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# taz.de -- Streit in der Steuerpolitik: Grüne suchen ein bisschen Frieden
> Vermögens- oder Erbschaftsteuer? Der Streit der Grünen drohte auf dem
> Parteitag zu eskalieren. Überraschend taucht jetzt ein
> Kompromissvorschlag auf.
Bild: Die Grünen nähern sich langsam, aber sicher einer Lösung im Erschaftst…
BERLIN taz | Die Fronten schienen bei den Grünen zuletzt verhärtet. Im
Dauerstreit über die richtige Steuerpolitik plädierten viele Linksgrüne für
eine Vermögensteuer, um den sozialen Riss in Deutschland zu kitten. Viele
Realos wehrten sich gegen ein solches Instrument – und warben stattdessen
für eine Flat-Tax-Erbschaftsteuer mit niedrigen Steuersätzen.
Kurz vor dem Bundesparteitag, der Mitte November in Münster stattfindet,
kommt nun Bewegung in den festgefahrenen Konflikt. Bei dem wohl wichtigsten
Streitpunkt grüner Politik deutet sich ein Kompromiss an. Ein Vorschlag der
Fraktionsspitze, den diese am Dienstag unterbreitete, könnte den lang
ersehnten Friedensschluss vorbereiten – und für einen harmonischen
Parteitag sorgen.
Die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie
Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann haben einen Änderungsantrag für
den Parteitag formuliert. Darin sprechen sie sich für die Einführung einer
Vermögensteuer aus, betonen aber gleichzeitig die Bedeutung einer einfachen
und gerechten Erbschaftsteuer. Die Ökopartei wolle der sozialen Spaltung
„mit einer verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren Vermögenssteuer
für Superreiche“ entgegenwirken, heißt es in dem Papier, das der taz
vorliegt.
Göring-Eckardt und Haßelmann sind Realas, Hofreiter gehört dem linken
Flügel an. Das Papier versucht also, versöhnliche Signale in beide
Parteiflügel zu funken.
## Kein konkretes Modell
Dass die Vermögensteuer explizit gefordert wird, ist ein großer Erfolg für
die Linksgrünen. Allerdings müssen sie auch Zugeständnisse machen. So
verzichtet der Antrag zum Beispiel darauf, ein konkretes Modell
vorzuschlagen. Linke Grüne wie Parteichefin Simone Peter präferieren ein
Modell des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, das moderate
Steuersätze für mehrfache Millionäre vorschlägt und dem Staat Einnahmen von
10 Milliarden Euro pro Jahr bringen würde.
Gleichzeitig nimmt der Änderungsantrag die bei den Realos beliebte
Erbschaftsteuer auf. Wenn das Verfassungsgericht den jüngst im Bundesrat
beschlossenen Erbschaftsteuerkompromiss erneut kritisiere, müsse ein neues
Konzept entwickelt werden, „das einfach und gerecht ist und keine Zweifel
an der Verfassungskonformität lässt.“ Von einer Flat-Tax, also einem
konkreten Modell, ist auch hier nicht die Rede. Allerdings lässt sich die
Formulierung in diese Richtung lesen. Beide Seiten müssen also
Zugeständnisse machen, die Erbschaftsteuer-Fans ein paar mehr als die
Vermögensteuer-Anhänger.
Aus dem linken Grünen-Flügel gab es viel Zustimmung zu dieser Linie. „Ich
unterstütze das klare Bekenntnis der Fraktionsspitze zur Vermögensteuer und
den entsprechenden Änderungsantrag ausdrücklich“, twitterte die linksgrüne
Parteichefin Simone Peter. Auch Lisa Paus, die Steuerexpertin der Fraktion,
schrieb auf Twitter kurz und aussagekräftig: „Finde ich gut!“ Der
Haushälter Sven-Christian Kindler, der ebenfalls den Parteilinken
zugerechnet wird, lobt die „gute Initiative“ gegen Ungleichheit in der
Gesellschaft.
Verhaltener fielen die Reaktionen der Realos aus. Parteichef Cem Özdemir,
der zuvor „berechtigte Zweifel“ an der Vermögensteuer angemeldet hatte,
zeigte sich offen für einen Kompromiss. Er vermied es aber gleichzeitig,
den auf dem Tisch liegenden Vorschlag zu bewerten. „Wir sind da alle in
Bewegung, weil wir wissen, wie wichtig ein Kompromiss ist“, sagte er am
Dienstag der taz. „Für mich ist dabei relevant, dass ein Kompromiss in der
Breite unserer Partei und unserer Länder getragen wird.“
## Kein Kompromiss
Die taz erfuhr aus Grünen-Kreisen, dass die Fraktionsspitze und Özdemir
zuvor versucht hatten, einen gemeinsamen Vorschlag für einen Kompromiss zu
finden – ohne Erfolg.
Özdemir stammt aus Baden-Württemberg, und in der dortigen grünen
Machtbastion ist der Widerstand gegen die Vermögensteuer besonders groß.
Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte seine Position
mehrfach klar gemacht: „Ich bin ein Gegner der Vermögensteuer.“
Kerstin Andreae, Fraktionsvize im Bundestag und Reala, äußerte sich
ebenfalls vorsichtig. „Es ist gut, dass die Kompromisssuche begonnen hat“,
sagte sie der taz. Arbeitsplätze und Innovationskraft müssten geschützt,
eine Substanzbesteuerung bei Unternehmen dürfe nicht riskiert werden. „Eine
verfassungsfeste Lösung hierfür zu finden, ist nicht trivial“, betonte sie.
„Das Modell hierfür hat noch keiner.“ Dies kann man als Seitenhieb auf die
Parteilinken und das DIW-Modell interpretieren.
Die Kompromisssuche in letzter Minute liegt dabei im Interesse aller. Alle
Spitzengrünen – egal ob links oder realpolitisch – sind sich einig, keinen
Steuerwahlkampf wie 2013 führen zu wollen. Ein heftiger Streit über
Steuerpolitik auf dem Parteitag in Münster aber würde genau dieses
unerwünschte Bild zeichnen.
In einem internen Brief an Minister und wichtige Politiker in den Ländern
appellieren Göring-Eckardt, Hofreiter und Haßelmann an die Vernunft ihrer
Parteifreunde: „Die inhaltlichen Differenzen sind bei der Mehrheit unserer
Partei geringer, als es öffentlich wahrgenommen wird“, schreiben sie. Ein
breit getragener Vorschlag „gerade in diesem Themenfeld“ helfe, um
gemeinsame Botschaften wie die Entlastung von Familien oder besseren
sozialen Wohnungsbau zu transportieren.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Realos
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Bündnis 90/Die Grünen
soziale Ungleichheit
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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