# taz.de -- Neues Buch von Naomi Wolf: Die Vagina anbeten | |
> Narzissmus, so weit die Beckennerven reichen: Naomi Wolf liefert in | |
> „Vagina. Eine Geschichte der Weiblichkeit“ reichlich Emanzipationsdeko. | |
Bild: „Kleinhirn an Großhirn“: Naomi Wolf. | |
Ausgehend von einer ganz persönlichen Erfahrung, nämlich Sex, ohne | |
anschließend eine Erleuchtung zu haben, kommt Naomi Wolf zu dem Schluss: | |
Zwischen weiblicher Kreativität, Selbstvertrauen und dem weiblichen | |
Geschlechtsorgan bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang, immerhin | |
verknüpften Nervenbahnen Letzteres direkt mit dem Gehirn. | |
Ist die Verbindung unterbrochen, und das war bei Naomi Wolf ihrer Ansicht | |
nach der Fall, löse Sex kein ozeanisches Gefühl mehr aus, werden keine | |
Botenstoffe mehr verschickt, das weibliche Gehirn vertrockne. Erinnert sich | |
noch wer an Ottos „Kleinhirn an Großhirn“? Okay, Wolf erreicht noch nicht | |
mal dieses Witzniveau. | |
Und behalf sich, indem sie eine Eisenplatte in den unteren Rücken einsetzen | |
ließ, jetzt ist alles wieder gut. Unbestreitbar strotzt ihr Buch von | |
kreativer Freiheit und ist kompletter Unfug. Aber wie auch schon Hanna | |
Rosin mit „Das Ende der Männer“, bedient es alle Anforderungen des bei | |
seriösen Verlagen so beliebten Frauenpopulismus und gibt in seiner auch | |
unterhaltsamen Blödigkeit Auskunft über die Mechanik des Infotainment. Das | |
macht den Bauplan interessant. | |
Ganz wichtig: Frau kanzele zügig „den“ 70er-Jahre-Feminismus ab. Also | |
stellt Wolf noch in der Einleitung klar, dass sie nichts „mit den | |
müslikauenden, heidnischen Gottesanbeterinnen“, die vor 40 Jahren in | |
„irgendwelchen Parks“ herumsaßen, gemein habe. Sie wolle einen neuen | |
rhetorischen Raum eröffnen, und sie sitzt, wie sie mitteilt, mit ihrem | |
Liebsten in einem Waldhaus. | |
## Der Geschlechterkampf ist universal | |
Auch Rosin nahm persönliche Beobachtungen zum Anlass, die These vom „Ende | |
der Männer“ etc. aufzustellen. Die kleine Welt der weißen Mittelschicht als | |
Quell der Aufklärung zu verkennen ist unabdingbar für dieses Genre. Seien | |
wir grob und nennen es beim Namen: Frauenquatsch. Genauso wie es sich | |
schickt, vom Ende der Welt, der Männer, der USA and whatnot zu fabulieren. | |
Natürlich wollen die Autorinnen „die“ Frauen retten, scheuen keine Mühe u… | |
fliegen auch in Krisengebiete. Wolf besuchte ein Flüchtlingslager für | |
vergewaltigte Frauen in Sierra Leone. „Dabei fiel mir auf, dass Frauen – | |
ganz unterschiedlicher Kulturen und Altersgruppen –, deren Vagina erkrankt, | |
traumatisiert oder verletzt war, oft eine bestimmte Körperhaltung hatten“ | |
und sich schmutzig fühlten. Dieses Gefühl sei ein Band, das alle | |
malträtierten Vaginas in dieser Welt miteinander verbinde, auch die „von | |
einer Frau, die ich in einem gut besuchten Café in Chelsea, Manhattan, | |
kennenlernte und die unter Vulvodynie litt“. | |
Unerlässlich: Machtkonstellationen ausblenden, niemals zwischen Regionen, | |
Klassen, Schichten, Milieus oder Ethnien unterscheiden. Sondern munter | |
behaupten, die Welt teile sich in Frauen und Männer, die nun endlich und | |
erstmals von der selbstbewussten Mittelschichtsfrau kritisch betrachtet | |
würden. Die stellt dann bewegt fest: Der Geschlechterkampf ist universal. | |
Er ist das universale Problem. Beteten alle die Vagina an, das Problem wäre | |
aus der Welt. | |
## Nicht alle Männer sind Sadisten | |
Wolf kommt aber noch zu weiteren Erkenntnissen, nämlich dass nicht alle | |
Männer Sadisten seien. Sich als Männerfreundin auszuweisen (also als nicht | |
frigide), fehlt auch nie. Wolf fällt dieser Schritt offenbar schwer, aber | |
das gehört eben dazu. | |
Was jetzt? Wolf spürt „Zeitgeist am Werk, und als wollten sich Frauen aller | |
Kulturen im Licht der Öffentlichkeit einer noch nicht klar definierten | |
Bewegung für eine neue – heitere, liebevolle, zärtliche – Rückbesinnung … | |
die Vagina anschließen“. Doch ist die tiefsinnig genug? Die Autorin hat | |
Zweifel. Und kehrt zum Ausgangsmotiv zurück: Die Vagina sei der Frauen | |
Göttin. Das Entscheidende sei die Beziehung der Frau zu sich selbst. | |
Narzissmus, so weit die Beckennerven reichen. | |
Aber Selbstverliebtheit als Heilsrezept macht den Frauenpopulismus | |
anschlussfähig: Marktförmige Befindlichkeit mit Emanzipationsdeko zu | |
versehen ist eine vielfach anzutreffende Maßnahme in Milieus, die | |
Gleichberechtigung rhetorisch hochhalten, Veränderungen ablehnen und | |
Privilegien hüten wie sonst nichts, und sich selbst natürlich ungeheuer | |
wichtig nehmen. Dem Infotainment sei dank. | |
Naomi Wolf: „Vagina. Eine Geschichte der Weiblichkeit“. Aus dem Engl. v. B. | |
Imgrund u.a. Rowohlt, Reinbeck 2013, 448 S., 24,95 Euro | |
15 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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