# taz.de -- Ausstellung „Geschlechterkampf“: Mit Schwert und Scheide | |
> It’s a Man’s World! Und die Frau schlägt zurück: Die Ausstellung | |
> „Geschlechterkampf“ in Frankfurt/M. erzählt davon mit verstörenden | |
> Werken. | |
Bild: King Kong (Filmstill), 1933 | |
Dem Besuch einer Sonderausstellung im Städelmuseum geht stets ein Parcours | |
voraus, der einmal durch die halbe Dauersammlung und schließlich die | |
Treppen hinab nach ganz unten führt. Diese Dramaturgie ist angesichts des | |
Ausstellungsthemas Geschlechterkampf schon dermaßen hübsch symbolisch | |
aufgeladen, äquivalent der psychoanalytischen Vorstellung, nach der man zum | |
Innersten, tief Verschütteten vordringen möge, dass sie entweder purer | |
Zufall oder volle Absicht sein muss. | |
Der Weg hinab ist gepflastert von Zitaten, die von Gendermainstreaming und | |
Gleichstellungsgesetzen, vom #aufschrei und von althergebrachten | |
Rollenbildern handeln. Dass die Frau seit 200 Jahren immer Opfer sei und | |
der Mann immer Tier, wird dort zitiert. Es geht also ums große Ganze. | |
Braucht es dazu eine Einführung? | |
Der ständige Drang zur Kontextualisierung ist allgemein eine nervige | |
Eigenart des Ausstellungsbetriebs: Als ob Kunst nicht mehr auskomme ohne | |
die Versicherung, dass dieses oder jenes Thema unbedingt auch mit der | |
heutigen Lebenswelt eines jedes Einzelnen zu tun habe. Im Sinne der | |
Ausstellungsdramaturgie ist diese Einführung zwar durchaus gerechtfertigt. | |
Und wer würde die Relevanz vom Geschlecht und seinen jeweiligen | |
Zuschreibungen leugnen? Die elementare Härte, die den Ausstellungsbesucher | |
gerade im ersten Teil der nun folgenden Zusammenstellung trifft, findet ihr | |
real-konkretes Pendant heute dann aber schon eher in den frauenverachtenden | |
sowie – vernichtenden Gräueltaten von Boko Haram als in der zitierten | |
Diskussion zum Beispiel über bundesdeutsche Gleichstellung. | |
„Geschlechterkampf – Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ ist eine Erzählung… | |
zahlreichen Akten und Stereotypen, beginnend im ausgehendem 19. Jahrhundert | |
und so endend, dass der konservative Backlash noch in einiger Ferne liegt. | |
Den Auftakt macht das ewige Motiv der Verführung des Adam durch die Eva: | |
Sie als Schlangenweib, mal Lilith, mal Medusa, den unbefleckten Mann ins | |
Reich des Animalischen mitreißend. Eine Fotografie von František Drtikol | |
zeigt die ambigue Vagina, gleichsam Geburt wie Tod bringend. Die | |
titelgebende Schlacht speist sich aus blanker Angst und rasender Lust, und | |
gekämpft wird reichlich: mit Schwertern, Klauen, Phalli. Mit Blicken und | |
Schönheit. | |
## Morbider Abstieg | |
Redliche Herren lassen sich verführen, mit fatalen Folgen. Der Mann, ein | |
Tier seit 200 Jahren? Unsinn! Während der wahlweise halb Gott oder gleich | |
dessen Ebenbild ist, bleibt die Frau „ganz und gar Tier“ oder, wie | |
Philosoph Weininger 1903 deklarierte, ein „Symbol des Nichts“. | |
Die Kuratoren haben furchtbar lustige und grässlich verstörende Werke | |
zusammengestellt, den jeweiligen gesellschaftlichen Tendenzen und ihren in | |
Kunst übersetzten Zerrbildern lose folgend. Weithin Bekanntes steht neben | |
Werken, die man hier neu entdecken kann: So den grandiosen Zeichenzyklus | |
von Jeanne Mammen, der hier zum ersten Mal ausgestellt wird. Künstlerinnen | |
sind insgesamt weniger vertreten, was selbstredend der Zeitgeschichte | |
geschuldet ist. | |
It’s a Man’s World! Aber die Frau, sie schlägt zurück: Manchmal gar, wie … | |
der pubertär düsteren Grafik von Aubrey Beardsley, mit einem echten, | |
Pardon, Riesenpimmel, der den Penisneid in männlicher Variante | |
konterkariert. Während nebenan die weiße Frau Angstschreie auf der Flucht | |
vor King Kong ausstößt, setzt sich der morbide Abstieg fort: So kann man | |
der verstörenden Balz zweier prächtiger Vögel um eine nackte Frau | |
zuschauen, changierend zwischen Sodomie und Symbolismus. Eine Mädchenlolita | |
thront auf einem Berg aus toten Verführten, während im Netz der weiblichen | |
Spinne schon die Gebeine ihrer Beute baumeln. | |
Oben wird es optisch heiterer: Man ist froh, dem Höllenschlund wieder | |
entkommen zu sein. Sind die Motive deshalb weniger verstörend? Nein: | |
Heinrich Maria Davringhausen zeigt, wie der Lustmord in Neuer Sachlichkeit | |
ausschaut. Elfriede Lohse-Wächtler, die wenig später von den Nazis ermordet | |
wird, malt die Tat noch im Entstehen, die Fratze des Täters bedrohlich | |
näherkommend. Erst hier ist der Mann Täter im Sinne der Erzählung, wird | |
Gewalt an der Frau nicht allein durch deren bösartige Verführungskraft | |
gerechtfertigt. Statt Bibel, griechischer Antike und E.T.A. | |
Hoffmann-Romanen werden nun aktuelle Phänomene wie der Lustmörder zum | |
Motiv, nüchtern, farbenfroh, grausam ätzend als Radierung von Otto Dix. | |
## Geliebte nachgebaut | |
Hochgradig verstörend auch die Fotografien von Kokoschkas Alma-Mahler-Puppe | |
mit Flauschbeinen und strengem Strickgesicht, die der Künstler als Abbild | |
seiner ehemaligen Geliebten anfertigen ließ. Und dann Schattenwelt und | |
Prostitution, in deren Diskurs sich bis heute auf beiden Seiten der | |
enttäuschte Moralist zeigt: Die Hure als Objekt und Opfer, die Frau als | |
Heilige und Hure – nur die Mutter fehlt in dieser Schau. | |
Gesellschaftliche Umbrüche bahnen sich den Weg durch die Ateliers und auf | |
Leinwand, Film und Foto: Wie viel sich in wenigen Jahren verändert! Der | |
Mann, er ist bald ein ganz anderer, lässt sich offen mit Nagellack und | |
tiefroten Lippen porträtieren. | |
Die Fotografin Lee Miller setzt geschlechtliche Archetypen mit neuer | |
Spielfreude ins Bild: Penisfelsen, den eigenen Kopf unterm Glassturz (ein | |
beliebtes Motiv jener Zeit), eine leibhaftig amputierte Brust auf dem | |
Essteller. Und Claude Cahun deklariert bereits in den 1920er Jahren die | |
völlige Geschlechtslosigkeit, respektive „das Neutrum“ für sich: Ihre | |
Collagen illustrieren das Prinzip, demzufolge sich ausnahmslos jeder den | |
anderen zur Projektionsfläche mache. | |
Auf weniger Verwirrung zwischen den Geschlechtern darf man bis zum | |
Schlussakt in Form einer Maria-Martins-Skulptur und der obligatorischen | |
Frida Kahlo, Ikone des Instagram-Feminismus, nicht hoffen. Künstlerisch ist | |
ihr Werk dabei nicht einmal das interessanteste in dieser bombastischen | |
Erzählung von Sex und Gewalt, Eros und Thanatos, Schwert und Scheide, Kunst | |
und Emanzipation, Alpha und Omega. | |
1 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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