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# taz.de -- Nach den Ausschreitungen: Chemnitz verändert Sachsen-Union
> In seiner Regierungserklärung findet Michael Kretschmer klare Worte gegen
> rechts. Doch sieht er „keinen Mob, keine Hetzjagd und kein Pogrom“.
Bild: Warnung vor „beängstigenden Entwicklungen“: Ministerpräsident Micha…
DRESDEN taz | Zehn Entwurfsfassungen sollen für diese
Chemnitz-Regierungserklärung in der sächsischen Staatskanzlei kursiert
sein. Ministerpräsident Michael Kretschmer hielt seine Rede letztlich
weitgehend frei und leidenschaftlich. Nur unmittelbar nach den Krawallen
Ende August 2015 in Heidenau, wo Geflüchtete in einem Baumarkt
untergekommen waren, hatte man vom damaligen Ministerpräsidenten Stanislaw
Tillich (beide CDU) annähernd Vergleichbares gehört. Diesmal hatte sich der
Gegenspieler und erzkonservative CDU-Fraktionschef Frank Kupfer in
auffälliger Weise krankgemeldet.
„Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist nur als Kampf für die Demokratie zu
gewinnen“, rief Kretschmer unter dem Beifall fast des gesamten Hauses.
„Dieser Kampf muss aus der Mitte der Gesellschaft geführt werden“, bezog er
die Zivilgesellschaft mit ein.
Der Ministerpräsident sprach von „beängstigenden Entwicklungen“ und rief …
einem parteiübergreifenden Konsens in der Migrationspolitik auf. Vom 20
Jahre alten Satz seines Amtsvorgängers Kurt Biedenkopf (CDU) distanzierte
er sich. Biedenkopf hatte damals gesagt, die Sachsen seien immun gegen
Rechtsextremismus.
Unerwartet scharf attackierte Kretschmer die AfD. Die Partei mache sich
gemein mit Leuten, die Ausländerinnen und Ausländer als „Gelumpe“ und
„Viehzeug“ bezeichneten. Mit dieser ehrverletzenden Begriffswahl betreibe
die Partei eine Radikalisierung der Bevölkerung. Wer Politikerinnen und
Politiker als „Volksverräter“ bezeichne – so wie die Nazis die Verschwö…
des Hitlerattentats am 20. Juli 1944 –, stehe „außerhalb jeder
Rechtsordnung“.
## Null Toleranz gegen Hitlergruß
Kretschmer war allerdings bemüht, die frühere Ignoranz der CDU gegenüber
Entwicklungen der rechten Szene herunterzuspielen. Dabei nahm er
beispielsweise das 2004 vom Koalitionspartner SPD durchgesetzte Programm
„Weltoffenes Sachsen“ für die Union in Anspruch. Auf Widerspruch des
Rechtsexperten der Linkspartei Klaus Bartl als Augenzeugen stieß auch die
von der Generalstaatsanwaltschaft übernommene Behauptung Kretschmers, es
habe in Chemnitz „keinen Mob, keine Hetzjagd und kein Pogrom“ gegeben.
Kretschmer kündigte an, das Justizministerium werde eine
„Null-Toleranz-Strategie“ zur schnellen Verfolgung von Straftaten wie das
Zeigen des Hitlergrußes entwickeln. Eine vierköpfige Task-Force soll
außerdem Bürgerdialoge über die laufenden „Sachsengespräche“ hinaus pla…
Während die Linke im Landtag ausschließlich mit der CDU-Politik abrechnete,
honorierte hingegen Grünen-Fraktionschef Wolfram Günther erkennbare
Wandlungen innerhalb der CDU. Zu denen gehört beispielsweise die
erstaunliche Tatsache, dass CDU-Generalsekretär Alexander Dierks am
vergangenen Sonnabend in Chemnitz den Aufruf „Herz statt Hetze“
unterschrieben hatte und im Landtagsplenum für ein breites demokratisches
Bündnis warb. Der Grüne Günther mahnte allerdings konkretere Schritte auf
dem Weg zu dem von Union postulierten „starken Staat“ an.
„Bewusst für ein Leben in Chemnitz“ hatte sich die SPD-Abgeordnete Hanka
Kliese entschieden. In ihrer Rede verteidigte sie – so wie der
Ministerpräsident – ihre „phantastische Stadt“ gegen pauschale Vorwürfe.
Zudem verwies sie auf kulturelle Fortschritte. Am vergangenen Dienstag
hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, nach Chemnitz zu fahren.
Die CDU-Chefin folgt damit einer Einladung von Oberbürgermeisterin Barbara
Ludwig von der SPD.
Ein Termin steht allerdings noch nicht fest. Völlig aus der Reihe fiel die
von „Aufhören“-Rufen und Gelächter begleitete Rede des
AfD-Landesvorsitzenden Jörg Urban. Der sprach nicht zur Sache, sondern
wiederholte apokalyptische Diagnosen über den Zustand der
Parteiendemokratie und schürte Untergangspanik.
5 Sep 2018
## AUTOREN
Michael Bartsch
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Chemnitz
Sachsen
CDU
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