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# taz.de -- Gewalt gegen Aktivisten in Brasilien: Straffreies Morden
> Gewalt gegen Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer nimmt in
> Lateinamerika zu. Vor allem in Brasilien enden Angriffe oft tödlich.
Bild: Mitglieder der Landlosenbewegung beim Protest gegen die Absetzung von Dil…
Rio de Janeiro taz | Die Zeiten sind gefährlich für Aktivisten. In
Lateinamerika nimmt die Zahl der Morde an Menschen, die sich für
Umweltbelange und Menschenrechte einsetzen, rapide zu. Brasilien führt die
tragische Statistik an: 74 Aktivisten sind zwischen Januar 2015 und Mai
2016 ermordet worden, zeigt eine [1][Studie der Organisation Oxfam]. Die
Autoren sehen einen Trend zur Kriminalisierung politischer Betätigung – und
kritisieren, dass die Verbrechen praktisch durchgängig straffrei blieben.
Die Studie ist topaktuell, denn die Probleme sind ungelöst: „Soziale
Bewegungen sind keine kriminellen Organisationen. Ihr Kampf um Rechte ist
legitim“, erklärte eine Koalition von Landbewegungen, darunter die
Landpastorale, die Indígena-Koordination Cimi und Caritas, Anfang November.
Anlass war eine Razzia der Militärpolizei in einer renommierten Schule der
Landlosenbewegung MST im Bundesstaat São Paulo. Die Studierenden, die aus
ganz Lateinamerika stammen, wurden mit gezogener Waffe bedroht, zwei wurden
festgenommen. Bei Razzien in anderen Bundesstaaten in der Folgewoche
verhafteten die Militärpolizisten acht weitere MST-Aktivisten. Die
Organisationen befürchten, dass die umstrittene neue Rechtsregierung in
Brasilien das Vorgehen gegen kritische Stimmen noch verschärft.
Katia Maia von Oxfam Brasilien spricht von einer „unglaublichen
Gewaltspirale“. Die Verfolgung richtet sich vor allem gegen Indigene,
Landlose und Umweltaktivisten. Von den weltweit 185 Aktivistenmorden, die
die Organisation Global Witness 2015 zählte, geschahen 122 in
Lateinamerika. Jeder vierte Fall betraf Menschen in Brasilien.
Der jüngste tödliche Angriff fand auf einen lokalen Sekretär für Umwelt und
Tourismus in der Amazonasstadt Altamira statt. Der Beamte war Mitte Oktober
von einem Motorrad aus beschossen worden. Die Region ist Zentrum für die
wirtschaftliche Erschließung des Regenwalds und bekannt für riesige
Infrastrukturprojekte wie den Staudamm von Belo Monte, der trotz weltweiter
Proteste inzwischen die Stromerzeugung aufgenommen hat.
Laut Oxfam steht die Offensive gegen Menschenrechtler und Umweltschützer im
Zusammenhang mit großen Entwicklungsprojekten und dem forcierten Abbau von
Rohstoffen. Im Kampf um Territorien verzichteten staatliche Institutionen
oft darauf, den Rechtsstaat zu verteidigen. Stattdessen überließen sie den
De-facto-Machthabern in den abgelegenen Gebieten das Gewaltmonopol. Diese
wiederum setzten unternehmensnahe bewaffnete Banden ein. Dieses
Zusammenspiel von Behörden, informellen ökonomischen Machtgruppen und
Kriminellen führe dazu, dass die Verbrechen in der Regel nicht geahndet
würden, erklärt Oxfam.
Immer wieder richtet sich die Gewalt auch explizit gegen Frauen. Grund
dafür ist Oxfam zufolge die vorherrschende patriarchale Kultur in
Lateinamerika. Auch Menschen, die sich für LGBT-Rechte einsetzen, sind
immer häufiger sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
„Es ist höchste Zeit, dass die Regierungen handeln, ohne die Verantwortung
von sich zu weisen“, sagt Maia. Nach der Absetzung von
Mitte-links-Präsidentin Dilma Rousseff im August wird befürchtet, dass der
Appell ungehört bleibt. Präsident Michel Temer deutete mehrfach an, dass er
bei der Umsetzung von Sparpolitik im sozialen Bereich und beim Ankurbeln
der kriselnden Wirtschaft wenig Verständnis für Proteste hat.
24 Nov 2016
## LINKS
[1] http://www.oxfam.org.br/publicacoes/defensores-em-perigo
## AUTOREN
Andreas Behn
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