# taz.de -- Sächsische Regierungserklärung: Wer zum Teufel ist dann rechtsext… | |
> Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer sagt, es habe in Chemnitz keine | |
> Hetzjagd und keinen Mob gegeben. Ist er noch zurechnungsfähig? | |
Bild: Nein, ein Mob lässt sich hier selbstverständlich erkennen (Aufnahme aus… | |
Diese Zeilen wurden voller Verzweiflung geschrieben. Die Normalität des | |
Bösen auf den Straßen führt zu einem Ohnmachtsgefühl, welches mich trotz | |
einer über 20 Jahre langen Erfahrung mit Naziaktionen und | |
antifaschistischen Protesten wütend wie selten zuvor macht. Und angefangen | |
hat alles mit Worten, wie immer. | |
Die [1][Sprache der AfD hat ihren Weg in die Gesellschaft gefunden] – das | |
ist der größte Erfolg der Partei. Wir reden plötzlich darüber, [2][ob | |
Menschen, die den Hitlergruß zeigen, wirklich Nazis sind]. Gleichzeitig | |
sind die Reaktionen auf Chemnitz mittlerweile dermaßen unfassbar, dass man | |
sich in einem Irrenhaus wähnt. Die CDU attackiert den Bundespräsidenten, | |
[3][weil er zu einem Konzert gegen Neonazis aufruft]. Die Bild-Zeitung | |
versucht, die bekanntermaßen höchst ironische Band K.I.Z. als Beweis für | |
„Hass-Texte“ auf dem #wirsindmehr-Konzert heranzuziehen. | |
Ein Schwarm an Intelligenzbestien aus dem linken Milieu stellt fest, dass | |
es mit einem Event nicht getan ist. Danke ihr Sherlocks, who would have | |
thought? Dabei dachten doch alle Beteiligten dass Rassismus und Faschismus | |
nach einem Campino-Gig der Vergangenheit angehören. | |
Der News-Feed spuckt Artikel um Artikel aus. Es hört nicht auf. Und während | |
ich fassungslos auf eine absurde Meldung nach der anderen schaue und mir | |
überlege, ob es besser wäre auszuwandern oder mit Fackeln und Heugabeln zum | |
Springer-Haus zu ziehen, passiert etwas Unerwartetes: Michael Kretschmer, | |
43 Jahre alt, Diplom-Wirtschaftsingenieur und Ministerpräsident des | |
beschaulichen Bundeslandes Sachsen, ist offenbar geistig umnachtet und | |
nicht mehr zurechnungsfähig. | |
## „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd“ | |
Anders lassen sich seine Aussagen im sächsischen Landtag nicht erklären. | |
Vor versammelter Mannschaft und Presse erklärt der CDU-Politiker: „Es gab | |
keinen Mob, es gab keine Hetzjagd!“ Bäm! Da sind sie wieder, die Worte, die | |
mordenden Faschisten ihre Legitimation geben. | |
Später wird wieder niemand verstehen, wo das alles eigentlich her kam. | |
Gegen Kretschmers Aussagen wirken wirre Erklärungen wie Olaf Scholz' | |
„Polizeigewalt hat es beim G20 nicht gegeben“ wie eine flüchtige | |
Kinderkrankheit neben dem Ebola-Virus. Es sollten nicht die an den Pranger | |
gestellt werden, die aus Wut über das Tötungsdelikt in Chemnitz auf die | |
Straße gegangen seien, erklärt Kretschmer: „Die sind nicht rechtsextrem.“ | |
Ja mein Gott, wer zum Teufel ist es dann? Wer ist denn überhaupt noch | |
rechtsextrem, wenn nicht Menschen, die kein Problem haben in einem Pulk zu | |
laufen, welcher „Adolf Hitler Hooligans“ und „Ausländer Raus“ brüllt? | |
## Michael Kretschmer ist natürlich nicht geisteskrank | |
Vielleicht wäre es an der Zeit, den bereits mehrmals von seriösen Medien | |
und Politikern für Donald Trump geforderten Test über die geistige | |
Verfassung auch in Sachsens Politik einzuführen. Aber, sind wir ehrlich, da | |
ist der Wunsch der Vater des Gedanken. Der gute Mann ist natürlich nicht | |
geisteskrank. | |
Und natürlich hat er all die Videos gesehen, in denen die versammelte Elite | |
der deutschen Neonazis, zusammen mit Bürgern der Stadt Chemnitz, Migranten, | |
Linke und Journalisten angreift. Michael Kretschmer weiß das alles. Die | |
nächstbeste Erklärung wäre also: „Da fischt jemand am rechten Rand“ – … | |
es immer wieder gerne, äußerst verharmlosend heißt. Dabei ist die | |
[4][Realität eine ganz andere]. | |
Niemand fischt hier am rechten Rand. Ein Land, in dem der Innenminister | |
sich öffentlich darüber freut, dass an seinem 69. Geburtstag ausgerechnet | |
69 Asylbewerber abgeschoben wurden, hat das auch gar nicht nötig. Wozu die | |
Angel auswerfen, wenn die Seehofers und Kretschmers sich überhaupt keine | |
Mühe geben, ihre klare Sympathie für rechte Inhalte und Politik zu | |
verbergen. | |
Denn eigentlich lieben diese Leute den Druck von rechts, erlaubt er ihnen | |
doch, es sich richtig schön gemütlich zu machen in ihrem „Wir sind die | |
Mitte“-Nest und nur ein wenig an den Stellschrauben zu drehen. Wer nicht | |
begreift, woher die Stimmung in diesem Land kommt und immer noch denkt, es | |
gäbe lediglich einen „rechten Rand“, der gehört in die gleiche Gummizelle | |
wie Michael Kretschmer. | |
5 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Juri Sternburg | |
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