Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der Deutsche Filmpreis und die Frauen: Kein einziger Til-Schweiger-…
> Bei der 67. Verleihung des Deutschen Filmpreises nahmen drei
> Regisseurinnen die bronzene, die silberne und die goldene Lola entgegen.
Bild: Produzentin Bettina Brokemper (l.) und Regisseurin Nicolette Krebitz mit …
Solange die Präsidentin der Filmakademie in ihrer Eröffnungsrede das Wort
„Gender“ mit einem weichen G wie in „Gegensatz“ ausspricht, so lange wi…
man es wohl noch erwähnen müssen: Bei der 67. Verleihung des Deutschen
Filmpreises haben drei Regisseurinnen die bronzene, die silberne und die
goldene Lola für den Besten Spielfilm mit nach Hause genommen.
Was nicht heißen muss, dass die Frage nach Gendergleichheit hiermit
beantwortet und gegessen wäre. Aber es ist ein Anfang: Nicolette Krebitz,
deren Lupus-Lovestory „Wild“ ebenso ist, nämlich wild und frei, freut sich
über Bronze, Anne Zohra Berrached über Silber für ihr Spätabtreibungsdrama
„24 Wochen“, und Maren Ade wird für drei goldene Lolas (zwei weitere für
Drehbuch und Regie) schon noch ein Plätzchen im überfüllten
Statuettenschränkchen finden.
Sechs Mal wurde Ades „Toni Erdmann“ im Ganzen ausgezeichnet. Dass dagegen
„Die Blumen von gestern“, Chris Kraus’ ebenfalls mehrfach nominiertes Werk
über die Liebe zwischen einem nicht nur passiv-aggressiven, verbiesterten
Holocaustforscher, der mit seiner Arbeit das großväterliche Nazi-Erbe zu
verarbeiten sucht, und einer energetischen, mit gesundem Humor gesegneten
Opfer-Enkelin, leer ausging, liegt eventuell an den Schwierigkeiten des
komplexen Themas: Eine Komödie über einen Holocaustforscher könnte auch als
Komödie über den Holocaust missverstanden werden – und die Meinung, wie und
ob man zu diesem Thema überhaupt lachen darf, gehen weit auseinander.
Vielleicht ist es aber auch die relative formale Konformität des Films, die
ihn in den Augen der Akademiemitglieder gegen die Kontrahenten abstinken
ließ. Denn im Gegensatz zu Krebitz’ animalischem Versuchsaufbau der Liebe
zwischen Frau, Körper und Tier, Ades timingstarker und jeglichen
Vorhersehbarkeiten entkommender Tragikomödie und Berracheds starker
Emotionalität, die vor allem im Zusammenspiel ihrer ProtagonistInnen mit
den ärztlichen LaiendarstellerInnen deutlich wird, sprüht „Die Blumen von
gestern“ zwar nur so vor hübsch-bösen Dialogen („Oh, ist das ein Babyfoto
von dir? – Nein, das ist Adolf Hitler“).
## Gute Themenmischung
Aber sein Kern – zwei gegensätzliche Menschen ziehen sich an – ist eben
nicht so neu wie die Prämissen der starken Konkurrenz. Als Themenmischung
funktionierte jedenfalls das Paket der nominierten Filme gut – Relevanz
versprühten sie alle auf ganz unterschiedliche Art und Weise.
Die Veranstaltung am Freitag im Palais am Funkturm war ansonsten alte
Schule, Berliner Schule sozusagen – von Jasmin Tabatabei zurückhaltend
moderiert, durch wenige, etwas unmotivierte Gags und Bühnenideen
aufgelockert, und insofern das komplette Gegenteil des letzten Jahres, in
dem man sich unter der Leitung von Marco Kreuzpaintner und Christoph Müller
launig und showlastig präsentiert hatte.
Zu launig anscheinend: Wieder inszeniert vom Regisseur Markus Goller
steuerte Christoph Maria Herbst die einzige funktionierende komische Idee
(Berlins Sehenswürdigkeiten als professionell errichtete Filmsets) bei,
Katja Riemanns Schlagerparodie implodierte dagegen wegen mangelnder
Albernheit. Erstaunlich auch, dass die Verantwortlichen sich in diesem Jahr
nicht mal einen einzigen Til-Schweiger-Witz zu reißen trauten. Andererseits
spricht der Mann (er übergab die undotierte Lola für den besucherstärksten
Film) ja auch für sich.
## Kritik an Intransparenz
Dass die Auswahlkriterien intransparent seien, wurde der den Preis seit
2005 ausrichtenden Deutschen Filmakademie im Vorfeld vorgeworfen –
allerdings waren die Jurys, die vorher (seit der ersten Vergabe 1951) die
Entscheidungen fällten, ebenfalls nicht über Kritik erhaben. Das momentane
System mit drei Kommissionen aus überwiegend Filmschaffenden und wenigen
MdBs, die eine Vorauswahl treffen, aus der dann die Akademiemitglieder erst
die Nominierten und später die Preisträger wählen, garantiert immerhin ein
mannigfaches, expertisenreiches Geschmacks- und Meinungsbild.
Und dass der Deutsche Filmpreis aufgrund seiner enorm hohen, übrigens
projektgebundenen Dotierungen angeblich von der EU-Kommission wegen
Wettbewerbsverzerrung angemahnt wurde, ist schon verblüffend: Ob er ein
hohes oder ein Mikrobudget hatte, ist – zumindest beim europäischen und
deutschen Film – zum Glück nicht zwangsläufig an einen Kinokassen-Erfolg
gekoppelt.
Diesem Vorwurf könnte man fürderhin vielleicht mit der Wiedereinführung
einer der abstrusesten der vielen ehemaligen Kategorien aus den 50er und
60er Jahren begegnen: Ein paar Jahre lang wurden Werke als bester „Film,
der für die europäische Idee wirbt“ ausgezeichnet. Immer noch besser, als
auf dem damaligen „Filmband in Gold“ den etwas verschnupft klingenden Titel
„Nächstbester abendfüllender Spielfilm“ stehen zu haben.
1 May 2017
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Deutscher Filmpreis
Toni Erdmann
Filmpreis
Lesestück Interview
Tatort
Kino
Ameisen
MTV
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes
Filmpreis
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jasmin Tabatabai im Interview: „Nicht schön, beschimpft zu werden“
Die Schauspielerin und Sängerin sagt offen ihre Meinung. Auch zum Flughafen
Tegel. Schließlich wohnt Jasmin Tabatabai in der Pankower Einflugschneise.
„Tatort“ aus Hamburg: Nick Tschiller auf Schurkenjagd
Eine Actionreise über Istanbul nach Moskau. Wenn es ganz viel Knall, Bumm,
Peng gibt, ist wohl Til Schweigers neuer Tatort da.
Moscow International Film Festival: Die Pilzfamilie turnt im Wald
Beim 39. Moscow International Film Festival zeigt sich Russland von seiner
repräsentativen Seite. Und im Kinosaal wird hemmungslos telefoniert.
Die Wahrheit: Homo-Ehe im Ameisen-Biotop
Wieso sollte die Blattschneiderameise nicht heiraten dürfen, wollte das
Söhnchen wissen, und war sofort bereit, das ebenfalls ungerecht zu finden …
Kolumne Liebeserklärung: Gleiche Chance für alle
Kann das weg? In der Film- und Fernsehbranche werden Preise meist nach
Geschlechterkategorien unterteilt. MTV hat es anders gemacht.
Filmfestivals in Cannes 2017: Akin und Haneke im Wettbewerb
Fatih Akin und Michael Haneke vertreten den deutschsprachigen Film in
Cannes. Mit Sofia Coppola und Todd Haynes aber ist die Konkurrenz groß.
Europäischer Filmpreis für Maren Ade: Vater, Tochter und die Globalisierung
In Wrocław erhielt Maren Ade für „Toni Erdmann“ als erste weibliche
Regisseurin den Europäischen Filmpreis. Der Film gewann in fünf Kategorien.
Preise der Berlinale: Goldener Bär für Flüchtlings-Doku
Achtzehn Filme im Wettbewerb, acht erhalten einen Preis: Die Berlinale-Jury
streut ihre Anerkennung breit. Das Flüchtlingselend nimmt sie besonders in
den Blick.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.