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# taz.de -- Kommentar Gewalt gegen Aktivisten: 200 tote Umweltschützer zuviel
> Jährlich sterben Hunderte im Kampf für Menschen und Umwelt. Die Politik
> hat die Möglichkeit, das zu ändern. Sie muss nur wollen.
Bild: Die kolumbianische Umweltaktivistin Jakeline Romero hat immer wieder Mord…
Die Glitzertürme der großen Finanzmetropolen wie London, New York,
Hongkong, Zürich oder Frankfurt haben etwas zu tun mit dem [1][Tod von
Emilsen Manyoma]. Am 17. Januar 2017 fand man sie und ihren Mann Joe Javier
Rodallega, beide erschossen und stranguliert, in der kolumbianischen Stadt
Buenaventura. Die Menschenrechtsaktivistin Manyoma prangerte unter anderem
paramilitärische Gruppen an, die lokale Bevölkerung von ihrem Land
vertreiben, um Platz für Agrarkonzerne und Minen zu machen. Etwa die Minen
des Kohletagebaus El Cerrejón, der nach Europa und die USA exportiert.
Manyoma ist eine von [2][200 AktivistInnen], die im Jahr 2016 weltweit im
Kampf für die Umwelt oder Menschenrechte ermordet wurden, nachzulesen im
neuen [3][Report der Organisation Global Witness]. Es ist ein trauriger,
neuer Höchststand.
In den Finanzmetropolen dieser Welt arbeiten Hunderttausende von Menschen
daran, die Geldströme über unseren Globus zu lenken und damit zu
entscheiden, welche Konzerne die Mittel haben, Rohstoffe auszubeuten. Keine
dieser Menschen ist direkt für den Tod von Emilsen Manyoma und Joe Javier
Rodallega verantwortlich, sie trifft nicht einmal eine Mitschuld. Schuldig
sind sie allenfalls in einem moralisch-abstrakten Sinne, also einer
Kollektivschuld, die uns alle trifft. Als reiche, globale Konsumelite
finanzieren wir ein System, das schreckliche Ungerechtigkeiten
hervorbringt.
Mit plumpen Schuldzuweisungen an „die Banken“ lässt sich das genauso wenig
ändern wie mit ständigen Appellen an die KonsumentInnen, doch nur Faires
und Gutes zu kaufen. Das ist zwar eine wichtige Komponenten für
Veränderungen, auch weil Skandale in der Lieferkette ein Geschäftsrisiko
für Unternehmen sind. Aber der Effekt stößt längst an seine Grenzen. Zu
komplex sind globale Lieferketten, zu beliebig die Empörungswellen unserer
Tage, oft über belanglosen Firlefanz.
Nein, der Schlüssel liegt bei den Menschen in den Glitzertürmen. Sie tun,
was man im Kapitalismus tut: Risiken gegen Gewinne abwägen. Die
Verlustrisiken für die Unternehmen der Industrieländer müssen deutlich
steigen, wenn Sie sich von verantwortungslosen Unternehmen wie dem
Kohleabbau von El Cerrejón beliefern lassen. Dafür gibt es Mittel, die nur
eingesetzt werden müssen: Seit Anfang des Jahres etwa müssen große
Unternehmen in der EU Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Nicht die üblichen
Hochglanzbroschüren mit PR-Geblubber drin. Da gibt es messbare Indikatoren
etwa zum Co2-Ausstoß oder zur Korruptionsbekämpfung, auch in den
Lieferketten. Falschangaben sind für Vorstände und Aufsichtsräte genauso
justiziabel wie Bilanzfälschungen – auch wenn es noch kein Präzedenzfall
dafür gibt.
Das wäre also ein Hebel: Großunternehmen müssen nachvollziehbare,
ungeschönte und klare Angaben darüber machen, mit wem sie Lieferbeziehungen
haben und ob es da Sauereien gibt. Sie haben Geld und Arbeitszeit in
erheblichen Maße dafür aufzuwenden. Bleibt das aus: Straftat im Sinne der
Menschenrechte, Vorstand kann verklagt werden. Staatliche Stellen könnten
Unternehmen auf eine schwarze Liste setzen und ihnen öffentliche Aufträge
verweigern, wenn sie in ihren Lieferketten Menschenrechtsverletzungen
dulden oder Umweltverbrechen begehen. Geht alles.
Kompliziert? Ja, ist es. Aber in unseren Großstädten wachsen Gebäude in den
Himmel, in denen Menschen und Computer weltweit komplizierteste
Geschäftstätigkeiten auf Renditen abklopfen. Lasst sie was Vernünftiges
tun. Geht nicht, gibt’s schon lange nicht mehr.
17 Jul 2017
## LINKS
[1] https://www.frontlinedefenders.org/en/case/emilsen-manyoma-killed
[2] /Bericht-zur-Toetung-von-Umweltschuetzern/!5426930
[3] https://www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/defender…
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Umweltschutz
Menschenrechte
Mord
Kolumbien
Aktivismus
Bergbau
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