| # taz.de -- Kommentar Grüne und Vermögensteuer: Raus aus der Unkenntlichkeit | |
| > Mit einem Ja zur Vermögensteuer ziehen die Grünen in den | |
| > Bundestagswahlkampf. Das ist mutig – aber bringen würde die Steuer wohl | |
| > nicht viel. | |
| Bild: Wer läuft schon gerne ein zweites Mal gegen eine Betonwand? Die Grünen … | |
| Im Englischen gibt es den gelassenen Spruch: „Pick your Battles.“ | |
| Konzentriere dich auf die Kämpfe, die du gewinnen kannst. Die Grünen machen | |
| sich diesen klugen Satz jetzt zu eigen. Sie werden im Bundestagswahlkampf | |
| für eine Vermögensteuer werben, die sehr reiche Menschen belastet – also | |
| mehrfache Millionäre und Milliardäre. Gleichzeitig aber, und das ist | |
| entscheidend, schließen sie Frieden mit den Gutverdienern der oberen | |
| Mittelschicht. | |
| Kurz: Ein Rechtsanwalt, der 150.000 Euro im Jahr verdient, gerne im | |
| Biomarkt einkauft und das gute Leben liebt, braucht vor den Grünen keine | |
| Angst mehr haben. Wer nach dem Parteitag in Münster behauptet, die | |
| Ökopartei verschrecke mit linken Utopien die bürgerliche Mitte, hat die | |
| Beschlüsse nicht verstanden. Das Gegenteil ist der Fall, die Grünen setzen | |
| auf Versöhnung mit ihrem akademisch gebildeten, gut verdienenden Klientel. | |
| Zwar plädieren sie nach wie vor dafür, das antiquierte Ehegattensplitting | |
| abzuschaffen. Wer aber bereits verheiratet ist, bekommt die Subvention | |
| weiter. Auch die Einkommensteuer fassen die Grünen nicht mehr an, selbst | |
| Spitzenverdiener brauchen keine Erhöhung fürchten. Damit reagiert die | |
| Partei auf das Wahlkampfdesaster 2013, bei dem auch das zahlenlastige | |
| Steuerkonzept eine Rolle spielte. Damals mussten wohlhabende, ökoaffine | |
| Bürgermilieus Einbußen im Portmonnee fürchten, heute werden sie sanft | |
| umarmt. | |
| Sicher, das kann man gesellschaftspolitisch falsch finden. Echte | |
| Umverteilung des Reichtums findet nicht statt, wenn Wohlhabende wie der | |
| Rechtsanwalt außen vor sind. Die Grünen lügen sich hier etwas vor. Und ja, | |
| eigentlich müssten sie jetzt viele ihrer teuren Wünsche abschreiben, weil | |
| sie mit dem steuerpolitischen Kuschelkurs nicht finanzierbar sind. Aber | |
| taktisch handeln die Grünen richtig. Wer läuft schon gerne ein zweites Mal | |
| gegen eine Betonwand? | |
| ## Sich aus Angst vor Konflikten drücken – geht nicht | |
| Wahr ist auch: Wer in Deutschland für die Vermögensteuer kämpft, braucht | |
| Mut. Die Grünen haben sich zuletzt bis zur Unkenntlichkeit verbogen, etwa | |
| in der Flüchtlingspolitik. Doch mit dem Ja zur Steuer gehen sie ein Risiko | |
| ein. Mächtige Wirtschaftsverbände wie der DIHK hassen sie, Union und FDP | |
| werden alles tun, um die Steuer als gefährliches Werkzeug der angeblichen | |
| Linksfront zu diffamieren. | |
| Dabei wird sie von beiden Seiten mystifiziert, von ihren Gegnern und Fans | |
| gleichermaßen. Weder würde eine solche Steuer hunderttausende Arbeitsplätze | |
| vernichten, wie es Konservative behaupten, noch würde sie die Schere | |
| zwischen Arm und Reich schließen, was manche Linke glauben. | |
| Eine solche Steuer verschaffte verschuldeten Ländern und Kommunen etwas | |
| mehr Luft für dringend nötige Investitionen, nicht mehr und nicht weniger. | |
| Und sie wäre ein Symbol für die Öffentlichkeit, dass der Staat sehr reichen | |
| Menschen einen größeren Beitrag für das Gemeinwesen abverlangt. | |
| Allein dieses Signal wäre wertvoll. Wer über den Aufstieg der | |
| Rechtspopulisten in Europa oder den Sieg Trumps klagt, darf von der | |
| Vermögensungleichheit nicht länger schweigen. Sich aus Angst vor der Macht | |
| der Finanzeliten um harte Konflikte zu drücken, geht nicht mehr. Es wäre | |
| feige, naiv und inzwischen auch gefährlich für die Demokratie. | |
| 13 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Donald Trump | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Vermögenssteuer | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Koalitionsverhandlungen | |
| Parteitag | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Grüne | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Realos | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar Wahlkampf und Steuerpolitik: Ein Phantom namens Facharbeiter | |
| Alle Parteien reden im Bundestagswahlkampf davon, dass sie den Facharbeiter | |
| steuerlich entlasten wollen. Aber wo ist der nur? | |
| Rot-Rot-Grün in Berlin: Das wird kein Spaß | |
| Kommenden Donnerstag soll der Koalitionsvertrag stehen: Welche Lehren für | |
| Rot-Rot-Grün in Berlin kann man aus der USA-Wahl ziehen? | |
| Parteitag der Grünen in Münster: Immer noch ein bisschen rebellisch | |
| Die Grünen, jetzt ist es offiziell, werden im Bundestagswahlkampf 2017 für | |
| die Vermögensteuer kämpfen – ein Risiko. | |
| ABC der guten Laune nach der US-Wahl: Hurra, die Welt geht nicht unter! | |
| Angst, Wut, Hysterie sind verständliche Reaktionen auf Trumps Sieg. Es sind | |
| nicht die besten. Umarmen Sie die neue Situation. Jetzt ist alles möglich. | |
| Grüne suchen Spitzenkandidaten: Die Überflügelnde | |
| Katrin Göring-Eckardt ist für eine Grünen-Spitzenkandidatur gesetzt. Die | |
| Basis entscheidet aber, wie stark sie wird. | |
| Grüne und Finanzpolitik: Steuerstreit eskaliert doch | |
| Wichtige Realos aus Baden-Württemberg wollen die Vermögensteuer aus dem | |
| Programm streichen. Damit brüskieren sie die Berliner Fraktionsspitze. | |
| Streit in der Steuerpolitik: Grüne suchen ein bisschen Frieden | |
| Vermögens- oder Erbschaftsteuer? Der Streit der Grünen drohte auf dem | |
| Parteitag zu eskalieren. Überraschend taucht jetzt ein Kompromissvorschlag | |
| auf. |