# taz.de -- Zwischen den Rillen: Die Sehnsucht nach dem Rausch | |
> Nacktheit, Blitzlichteffekte und neue Surfbretter von The Raveonettes: | |
> Auch auf dem Album „Pe’ahi“ überzeugt das dänische Duo mit Noiserock. | |
Bild: Band am Strand. | |
Manchmal ist es kompliziert mit dieser Band. Mit seinem neuen Album hat es | |
das dänische Duo The Raveonettes sogar zu einem „Parental | |
Advisory“-Warnhinweis geschafft. Vor „explizitem Inhalt“ wird gewarnt. Au… | |
im Vorspann zum Video „Endless Sleeper“ wird gewarnt, hier speziell vor | |
Blitzlichteffekten und Nacktheit. | |
Was man sieht, sind zwei nackte Körper am Strand, aus sicherer Entfernung | |
gefilmt: Sie lieben sich. Sieht aus, als wären es zwei weibliche Körper. | |
Von rechts rauschen Wellen heran, links sieht man Dünen und Felsen. Das | |
Ganze in so einem grobkörnigen Chris-Isaac-Schwarzweiß. Getragene Monotonie | |
mit irgendwie schauerlicher Hintergrundhandlung, die vorerst im Unklaren | |
bleibt. Als wenn man Tarantino-Ästhetik nur von der Oberfläche aus | |
wahrnimmt: Schöne Körper üben schöne Gewalt vor schöner Kulisse aus. | |
Nach dem Liebesspiel kommt plötzlich ein Messer ins Spiel; dasselbe | |
Instrument ziert auch das Cover des Albums. Man denkt an Polanskis „Messer | |
im Wasser“, an ertrunkene Stars wie Dennis Wilson oder Natalie Wood | |
(Hollywood! Der Sirenengesang des Pazifiks!), man denkt an Bowies Video zu | |
„China Girl“. Dazu rauscht die Musik, ein Grundrauschen aus Feedback, ein | |
zudringlicher Beat, ein verhuschter Gesang, eine alte Melodie. | |
Natürlich lebt der Noise-Pop der Raveonettes genau davon: von der ewigen | |
Sehnsucht nach dem Meer, dem großen Rausch(en); von der Sehnsucht nach dem | |
Exzess, dem Untergang. Und eben vom expliziten Inhalt. Surfsound, | |
historisch weiter gedacht: Über die Instrumentalstücke und die | |
Teenpophymnen von 1962 via „Pacific Ocean Blue“, Chandler, Pynchon und | |
Tarantino landen die Raveonettes irgendwo im tätowierten Jetzt. So lieblich | |
wie prätentiös. | |
Ein Händchen für Melodien hatte Songschreiber und Gitarrist Sune Rose | |
Wagner ja schon immer; eine Vorliebe für Krach sowieso. Mit Sängerin und | |
Zweitgitarristin Sharin Foo verbindet Wagner Zuckerwatte mit Lärm, privates | |
Angepisstsein mit der kalifornischen Ästhetik von Surf, Strand, Girls und | |
Drogen. | |
## Blick nach Hawaii | |
Das Neue an „Pe’ahi“ – nach konservativer Rechnung Raveonettes-Album Nu… | |
acht – ist vielleicht der Blick nach Hawaii und das Ausloten weiterer | |
Möglichkeiten. Anders gesagt: „Pe’ahi“ (benannt nach einem Surf-Hotspot … | |
Maui) zieht die Linie, die schon im Vorgängeralbum „Observator“ (2012) | |
gezogen wurde, noch weiter. | |
The Raveonettes erweitern das Spektrum verstärkt in Richtung Motown, landen | |
an anderer Stelle wieder in den achtziger Jahren und streifen die | |
neunziger. Haben die Melodielinien (zum Beispiel in „A Hell Below“) fast | |
etwas Bananaramahaftes, werden in „Killer In The Streets“ und „Wake Me Up… | |
die Beats recht deutlich in Richtung Madchester-Rave, also Stone Roses et | |
al. ausgerichtet. Die Raveonettes waren immer eine Recyclingmaschine. | |
So gehört, ist „Pe’ahi“ nicht besser oder schlechter als das klavierlast… | |
„Observator“ oder „Raven In The Grave“ von 2011. Halsbrecherische | |
Wellenbrecher sind garantiert. Und Kalifornien ist nicht das Ende. Anleihen | |
an die Poetin Emily Dickinson inklusive. | |
An „Lust Lust Lust“ von 2007 reicht „Pe’ahi“ allerdings nicht heran. … | |
einen gibt es diesmal keinen Hit, der aus der Menge guter Songs herausragt | |
(wie weiland „Dead Sound“). Zum anderen probiert das inzwischen in den USA | |
lebende Duo – man hätte es fast vergessen – ja durchaus vieles Neues aus: | |
einen Soul-II-Soul-Beat, einen Schellenkranz als Melodieinstrument, eine | |
Phil-Spector-Wall-of-Sound, die es mit der Kevin-Shields-Wand aufnehmen | |
will, und die etwas andere Songstruktur à la Brian Wilson 1966. Nur kommt | |
eben bei den Raveonettes nicht der eine Guss dabei heraus. | |
Also in etwa das, was „Lust Lust Lust“ war: ein Album, das mehr als die | |
Präsentation einer Handvoll neuer Songs sein will. Wer weiß, vielleicht | |
konzentriert sich Wagner wieder besser und findet Zeit, seinen Output | |
gewinnbringend zu ordnen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Schlecht | |
ist „Pe’ahi“ keineswegs. | |
18 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Rene Hamann | |
## TAGS | |
Indiepop | |
Unter Schmerzen | |
Lyrik | |
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