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# taz.de -- Expertin über sprachliche Manipulation: „Finger weg vom AfD-Word…
> Rechtspopulisten sind Meister des Framings: Trump und die AfD setzen auf
> emotionale Geschichten, nicht auf Fakten. Elisabeth Wehling erklärt, wie
> das geht.
Bild: Mut könnte gegen AfD und Trump helfen
taz: Frau Wehling, Donald Trumps Wahlkampf bestand aus Hetze. Mexikaner,
Schwarze oder Frauen – alle wurden von ihm beleidigt. Wieso hat er trotzdem
die Wahl gewonnen?
Elisabeth Wehling: Im Vergleich zu Hillary Clinton hat er sprachlich den
besseren Wahlkampf gemacht. Er hat eine ganz klare erzkonservative
Werte-Kampagne gefahren, während Clinton vornehmlich von Fakten und
Programmen gesprochen hat. Wir wissen aus der politischen
Verhaltensforschung, dass Menschen Werte wählen – entgegen dem
Eigeninteresse und auch wenn sie einzelne Vorhaben eines Kandidaten gar
nicht befürworten. Werte macht man über klare und eindringliche Bilder des
Miteinanders im Alltag greifbar. Das braucht konkrete, einfache Sprache.
Trump hat solch eine einfache Sprache benutzt und hat sich über 18 Monate
stringent an erzkonservative Werte gehalten – er ist ein Meister des
Framings.
Was genau versteht man unter Framing?
Frames sind gedankliche Deutungsrahmen, innerhalb derer wir Fakten
verarbeiten. Im Jahr 2015 sind eine Million Geflüchtete nach Deutschland
gekommen. Das kann man beispielsweise als Bedrohung oder Chance einordnen.
Die Fakten haben ja nie eine Bedeutung an und für sich, sondern wir müssen
sie interpretativ einordnen. Das erleben wir nicht nur in der Politik,
sondern auch im Alltag. Seinen eigenen Blickwinkel auf die Welt zu
kommunizieren, das ist, kurz gefasst, Framing.
Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit Gehirnvorgängen und wie sie unsere
Meinungsbildung beeinflussen. Was geht in unserem Kopf vor, wenn wir
bestimmte Wörter hören?
Jedes Wort hat eine Bedeutung über seinen Wortlaut hinaus. Wenn wir ein
Wort lesen, wird eine Reihe von Konzepten aufgrund unserer Welterfahrung
mit mobilisiert. Unser Gehirn verfügt über ganze Vorratslager
abgespeicherten Wissens. Gerüche, Erinnerungen und Gefühle werden
aktiviert, um Worte zu begreifen. Bei unserer Forschung arbeiten wir mit
Experimenten und Befragungen, aber auch mit Hirnscans. Die Personen werden
dann in ein Gehirnscan gelegt und da kann gesehen werden, was das Gehirn
macht, wenn wir ein bestimmtes Wort hören: Plant das Gehirn Bewegungen,
bekommt es Angst oder empfindet es Freude.
Wie hat Trump das Framing in seinem Wahlkampf genutzt?
Ein Framing, das Trump nutzte, war die Idee, die USA befänden sich in
Todesgefahr. Er sagte, die Wirtschaft blute aus, Mexikaner pumpten Gift in
den amerikanischen Blutkreislauf, das Land sei blutarm und schwächele. Er
machte das Land als Person begreifbar und malte dann in schrillen Farben
die Geschichte schlimmer Gesundheitsgefährdungen bis hin zum Tod. Damit
versetzte er die Amerikaner in Alarmbereitschaft. Und wir wissen aus
empirischen Untersuchungen, dass genau solche Framings Menschen dazu
bringen, sich stärker gegen Migration auszusprechen.
Das heißt: Framing beeinflusst unsere Wahlentscheidung?
Ja, es gibt viel Forschung dazu, welche Lebenserfahrungen und Werte
Framings langfristig im Denken der Menschen festigen, die dann eher
konservativer oder progressiver Politik zugute kommen. Wir haben das in
unserer Forschung am jetzigen US-Wahlkampf getestet. Knapp 30 Prozent der
Wähler sind ideologisch streng und wussten, dass sie Trump wählen. 30
Prozent sind ideologisch fürsorglich und wollten Clinton wählen. Die
anderen sind bikonzeptuelle Wähler, die sich von Framings von links oder
rechts ansprechen lassen.
Ideologisch streng und ideologisch fürsorglich. Was bedeutet das?
Das sind Termini aus der Ideologieforschung. Das strenge und fürsorgliche
Weltbild hat jeweils 35 Unterpunkte. Beim strengen geht es um Werte wie
Disziplin, Bestrafung und Belohnung, Sozialdarwinismus oder starke
männliche Autoritäten. Zu den fürsorglichen Werten zählen: Empathie,
Kooperation, soziale Fürsorge, individuelle Befähigung und Schutz vor
Schaden.
Und die bikonzeptuellen Wähler fühlen sich von beiden Wertesystem
angesprochen?
Genau, damit gehören sie zu den entscheidenden Wählerstimmen. Wir haben uns
in unserer Forschung dann diese Probanden genommen und ihnen faktische
Argumente gegeben, gegen Trump: „Experten sagen, dass die
Arbeitslosenzahlen unter Trump in den nächsten 10 Jahren in die Höhe
schießen werden.“ Faktisch und programmatische Argumente. Doch das hat sie
nicht bewegt, weder hin oder weg von Trump. Dann haben wir ihnen
wertebasierte Argumente gegeben: „Experten sagen, dass Trump genau der
strenge Vater ist, den unsere Nation jetzt braucht.“ Und die Probanden sind
alle nach rechts geschlittert zu Trump.
Es geht also nur noch um Werte und nicht um Fakten. Leben wir also wirklich
in einem „postfaktischen Zeitalter“?
Framing wird oft missverstanden als Emotionen versus Fakten. Doch Framing
bedeutet, die unterschiedlichen ideologischen Perspektiven, die wir auf
Fakten einnehmen, wahrnehmbar zu machen. Den Parteien liegen die gleichen
Fakten vor, doch sie leiten unterschiedliche Handlungsvorschläge aus ihnen
ab. Die moralische Dringlichkeit von Fakten aus der eigenen Ideologie
heraus fassbar zu machen – das ist Framing. Man kann also nicht sagen:
Jetzt ist alles postfaktisch – es geht nur noch um Emotionen. Sicher sind
Emotionen bei der politischen Entscheidungsfindung beteiligt. Es wäre ja
auch naiv zu glauben, dass in der Politik auf einmal alle Emotionen
ausgeschaltet sind. Aber das Tragende, das haben wir herausgefunden, sind
weder Fakten noch Emotionen, sondern es ist die Ideologie. Der Mensch
orientiert sich in seiner Wahlentscheidung nach Werten.
Gibt es unter den Parteien in Deutschland ein solches Framing, wie Trump es
nutzt?
Ja, beispielsweise bei der AfD. Ein zentraler Frame der AfD ist die
Geschichte von der Diktatur der Eliten: die Demokratie läge am Boden, die
Lügenpresse führe das Volk in die Irre, die sogenannten Altparteien seien
bürgerfern. Was hier natürlich völlig unter den Tisch gekehrt wird, und
zwar sowohl sprachlich als auch gedanklich, ist die Tatsache, dass alle
sogenannten etablierten Politiker von den Bürgern demokratisch in ihre
jeweiligen Positionen hineingewählt wurden, direkt oder indirekt. Nun, der
Diktatur-Frame hat kognitive Zugkraft, die Geschichte von Ungerechtigkeit
und Unterdrückung funktioniert einfach.
Trump und AfD. Das sind alles Beispiele aus dem rechten Spektrum. Ist es
einfacher, rechtspopulistisch zu framen, als links oder für die politische
Mitte?
Nein, das ist ein Mythos. Ich höre sehr oft, gegen die Rechtspopulisten
komme man nicht an, denn ihre Antworten seien einfacher. Hochkomplexe
Inhalte, wie die der demokratischen Parteien, seien nicht einfach zu
framen. Doch viele der großen Parteien machen ihre Hausaufgaben schlichtweg
nicht, sie geben sich nicht genügend Mühe mit der Sprache. Beispiele für
gelungenes Framing aus dem linken Lager gibt es viele, etwa Barack Obamas
Wahlkampf 2008.
Angesichts der Vorbereitung auf den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017:
Was können die großen Parteien denn noch lernen? Sollen sie bei der AfD
abgucken?
Ich würde es keinem demokratischen Politiker raten, wie eine AfD zu
kommunizieren. Lügen, verfälschte Fakten und Hass gehören nicht in die
menschlich verantwortungsvolle Politik. Demokratische und progressive
Geschichten sollten erzählt werden, mit Frames von Empathie, Miteinander,
Nächstenliebe, gegenseitiger Befähigung und Schutz. Dass die funktionieren,
hat die Popkultur mit Filmen, Büchern und Theaterstücken, die auf diesen
Werten basieren, immer wieder gezeigt. Die Parteien müssen sich mal
hinsetzen und die moralischen Prämissen ihrer Politik punktgenau klären und
sprachlich durchdeklinieren.
Doch wie kann man gegen die AfD vorgehen? Lohnt es sich, ihr Framing als
hetzerisch und rassistisch zu entlarven?
Die Frames der Gegner aufzugreifen, führt zu nichts. Durch die Erwähnung
eines Frames, unabhängig ob bejahend oder verneinend, wird dieses immer
wieder aktiviert. Das ist dann kostenloser Wahlkampf für die anderen. Das
Entlarven kann ein zweiter oder dritter Schritt sein. Positive Umdeutungen
oder ein Spiel mit Worten ist möglich. Aber ich sage immer: Wenn man ein
großes politisches Anliegen hat, dann ist es am besten, nicht an etwas
Altem herumzubasteln, sondern was wirklich Neues auf den Tisch zu legen.
Was sollte denn nun der erste Schritt sein?
Es ist wichtig, eine klare, eigene Geschichte zu erzählen. Da können wir
aus dem US-Wahlkampf viel lernen. Hillary Clinton hat ihre Kampagne damit
verbracht, zu sagen, warum Donald Trump so schlimm ist. Doch man gewinnt
keinen Wahlkampf damit, zu sagen: Ich bin nicht der andere. In Deutschland
heißt das: Finger weg vom AfD-Wording! Nicht ihre Slogans aufgreifen und
auseinandernehmen. Sondern eigene Werte betonen und die tatsächlich
empfundene Sorge und Empörung über den Rechtspopulismus in klare Worte
fassen. Es braucht ein Framing von sich und vom Gegner statt einer
Diskussion der Frames des Gegners.
9 Dec 2016
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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