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# taz.de -- Berlin und „Toni Erdmann“: Ernst Lubitschs Rückkehr
> Am Sonntag wird Schauspieler Peter Simonischek für seine Rolle in Maren
> Ades Film „Toni Erdmann“ mit dem Ernst-Lubitsch-Preis geehrt.
Bild: Das Filmteam von „Toni Erdmann“ bei den Golden Globe Awards im Januar…
Als der Berliner Regisseur Ernst Lubitsch ein halbes Jahr vor seinem Tod im
Jahr 1947 den Ehrenoscar für seine innovative Regie und sein Lebenswerk
bekam, da wirkte das vor allem wie eine Entschuldigung. Lubitsch war
bereits todkrank. Seine elegant respektlosen Komödien, für die er vor allem
nach seiner Emigration nach Amerika 1922 berühmt geworden war, hatten dort
die Sittenwächter auf den Plan gerufen. Sie waren deshalb wahrscheinlich
auch der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die die Oscars
verleiht, eher suspekt gewesen.
Insofern ist es absolut folgerichtig, dass an diesem Sonntag Peter
Simonischek für seine Darstellung des „kauzigen Klavierlehrers“ in Maren
Ades sogenannter Tragikomödie „Toni Erdmann“ im Babylon-Kino mit dem
Ernst-Lubitsch-Preis geehrt wird. Es ist, als wolle man in Berlin der
Academy eine Empfehlung geben, denn demnächst könnte „Toni Erdmann“, der
2016 überall für Furore sorgte, den Oscar für den besten fremdsprachigen
Film gewinnen.
Die Empfehlung könnte lauten: Der Humor im deutschen Film ist so schwierig
wie sein Ruf. Allzu oft beschränkt er sich darauf, Schenkel klopfend um
Einverständnis zu buhlen. „Toni Erdmann“ ist die erfrischende Ausnahme. Der
Humor dieses Films ist komplex – immer, wenn man lachen kann, könnte man
ebenso gut weinen. Humor hat hier die verschiedensten Funktionen und
irritiert maximal.
Denn Winfried, der melancholische Klavierlehrer in „Toni Erdmann“, ist ein
Altachtundsechziger. Seine karrieregeile Tochter Ines bewegt sich überaus
geschmeidig in der manchmal ganz schön anarchischen, manchmal aber auch
gnadenlos erbärmlichen Welt der Unternehmensberatung. Also versucht er, sie
mit allerlei Scherzen aus der Bahn zu schubsen – also zum Beispiel zurück,
auf seine Seite. Zu diesem Zweck verkleidet er sich auch als Toni Erdmann,
als furzender Geschäftsmann mit schiefen Zähnen.
## Berliner Schule erforscht Alltag
Oder, in den Worten Maren Ades in einem Interview: „Mal nutzt er seinen
Humor, mal flüchtet er sich mit Humor aus einer Situation, mal versucht er,
sie aufzulockern, mal ist es ein Angriff.“ So etwas gut zu spielen, also
so, dass es nie ins Banale kippt, dafür hat Peter Simonischek den Preis
mehr als verdient. Aber „Toni Erdmann“ spielt meist in Bukarest, Peter
Simonischek ist Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Was hat „Toni
Erdmann“ also mit Berlin zu tun?
Mehr, als es auf den ersten Blick scheint: Maren Ade, die Regisseurin, wird
oft zur Berliner Schule gerechnet – einer Gruppe von jungen deutschen
Filmemachern, bei denen es nicht um spektakuläre Geschichten geht. Meist
geht es eher um die Verzweiflung von Menschen in den Dreißigern beim Kampf
um ihr persönliches Glück, um eine Ankunft – eine Art Selbstgewissheit, die
sie von den Eltern her kennen, die ihrer Generation aber auch von der
Gesellschaft nicht mehr zugestanden wird. Um dies zu erzählen, erforscht
die Berliner Schule vor allem die alltäglichen Szenarien, in denen sich
diese Menschen bewegen.
Hinzu kommt das: Maren Ade ist Teil der Berliner Produktionsfirma
Komplizen Film, deren Macher in Interviews betonen, das Filmbusiness
familienfreundlicher gestalten zu wollen, trotz der Erfolge weiterhin
„Einkäufe hochzutragen und Wäsche zu waschen“, so Ade.
## Sieben Jahre Recherche
Es geht Maren Ade und den Leuten um sie herum also darum, den Kontakt zur
Welt, die sie beschreiben, nicht zu verlieren. Sie wollen nicht wie diese
großen Regiestars werden, die irgendwann nur noch Filme über sich selbst
machen können, weil sie keinen blassen Dunst mehr haben von der
Wirklichkeit außerhalb von Filmsets und Schneideräumen.
Maren Ade hat für „Toni Erdmann“ sieben Jahre gebraucht. Sie hat ewig
recherchiert. Manche Szenen soll sie 40-mal gedreht haben, bis sie endlich
genau genug waren. Für so etwas braucht man viel Alltagsbeobachtung,
Lebensnähe, Erdung. Und viel Muße.
Erdung und Muße – die findet man in Berlin immer noch mehr als in den
meisten großen Städten dieser Welt.
28 Jan 2017
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Toni Erdmann
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Filmpreis
Toni Erdmann
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