# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Liebeserklärung zur Stunde | |
> Wer die Vielfalt Sachsens kennt, wundert sich, wo der Aufschrei der | |
> Touristiker gegen den grassierenden Fremdenhass bleibt. | |
Bild: Bald schon: Reisewarnung für die Sächsische Schweiz? | |
Ich liebe Sachsen, das Land. Ich habe in Annaberg einen Schneemann aus | |
Lindenholz geschnitzt und bin mit dem Historischen Besiedlungszug durch | |
Mittelsachsen gewandert. Ich war dabei, wie in Klingenthal Ziehharmonikas | |
zusammengeklebt wurden, und habe die Herrnhuter Missionare, fromme | |
Globetrotter mit sozialer Ader, auf ihrem Friedhof besucht. Ich habe an der | |
Neiße im Muffelschnorchel übernachtet, in Bautzen die Senffabrik | |
besichtigt. Ich habe über die uralte Kamelie von Pillnitz, den gusseisernen | |
Turm von Löbau und so vieles andere im Freistaat geschrieben, weil ich | |
Menschen dafür begeistern wollte. | |
Auf meinen Reisen kreuz und quer habe ich TouristikerInnen, | |
LokalpolitikerInnen und StudentInnen kennengelernt, die hellwach im Kopf | |
waren und sich gegen neue und alte Nazis zur Wehr setzten. Sie verdienen | |
Respekt und Unterstützung, keinesfalls aber ein wohlfeiles Sachsen-Prügeln | |
aus der Ferne. | |
Ich habe aber auch mit Hoteliers und Gastwirten gesprochen, die brennende | |
Flüchtlingsheime, Steine auf Busse und Jagden auf dunkelhäutige Menschen | |
„gruselig“ fanden – gruselig fürs Geschäft. Und die zwei Schnäpse weit… | |
schon mal anmerkten, man müsse auch „ein bisschen Verständnis“ haben, und | |
dann das Beispiel mit der „alleingelassenen alleinerziehenden deutschen | |
Mutter“ und das Beispiel mit den „Afghanen, denen alles hinten | |
reingeblasen“ wird, vorbrachten. | |
Ich finde die Vorstellung unsäglich, dass das schöne Land von | |
[1][ausländerfeindlichem Gesocks kaputtgetrampelt] wird. Und ich befürchte, | |
der Tourismus trägt seinen Teil dazu bei – durch Dummheit, Unterlassung | |
oder heimliche Sympathie. Klar: Menschlichkeit und Empathie lassen sich | |
nicht verordnen. Ökonomische Einsicht allerdings sollte man von einer | |
Branche zumindest erwarten, die von Weltoffenheit und ihrem guten Ruf lebt. | |
Bisher gibt es sie nicht. Oder wo sind die Transparente der Hotel- und | |
Gaststättenverbände bei den Demos gegen rechts? Wann kommt statt | |
windelweicher Bedenken der wütende Aufschrei der Tourismus Marketing | |
Gesellschaft Sachsen zum Thema „Tourismus und Ausländerhass“? Wo gibt es | |
die private Vereinigung von Hoteliers, die damit werben, dunkelhäutige | |
Menschen anzustellen als politisches Statement? Wann erklären große Häuser | |
in Dresden und Leipzig sich solidarisch mit dem kleinen Gastwirt auf dem | |
Land, der keine Nazis bei sich duldet und dies mit eingeschlagenen | |
Fensterscheiben bezahlt? | |
Die Anfänge, denen es mal zu wehren galt, sind längst vorbei. Aber auch | |
mittendrin kann man noch versuchen gegenzusteuern. Bevor das Auswärtige Amt | |
in seinen Reisewarnungen nicht nur von Touren in den Niger und nach | |
Fukushima abrät, sondern auch vor Abstechern nach Zwickau und Riesa. | |
8 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
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