischen Filmpreis als beste Regisseurin für …
Geh duschen, Europa! Dein nationalistischer Schweiß stinkt. Klare Worte in
der Begrüßungsrede des Bürgermeisters von Wrocław, Rafał Dulkiewicz.
Wenn sich die TeilnehmerInnen bei der Verleihung der europäischen
Filmpreise am Samstag in der polnischen Kulturhauptstadt über eine Sache
einig waren, dann über ihre Haltung: Wir gehören zusammen, nicht nur
kulturell. Also lasst die Grenzen auf und die Menschen rein!
Selten sind Galas in der Unterhaltungsbranche so eindeutig: Kaum jemanden
gab es auf der Bühne im Neuen Musikforum, der zwischen Lobes- und
Dankesreden nicht seine Angst vor dem Rechtsruck formulierte.
Die meisten Dankesreden hatte allerdings nur eine einzige Filmcrew zu
halten, die aus dem Land kam, in dem der Europäische Filmpreis vor 29
Jahren ins Leben gerufen wurde. Maren Ades Tragikomödie „Toni Erdmann“
gewann die namenlose Trophäe in den Kategorien „Beste Schauspielerin“
(Sandra Hüller), „Bester Schauspieler“ (Peter Simonischek), „Bestes
Drehbuch“, „Beste Regie“ und den Hauptpreis „Europäischer Film“.
Auf die penetrant-komische, auf den Punkt inszenierte
Vater-Tochter-Annäherung, die im Hintergrund elegant Themen wie
Globalisierung und Arbeitsnomadentum abhandelt, konnten sich die 3.200
Mitglieder der Europäischen Filmakademie anscheinend mühelos einigen.
## Maren Ade war überrascht
„Ich habe versucht, einen Film zu machen, der genügend Raum lässt, sodass
jeder mit der Geschichte interagieren kann“, sagte Ade, deren Drama „Alle
Anderen“ vor sieben Jahren den Silbernen Regie-Bären der Berlinale gewonnen
hatte, vorher im Interview. Aber sie sei selbst überrascht, „dass er für so
viele unterschiedliche Nationen funktioniert, weil Familien doch auch sehr
unterschiedlich sind.“
Bei fünf Preisen für eine Produktion blieb nicht mehr viel übrig für andere
großartige Filme wie „Elle“ vom nächstjährigen Berlinale-Jury-Präsident…
Paul Verhoeven oder für Tomasz Wasilewskis entfärbtes
Begehren-und-Versagen-Drama „United States of Love“.
Und leider auch nicht für das ebenfalls zum „Europäischen Film 2016“
nominierte mitreißende Sozialdrama „I, Daniel Blake“ von Ken Loach, dem
einzigen inhaltlich wirklich durchgehend politischen Werk unter der
Nominierungen.
Die Agitation zieht sich durch die Arbeit des 72-Jährigen: Loach hatte am
Vorabend der Verleihung in Wrocław eine Keynote zum Thema Brexit gehalten,
für deren Verve, Brillanz und Emotionalität man ihn eigentlich direkt ins
Europaparlament wählen müsste.
Minutiös hatte Loach zusammengefasst, wieso sich die Linke bei ihrer
Entscheidung in einem Dilemma befand und wer was vom Ausstieg hatte oder zu
haben glaubte.
„Wenn der freie Kapitalverkehr weiterhin die EU unterstützt, heißt das in
der Realität, dass Fabriken in einem Land schließen und das Geld dort
investiert wird, wo Arbeit billig ist.“ Loach unterstrich seine Erklärungen
mit Erfahrungen aus seinen Recherchen, die er gemeinsam mit seinem
Drehbuchautor Paul Laverty vorgenommen hatte.
## Filme mit politisch relevanten Inhalten
So berichtete der Regisseur von Arbeiterinnen aus den Balkanländern, die im
Süden Englands in einer Fabrik schuften und die Kosten sowohl für den Weg
dorthin als auch für ihre spartanische Unterkunft (sechs Menschen in einem
Raum) vom Lohn abziehen müssen.
Ihre Lohntüten sind aber so spärlich gefüllt, dass die Einheimischen sich
trotz extrem hoher Arbeitslosenquote in der Region weigern, den Job zu
machen.
„Keiner sollte aus seiner Heimat wegmüssen, um zu arbeiten“, sagte Loach
und schloss seine Rede mit flammenden Aufrufen zu Filmen mit politisch
relevanten Inhalten – und dazu, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
„Aber wir Filmproduzenten“, gab direkt darauf eine Zuhörerin selbstkritisch
zu bedenken, „wir produzieren doch auch immer dort, wo es am billigsten
ist!“
Das Problem, vor dem die EU steht, scheint unlösbar – die Filmpreise, die
sich zumindest bemühen, sich bei aller Diversität auf eine gemeinsame,
friedliche Sprache zu einigen, können es dann doch nur bebildern.
In der Kategorie „Europäische Komödie“, auf der der Filmpreis weiterhin im
Unterschied zum ernsten „Film“ besteht (und in der auch David Wnendts
Hitler-Satire „Er ist wieder da“ nominiert war) ging der Preis an „Ein Ma…
namens Ove“ – ein höchst amüsant gespieltes, aber dramaturgisch enorm
vorhersehbares kleines Possenspiel um einen knarzigen alten Mann, der durch
„Fremde“ im Nachbarschaftskiez aus seiner Isolation geholt wird – immerhin
ist das Überthema „Wir und die“ auch damit wieder getroffen.
Auch Jules Herrmann, die für ihr flirrendes, mysteriöses Krimigeheimnis
„Liebmann“ auf den Preis für die „European Discovery“ gehofft hatte, g…
nur mit den Erfahrungen einer fruchtbaren paneuropäischen Konkurrenz nach
Hause.
Und damit, den chevaleresken Pierce Brosnan erlebt zu haben, dessen
Lebenspreis für „European Achievement in World Cinema“ vielleicht nicht auf
den allerersten Blick einleuchtete – Remington Steel? Europa? Hä? –, aber
eigentlich wunderbar ist: Im Clip, der seine Arbeit zusammenfasste, flogen
natürlich Bond-Autos durch die Gegend, wurden Feinde verprügelt und Gadgets
getestet. Denn das ist ebenfalls Europa: Es kann auch hirnlose Action.
11 Dec 2016
## AUTOREN
Jenni Zylka
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