# taz.de -- Demonstrationen in Brasilien: Massenproteste gegen Sparpolitik | |
> Präsident Temer plant Einsparungen, Tausende gehen auf die Straße und | |
> fordern seinen Rücktrittt. Besonders betroffen sind die Bereiche Bildung | |
> und Gesundheit. | |
Bild: Demonstration in Sao Paulo | |
Rio de Janeiro/Brasilia epd/afp | Tausende Brasilianer haben in São Paulo | |
gegen die Regierung von Präsident Michel Temer und geplante Sparmaßnahmen | |
demonstriert. Auf Transparenten forderten sie „Weg mit Temer“ und „Nein zu | |
Sparmaßnahmen“. Die Veranstalter sprachen von mehr als 40.000 Teilnehmern, | |
die Polizei machte keine Angaben zur Teilnehmerzahl. Ein Bündnis aus rund | |
30 sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, unter ihnen Obdachlosengruppen | |
und Landlose, hatten zu dem Protestmarsch aufgerufen. | |
Der Protest richtete sich vor allem gegen einen geplanten | |
Verfassungszusatz, mit dem die öffentlichen Ausgaben für die nächsten 20 | |
Jahre eingefroren werden sollen. Die Bereiche Bildung und Gesundheit wären | |
von der Initiative der Regierung besonders betroffen. Am Dienstag will der | |
Senat über das Vorhaben abstimmen, nachdem bereits das Parlament mit einer | |
deutlichen Mehrheit dafür gestimmt hatte. Die Demonstranten wandten sich | |
auch gegen eine Gesetzesinitiative, mit der die Mehrheit der Parlamentarier | |
schwarze Wahlkampfkassen nachträglich amnestieren will. | |
Temer hat nun sein Veto gegen das vom Parlament geplante Amnestiegesetz | |
eingelegt. Für den Präsidenten des Landes sei es „unmöglich, so etwas zu | |
billigen“, sagte Temer am Sonntag vor Journalisten. Er reagierte damit auf | |
öffentliche Proteste, nachdem das Parlament am Donnerstag versucht hatte, | |
über eine Amnestie für die Annahme illegaler Wahlkampfspenden abzustimmen, | |
bevor es einen Rückzieher machte. | |
Hintergrund der Amnestiepläne sind noch geheim gehaltene Geständnisse im | |
Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal, die zahlreiche | |
Parlamentsabgeordnete und ranghohe Politiker aller Parteien in Bedrängnis | |
bringen könnten. Der ehemalige Präsident des größten Baukonzerns des | |
Landes, Marcelo Odebrecht, und dutzende seiner Manager stehen kurz davor, | |
eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit mit der Justiz zu unterschreiben. | |
Der Odebrecht-Konzern steht im Zentrum des Petrobras-Skandals. Er zahlte | |
Provisionen an Mitarbeiter des Ölkonzerns und schmierte systematisch | |
Politiker und Parteien, um überteuerte Verträge für sich und Subunternehmer | |
an Land zu ziehen. Im Zusammenwirken zwischen Petrobras und Baufirmen | |
sollen umgerechnet fast zwei Milliarden Euro falsch ausgewiesen worden | |
sein, um Bestechungszahlungen an Politiker und Parteien abzweigen zu | |
können. | |
## Korruptionsvorwürfe gegen die neue Regierung | |
Temer ist seit einem halben Jahr im Amt, nachdem seine Vorgängerin Dilma | |
Rousseff in einem umstrittenen Verfahren des Amtes enthoben wurde. Neben | |
einer schweren Wirtschaftskrise waren spektakuläre Korruptionsermittlungen | |
in der Affäre um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras Hintergrund für | |
den Machtwechsel. Die neue Regierung steht jedoch wegen immer neuer | |
Korruptionsvorwürfe unter Druck. Sechs Minister mussten bereits wegen des | |
Verdachts der Bestechlichkeit oder illegaler Vorteilnahme ihren Hut nehmen. | |
Anderen droht eine Verurteilung in der Petrobras-Affäre. | |
Unter dem Vorwurf illegaler Haushaltstricks hatte der Senat Rousseff im | |
August endgültig ihres Amts enthoben. Die Mitte-Links-Politikerin und ihre | |
Arbeiterpartei bezeichnen die Amtsenthebung als parlamentarischen Putsch. | |
Rousseffs früherer Vizepräsident Temer vollzog mit einem | |
rechtskonservativen Kabinett eine politische Kehrtwende. Er will den | |
Staatshaushalt mit Sparmaßnahmen sanieren. | |
28 Nov 2016 | |
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