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# taz.de -- Regelung der Pkw-Maut: „Moderne Wegelagerei“
> Der Kompromiss wird mit einem Öko-Faktor verkauft. Umweltschützer
> kritisieren ihn als „unsoziale Flatrate“, Nachbarländer wollen klagen.
Bild: Auch ein Wegelagerer – allerdings in einer etwas rabiaten Version
BERLIN taz | Die Einigung zur Pkw-Maut stößt bei Umweltverbänden auf
Kritik. „Was den ökologischen Lenkungseffekt angeht, ist das
Augenwischerei“, kritisiert Werner Reh, Verkehrsexperte des Umweltverbandes
BUND. „Es gibt keinen Anreiz, die Fahrleistung zu reduzieren“, sagt Anja
Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Kompromiss sei eine
„unsoziale Flatrate“.
Bundesregierung und EU-Kommission hatten sich am Donnerstag nach
monatelangem Streit auf einen Plan geeinigt. Demnach müssen inländische
Autofahrer eine jährliche Maut zahlen, die – je nach Größe des Fahrzeugs
und dessen Umweltbelastung – bei bis zu 130 Euro liegen soll. Über eine
geringere KfZ-Steuer soll diese Summe jedoch wieder kompensiert werden –
mindestens.
Bei schadstoffarmen Fahrzeugen der Abgasnorm Euro 6 soll die Steuer sogar
stärker sinken als der Mautbetrag hoch ist. So sollen für Besitzer von
schadstoffarmen Fahrzeugen jährlich zusätzliche Steuerentlastungen in Höhe
von 100 Millionen Euro pro Jahr entstehen. Ausländische Fernstraßennutzer
können alternativ zu der Jahresvignetten auch Kurzzeitplaketten kaufen, die
zwischen 2,50 Euro und 40 Euro kosten.
„Fair, sinnvoll und gerecht“, nannte Bundesverkehrsminister Alexander
Dobrindt (CSU) die Einigung. Die ersten Pläne von Dobrindt hatten noch
vorgesehen, inländische Autofahrer über die Kfz-Steuer immer genau in Höhe
der Maut zu entlasten. Die EU-Kommission hatte das als verbotene
Benachteiligung ausländischer Fahrer abgelehnt. Nun lobte Brüssel, die
Einigung werde die „Transformation zu einer Mobilität mit niedrigen
Emissionen“ voranbringen.
## Geringer finanzieller Anreiz
Das bezweifelt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
(DUH). Denn der finanzielle Anreiz sei viel zu gering. Er fürchtet im
Gegenteil, dass auch wenn die Autofahrer die Maut selbst nicht finanziell
spüren, ein Anreiz gesetzt wird, die Vignette möglichst gut auszunutzen –
und entsprechend viele Strecken mit dem Auto zurückzulegen.
Resch fordert daher statt einer Flatrate eine Maut, die sich nach den
gefahrenen Kilometern richtet – und zwar unabhängig davon, ob die Wege auf
Autobahnen, Bundesstraßen oder in Städten zurückgelegt werden. Um das ohne
größere Überwachungsinfrastruktur auszugestalten, schlägt er vor, dass die
zurückgelegten Distanzen lokal auf einem Gerät im Auto gespeichert werden.
Für die Mautabrechnung sollten lediglich, etwa im Monatsrhythmus,
aggregierte Werte nach außen gegeben werden – die Zahl der zurückgelegten
Kilometer.
Smetanin vom VCD weist zudem darauf hin, dass es gerade im Bereich der
Euro-6-Norm zahlreiche Fahrzeuge gebe, die derzeit im Abgasskandal in der
Kritik stehen. Wichtig wäre daher, einen zusätzlichen Parameter
einzuführen: Entlastet werden dürften dann nur Fahrzeuge, deren Abgaswerte
in Straßentests überprüft wurden.
## Dobrindts optimistische Prognose
500 Millionen Euro im Jahr soll die Maut einbringen, so Dobrindts Prognose.
Doch die ist umstritten – und das nicht nur bei Umweltverbänden. „Es könn…
auch ein Nullsummenspiel werden“, sagte der Vorsitzende des
Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD) im Bayerischen
Rundfunk.
Der grüne EU-Abgeordnete Michael Cramer bezeichnete das Vorhaben als
„moderne Wegelagerei“. Dass die deutschen Autofahrer nicht zusätzlich
zahlen sollen, ausländische Autofahrer aber schon, sei antieuropäisch und
provoziere Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof.
Mehrere EU-Länder kündigten bereits an, entsprechende Klagen in Erwägung zu
ziehen. Kommt es tatsächlich zu einem Verfahren, würde das die Maut – die
wohl ohnehin erst in der kommenden Legislaturperiode starten wird – weiter
verzögern. Denn für einen Betreiber wäre das Risiko, bei einem ablehnenden
Gerichtsurteil das System wieder einstampfen zu müssen, groß.
2 Dec 2016
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Pkw-Maut
Alexander Dobrindt
Umweltschutz
Flatrate
Bundesrat
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Privatisierung
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