# taz.de -- Wirtschaftspolitik der Grünen: Lebensqualität ohne Wachstum | |
> Deutschland könne auch mit einer winzigen oder keiner Steigerung des | |
> Bruttoinlandsprodukts lebenswert sein. Das beschließen die Grünen im | |
> Bundestag. | |
Bild: Wenn die Kettensäge länger hält, sinkt das Wachstum, aber auch die Leb… | |
BERLIN taz | Verbraucher sollen künftig erkennen können, welche Lebensdauer | |
die Produkte haben, die sie kaufen. Das ist ein Vorschlag, den grüne | |
Bundestagsabgeordnete für eine neue, sozialökologische Wirtschaftspolitik | |
machen. Ein anderer: Die Unternehmen sollen defekte Konsumgüter länger als | |
bisher zurücknehmen und ersetzen müssen. | |
Diese und weitere Forderungen stehen in dem Papier „Mehr Lebensqualität, | |
weniger Ressourcenverbrauch, weniger Umweltschäden: Neue Antworten auf die | |
Wachstumsfrage“ aus der Bundestagsfraktion der Grünen, das der taz | |
vorliegt. Erarbeitet haben es Gerhard Schick und Dieter Janecek. Die beiden | |
sind die Sprecher für Finanz- und Wirtschaftspolitik. Der Vorstand der | |
Fraktion hat die Vorlage beschlossen. | |
Das Konzept ist mehr als ein Politikentwurf für die nächste | |
Legislaturperiode. Es dient vor allem als Angebot an die | |
wachstumsfreundlichen und die wachstumskritischen Politiker innerhalb der | |
Partei, sich auf eine gemeinsame Position zuzubewegen. | |
Bisher streiten die beiden Seiten in einer teilweise bissigen | |
Auseinandersetzung. Bei der grünen Heinrich Böll Stiftung haben die | |
Vorstände Ralf Fücks und Barbara Unmüßig gegensätzliche Bücher geschriebe… | |
Fücks findet bestimmte Arten von Wachstum toll, Unmüßig ist grundsätzlich | |
skeptisch. Wie hältst du es mit dem Wachstum? Diese Frage begleitet die | |
Grünen seit ihrer Gründung 1979. | |
## Überflüssiges Wachstum verhindern | |
Der Vorschlag, die Lebensdauer von Produkten auszuweisen, klingt so ähnlich | |
wie die Idee von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Waren ein | |
„zweites Preisschild“ mitzugeben. Von derartiger politischer Regulierung | |
erhoffen sich Schick und Janecek, dass überflüssiges, umweltzerstörendes | |
Wachstum unterbleibt. Denn die Konsumenten könnten dann eher Produkte | |
auswählen, die länger halten. | |
Die grundsätzliche Idee in dem Papier ist die „doppelte Entkopplung“. Auch | |
wenn das Bruttoinlandsprodukt steigt, soll erstens der Verbrauch von | |
Energie und anderen Ressourcen sinken. Zweitens möchte man erreichen, dass | |
sich die Lebensqualität der Bürger erhöht, auch wenn die Wachstumsraten | |
niedrig sind oder ganz ausbleiben. Schick und Janecek fordern: „Wachstum | |
ohne Umweltschäden, Lebensqualität ohne Wachstum.“ | |
Diese Haltung sei nicht utopisch, sondern realistisch, erklärt die | |
Grünen-Fraktion. Schließlich nähmen die Wachstumsraten in Industrieländern | |
wie Deutschland sowieso ab – und lägen bald nahe null. | |
Praktisch stellen sich die Grünen die Entwicklung etwa so vor: | |
Klima-unschädliche Elektrofahrzeuge ersetzen die Benzinautos. Carsharing | |
und die digitale Vernetzung der Verkehrsträger führen dazu, dass die | |
Bundesbürger mobiler sind, mehr Lebensqualität genießen, aber weniger Autos | |
kaufen. | |
Kann Deutschland jedoch so wohlhabend bleiben, wie es bisher ist, wenn die | |
deutsche Autoindustrie weniger Fahrzeuge verkauft? Gute Frage. Schick und | |
Janecek meinen: Ja, denn Wohlstand messe sich nicht nur an materieller | |
Ausstattung. | |
19 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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