| # taz.de -- Kolumne Unter Schmerzen: What’s wrong with German men? | |
| > Frauen, Männer, Beleidigungen, Ehrenkränkungen – wenn aus Abweisung | |
| > Schmerz und die Lieblingsbar zur Kampfzone wird. | |
| Bild: Wie gehen Männer und Frauen aufeinander zu? | |
| Neulich in der Lieblingsbar. Ich mag es, wenn Texte so beginnen. So | |
| vertraut scheinen. So klingen, als ob man wüsste, worauf es hinausläuft, wo | |
| die Pointe hängt. Texte, die einen nicht enttäuschen. | |
| Also, neulich in der Lieblingsbar saßen zwei Frauen unabhängig voneinander | |
| zu später Stunde allein an der Bar. Sie kamen aus Gruppen, die eine vom | |
| Yoga, die andere von einem Essen mit Freunden, und sie waren noch nicht | |
| ausreichend bedient und müde, also setzten sie sich in die Lieblingsbar, | |
| vielleicht auch in der Hoffnung, bei dem allseits beliebten Barkeeper zu | |
| landen. | |
| Es ergaben sich Gespräche mit den anderen Gästen. Die eine kam von weit | |
| her, die andere nicht. Die eine wirkte emotional etwas übergriffig, die | |
| andere eher kühl. Und es war die andere, die Kühle, die dann plötzlich die | |
| These aufbrachte:What’s wrong with German men? Warum schaffen sie es nicht, | |
| Frauen anzusprechen? Und dann kam der zentrale Satz: „Wanting sex is not an | |
| insult.“ | |
| Insulte sind Ehrenkränkungen, Beleidigungen, ein Schlaganfall heißt | |
| medizinisch „zerebraler Insult“, und nein, das hier ist nicht die Kolumne | |
| von Sonja Vogel. Auch wenn die eine, die Übergriffige jetzt mit der Idee | |
| kam, das könnte am Krieg liegen. Deutsche Männer sind für den | |
| Geschlechterkampf ungeeignet, weil ihre Väter und Großväter traumatisiert | |
| von den Fronten des von den Nazideutschen angezettelten Weltkriegs | |
| wiederkamen, wenn sie denn wiederkamen. | |
| Mir gefiel die Idee, aber die richtige Antwort fiel mir erst später, | |
| nämlich am nächsten Tag ein. Es kommt natürlich auf die Zeichen an. Wir | |
| haben gelernt, auf Zeichen zu reagieren. Gibt es diese, folgt auch gern | |
| eine Anmache. Kein Zeichen, keine Anmache. So einfach ist das. | |
| Denn: Über Jahrhunderte oblag es dem Mann, die Initiative zu ergreifen. | |
| Aber das, was dieser Tage als Weichlichkeit bekrittelt wird, ist | |
| tatsächlich ein Fortschritt: Es gibt ein Problem mit dem Soldatischen, mit | |
| dem Begriff der Nation, mit dem tradierten Rollenverständnis. | |
| ## Abweisung tut weh | |
| Kein Mann möchte freiwillig in den Schmerz treten, in die Kampfzone, | |
| besonders dann nicht, wenn eine Abweisung der Standard ist, denn, wie es | |
| ein von mir hier schon einmal ins Spiel gebrachter, leider namenlos | |
| bleibender Vulgärpsychologe ausdrückte: „Subjects’ brains respond the same | |
| way as if they experienced physical pain. Rejection doesn’t just hurt like | |
| a broken heart; your brain feels it like a broken leg.“ | |
| Männer sollen öffentlich weinen, Schwächen zeigen, Empathie, Schwächeren | |
| helfen, Platz einräumen und zurücktreten, und Frauen können die Initiative | |
| ergreifen, Zeichen senden, kleine Zeichen gesellschaftlichen Fortschritts. | |
| Gegen den Backlash einer Rollenverteilung wie in den fünfziger Jahren. | |
| Aber leider gilt natürlich auch der Satz, den Thomas Pynchon in der | |
| „Versteigerung von Nr. 49“ geschrieben hat, nämlich dass Verzweiflung | |
| entsteht, wenn es nicht möglich ist, eine sexuelle Spannung aufzubauen. In | |
| dieser Nacht in der Lieblingsbar zum Beispiel gingen alle allein nach | |
| Hause. Obwohl – vielleicht lief da ja noch was mit dem Barkeeper. | |
| 15 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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