Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Interne Sprechanleitung der ARD: In der Framing-Falle
> Die ARD braucht kein öffentlich-rechtliches Neusprech. Wenn sie ihre
> Kritiker von der eigenen Moral überzeugen möchte, dann am besten mit
> Inhalten.
Bild: Ein Demonstrant zeigt einem Pressefotografen, was er so denkt
Hand aufs Herz: Mögen sie „unseren gemeinsamen, freien Rundfunk“? Oder
stehen sie auf „Kommerzmedien, profitorientierte Medien oder Profitsender“?
Im besten Fall merken Sie, dass die verwendeten Wörter ihnen die
Entscheidung bereits abgenommen haben. Das ist der Clou beim Political
Framing: Die Überzeugungsarbeit leisten die Zuhörenden selbst. Beim Framing
als Sprachstrategie geht es darum, das eigene Handeln in Wörter zu kleiden,
die bei den Zuhörenden Akzeptanz oder Ablehnung auslösen. Bei regelmäßiger
Anwendung setzt sich dann die erwünschte Sichtweise langsam, aber sicher
durch.
Political Framing ist in den letzten Jahren zu einer political Seuche
geworden. Aktuelle Beispiele gibt es genug. Starke-Familien-Gesetz,
Gute-Kita-Gesetz, Respekt-Rente, Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Sprache ist ein
mächtiges Werkzeug. Wenn man mächtige Werkzeuge falsch bedient, kann schon
mal was kaputt gehen.
Die ARD hat beim „Berkely international Framing Institute“ ein sogenanntes
[1][Framing-Manual] in Auftrag gegeben. Das Manual ist eine
Sprechanleitung, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ARD über die ARD
reden sollten: „Wenn Sie Ihre Mitbürger dazu bringen wollen, den Mehrwert
der ARD zu begreifen und sich hinter die Idee eines gemeinsamen, freien
Rundfunks ARD zu stellen – auch und gerade in Zeiten, in denen Gegner der
ARD deren Relevanz in Frage stellen und orchestrierte Kampagnen fahren.“
Die Zeit der GEZ-Muffel ist vorbei. Es gibt offenen Widerspruch, ja sogar
Widerstand gegen die ARD. Internetvideos zeigen, wie Pegida-Demonstrierende
und Journalisten verbal und körperlich aneinandergeraten. Die Schlagwörter
„Lügenpresse“, „Lückenpresse“, „Staatsfunk“, „Zwangs-TV“ haue…
Kerbe und unterstellen Manipulation. Das Problem ist: Eine interne
Sprechanleitung, die auf das Konzept des politischen Framings setzt, zahlt
ziemlich kräftig auf dieses Manipulationsframing der „Gegner der ARD“ ein.
[2][Elisabeth Wehling], die Verfasserin des Manuals, empfiehlt der ARD, die
eigenen moralischen Werte in Slogans und Narrative einzubauen. Damit würde
ein moralischer Anspruch mitkommuniziert. Dann sei es wichtig, die neuen
„moralischen Framings“ gebetsmühlenartig, aber auch nicht zu auffällig
anzuwenden. Das wirke wie eine Art „neuronaler Superkleber“ schreibt
Wehling: „Je öfter Neuronengruppen simultan im Gehirn feuern, desto stärker
wird die synaptische Verbindung zwischen ihnen.“ Kurz gesagt: Wiederholung
fräst sich ein.
## Man kann nicht mit Wortspielereien Kritik ausräumen
Der kapitale Fehler des Manuals besteht in dem Glauben, mit Wortspielereien
inhaltliche Kritik ausräumen zu können. Darum geht es auch an keiner Stelle
im Text wirklich um die Welt jener Menschen, die „Lügenpresse“ rufen,
sondern immer nur um die „Gegner der ARD“. Es geht nicht darum, die
Vorwürfe der Unausgewogenheit, die diese Menschen augenscheinlich
wahrnehmen, zu bearbeiten und auszuräumen.
Geht es nach Wehling, befasst man sich am besten gar nicht mit den Gegnern
und deren Sprache, sondern vertraut einfach auf die neuronale Kraft
stupider Wiederholung: „Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame
Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische
Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder –
von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu
Schriftsatz. Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster
über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung
zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative
werden zu lassen.“
Wer immer wissen wollte, wie das Neusprech aus George Orwells Roman 1984
funktioniert, hat nun die Erklärung. Da hilft es nicht, dass
ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab nachträglich beschwichtigt, es sei ja
keine Mitarbeiteranweisung. Es bleibt ein Irrweg, auf den sich die ARD mit
Elisabeth Wehling gemacht hat und es bleibt zu hoffen, dass dieses Manual
schnell vergessen wird.
## Die ARD sollte Political Framing anders nutzen
Glaubwürdigkeit lässt sich kaum mit schönen Wörtern steigern. Wir dürfen
nicht vergessen: Auch die Kritiker der ARD sind Beitragszahler. Wenn die
ARD ihre Kritiker von der eigenen Moral überzeugen möchte, dann am besten
mit Inhalten. Gerade bei den Inhalten wäre es leicht, das Image der ARD mit
dem Framing-Konzept aufzupolieren, ohne sich den Vorwurf der Manipulation
einzuhandeln.
Political Framing hat in der Tat eine moralische Komponente. Diese Moral
besteht nicht darin, anderen die eigene Moral mittels semantischer Mätzchen
einzuimpfen. Die Moral bestünde für die ARD darin, politische Framings
aufzudecken und zur Diskussion zu stellen. Dabei geht es für
Medienschaffende und Journalisten darum, ebenso eigene Framings
aufzuspüren, zu hinterfragen und offenzulegen. Die eigene Arbeit würde
transparenter und nachvollziehbarer, auch in ihren Schwierigkeiten. Das
wäre eine neue Art von Neutralität, die weniger angreifbar ist. Gerade die
Öffentlich-Rechtlichen könnten dieses moralische Potenzial des Political
Framings besser ausloten als die Privatsender, die in der Tat abhängiger
von Werbekunden sind.
19 Feb 2019
## LINKS
[1] /Das-Framing-Handbuch-der-ARD/!5574448
[2] /Expertin-ueber-sprachliche-Manipulation/!5359993
## AUTOREN
Eric Wallis
## TAGS
ARD
Framing
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Framing
ARD
Lesestück Interview
## ARTIKEL ZUM THEMA
Framing mit dem Begriff „Schicksalswahl“: Wahlen sind nie Schicksal
Ein Unwort ging um bei der Europawahl: „Schicksalswahl“. Das ist nicht nur
unlogisch, sondern auch auf eine gefährliche Weise bequem.
Das Framing-Handbuch der ARD: Keine Empfehlungen
Die ARD hat für ihr Framing-Manual sehr viel Kritik geerntet. Nun hat sich
Elisabeth Wehling, die Verfasserin des Handbuchs, zu Wort gemeldet.
Framing in politischen Talkshows: Das „Wir“ und das „Die“
Bilden Talkshows wie „Maischberger“ und „hart aber fair“ einfach nur
Debatten ab? Oder helfen sie, den Diskurs nach rechts zu schieben?
Expertin über sprachliche Manipulation: „Finger weg vom AfD-Wording!“
Rechtspopulisten sind Meister des Framings: Trump und die AfD setzen auf
emotionale Geschichten, nicht auf Fakten. Elisabeth Wehling erklärt, wie
das geht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.